Ist das die Zukunft?

Saudi-Prinz plant 170 Kilometer lange Spiegelstadt

Web
31.07.2022 13:32

Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman will in der nordarabischen Wüste die Megastadt Neom errichten. Nun hat der autoritäre Herrscher einen weiteren Baustein des futuristischen Mammutprojekts enthüllt: „The Line“. Die 170 Kilometer lange, aber nur 200 Meter breite Spiegelstadt mit 500 Metern Höhe soll auf wenig Fläche sämtliche Annehmlichkeiten bieten und Blaupause für die Stadt der Zukunft sein.

Bin Salman hat viele Gesichter: „Blutscheich“, der Kritiker wie den Journalisten Jamal Khashoggi ermorden lässt. Deal-Macher, dem nach Jahren der Isolation zuletzt wieder vermehrt westliche Regierungschefs von US-Präsident Biden bis zum französischen Staatsoberhaupt Macron ihre Aufwartung machten. Und Hightech-Fan mit einem Faible für Computerspiele und die futuristischen Ideen des Silicon Valley.

Spiegelstadt mit neun Millionen Einwohnern
Bei der Präsentation der futuristischen Wüstenstadt „The Line“ schlüpfte bin Salman dieser Tage in letztere Rolle. Der Kronprinz will in der nordarabischen Wüste, wo 500 Milliarden US-Dollar in den Bau der Megastadt Neom gepumpt werden sollen, den Prototyp der Stadt der Zukunft errichten. Neun Millionen Menschen sollen nach dem Willen des Saudi-Prinzen einmal in der Spiegelstadt „The Line“ als Teil von Neom wohnen.

Bin Salmans Plan sieht vor, eine außen komplett verspiegelte Reißbrettstadt zu errichten. Sie soll 170 Kilometer lang, aber nur 200 Meter breit werden. Damit auf 34 Quadratkilometern Fläche trotzdem neun Millionen Menschen Platz finden, soll die Stadt 500 Meter hoch werden - höher als der Eiffelturm. Die Stadtviertel sollen senkrecht organisiert werden: Alle Bewohner sollen Angebote des täglichen Bedarfs binnen fünf Minuten zu Fuß erreichen.

Design ans Klima angepasst, kein Autoverkehr
Das ungewöhnliche Design der Stadt ist an das Wüstenklima angepasst: Die verspiegelten Außenflächen sollen Hitze draußen halten, außerdem ist „The Line“ nach oben hin offen, damit heiße Luft entweichen kann. Umgekehrt soll kühle Luft in der schmalen, langen Wüstenstadt absinken und für angenehme Temperaturen sorgen. Bei der Energieversorgung will man auf erneuerbare Quellen setzen. Im Inneren der Stadt soll es laut ersten Konzeptzeichnungen und Werbevideos viel Grün geben. Zentrale Systeme der Stadt sollen mittels Künstlicher Intelligenz gesteuert werden.

Autos sollen nach dem Willen der Stadtplaner keine durch „The Line“ fahren. Stattdessen sollen Taxidrohnen und ein Hochgeschwindigkeitsverkehrsmittel, das die 170 Kilometer lange Stadt in nur 20 Minuten durchqueren soll, die Bewohner befördern. Erste Ideen für „The Line“ wurden Anfang 2021 enthüllt. Nun wurde das Design präsentiert. Auch eine offizielle Ausstellung zur Spiegelstadt in der Wüste wurde in Dschidda nahe Mekka eröffnet.

Neom: Sci-Fi-Stadt mit Robo-Dinos und falschem Mond
„The Line“ soll Teil der geplanten Megastadt Neom werden, die bin Salman seit 2017 vorantreibt und die „die größten Geister und besten Talente der Welt“ anlocken soll. Neom - Zehntausende sollen für den Bau umgesiedelt werden - soll nichts Geringeres als die reichste Stadt der Welt werden. Der Flughafen wurde laut Golem.de bereits 2019 eröffnet. Insgesamt soll die Stadt fast 30.000 Quadratkilometer groß werden.

Bei der Planung hat sich Bin Salman die Unterstützung internationaler Berater geholt. Sie haben ihm etliche Vorschläge unterbreitet, die in der Reißbrettstadt umgesetzt werden könnten:

  • Weil die geplante Küstenstadt am Roten Meer von Wüste umschlossen ist, will man sie künstlich mit Regen versorgen, der von „geimpften“ Wolken kommen soll.
  • Kameras, Drohnen und Gesichtserkennung sollen allgegenwärtig sein und die Bürger von Neom auf Schritt und Tritt überwachen - zur eigenen Sicherheit, heißt es.
  • Die Hightech-Stadt soll Gentechnik-Kliniken beherbergen, mit denen man durch genetische Modifikationen, etwa bei der menschlichen Intelligenz oder Körperkraft, „einen neuen Lebensstil von der Geburt bis zum Tod“ ermöglichen will.
  • Neom soll voller Roboter sein: Robo-Haushälter, Robo-Kämpfe und ein Vergnügungspark voller Robo-Saurier schweben den Stadtplanern vor.
  • Von A nach B soll man in Neom mit dem Flugtaxi kommen. In einem Planungsdokument heißt es: „Autofahren wird man nur mehr zum Spaß, nicht mehr für den Transport.“
  • Sogar ein falscher Mond schwebt den Stadtplanern vor: Er könnte von Drohnen dargestellt werden oder ein Live-Bild des echten Mondes sein und die Stadt nachts erleuchten.

Offen bleibt in den Neom-Plänen eine zentrale Frage: Ob sich die futuristische Lebensweise und die mondäne Bevölkerung, die angelockt werden soll, mit den religiösen Traditionen des autoritär-islamischen Landes vertragen? Kleine Zugeständnisse - Alkohol darf getrunken werden - werden in den Unterlagen angedeutet. Wie es um die Rechte von Frauen oder eine unabhängige, vom Klerus entkoppelte Justiz stehen soll, ist aber unbekannt.

Noch in einer frühen Umsetzungsphase, zeigt Neom, wo man in Saudi-Arabien hinwill. Die Welt will unabhängiger vom Öl werden, damit würde Saudi-Arabien seinen wichtigsten Wirtschaftsmotor verlieren. Schafft man nicht wie die benachbarten Vereinigten Arabischen Emirate oder Katar andere Einkommensquellen, droht langfristig ein böses Erwachen.

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