„Wir haben die Kontrolle verloren“ - dieser Hilferuf von Bediensteten der Justizanstalt Graz-Jakomini, die „Krone“ berichtete, sorgte für zahlreiche Reaktionen. Unter anderem ist die Rede von einem „Kollaps im Strafvollzug“. Verschiedene Forderungen werden laut.
„Ich arbeite seit 18 Jahren in einer Justizanstalt und bestätige die Aussagen meiner Kollegenschaft. Das Problem ist sehr wohl in ganz Österreich verbreitet, und das bereits seit vielen Jahren - und zwar weil es einfach kein Verständnis gibt oder einfach vom Justizministerium, der Generaldirektion und den Anstaltsleitungen nicht ernst genommen wird. Der Zweck des Strafvollzuges wird schon lange nicht mehr erfüllt“, berichtet ein Beamter, der aus Angst vor dienstrechtlichen Konsequenzen anonym bleiben möchte.
„Respektlosigkeit und ungebührliches Benehmen“
Von Inhaftierten hagle es Beschwerden, wenn von den Beamten versucht werde, das Vollzugshandbuch umzusetzen. „Von Schikane und Willkür wird dann gesprochen, teilweise werden sogar Anzeigen erstattet. Respektlosigkeit und ungebührliches Benehmen sind ständig präsent und Meldungen über Ordnungswidrigkeiten bleiben meistens ohne Konsequenzen. Da heißt es dann nur, dass das mit dem Insassen besprochen worden sei“, schildert der Bedienstete weiter. Auch der besagte Personalmangel werde nicht gesehen. Es gebe Dauerkrankenstände, zum Teil wegen Burnout - und zwar über Monate und sogar Jahre hinweg.
„Uns Bediensteten bleibt nur die Möglichkeit, einmal im Jahr über die Missstände der Volksanwaltschaft zu berichten“, betont der Justizwachebeamte.
„Produkt falscher Personalpolitik“
Von einem „Kollaps im Strafvollzug“ spricht Markus Abwerzger, Tirols FP-Landesparteichef. „Die untragbaren Zustände sind das Produkt falscher Personalpolitik. Obendrein ist es so, dass die grün-linke Justizministerin Alma Zadic für mehr Rechte für die Insassen eintritt als sich um die Rechte der Strafvollzugsmitarbeiter zu kümmern.“ Er erinnert an die Forderung der FPÖ, dass die Justizwachebeamten dem Innenministerium zugeteilt werden, und nicht mehr dem Justizministerium unterstehen. „Diese Forderung wurde aber in der Phase der FPÖ-Regierungsbeteiligung auf Bundesebene von der ÖVP verhindert“, schildert Abwerzger.
Sofortige Maßnahmen seitens der Politik gefordert
Für den blauen Politiker steht fest: „Mehr Justizwachebeamte garantieren mehr Sicherheit für Inhaftierte und Strafvollzugsmitarbeiter, daher muss auch der Job attraktiver werden.“ Er verweist auf den jüngsten Bericht der Volksanwaltschaft „Präventive Menschenrechtskontrolle 2021“. „Dieser Bericht belegt nicht nur die untragbaren Zustände in der Justizanstalt Innsbruck, sondern in allen österreichischen Strafvollzugs- und Justizanstalten, die nicht tolerierbar sind. Auch Inhaftierte müssen Rechte haben, die aber aufgrund des Personalmangels nicht eingehalten werden. Daher braucht es sofortige Maßnahmen seitens der Politik, zum Schutz der Inhaftierten und der Strafvollzugsmitarbeiter“, erklärt er.
Ein Problem, das ihm viele Beamte schildern, sei auch der Umstand, dass sehr viele (Haft-)Verhandlungen um 9 Uhr beginnen. Deshalb sei der Personaldruck in dieser Zeit enorm hoch. Gut wäre es, wenn man - wie in Corona-Zeiten - gewisse Haftverhandlungen mittels Videokonferenzen abhalten könne.
„Unsere schlimmsten Befürchtungen wurden bestätigt“
Auch SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim fordert eine Personaloffensive, bevor Schlimmeres passiere: „Die eklatanten Personalmängel in der Justizwache sind nicht mehr tragbar. In den Haftanstalten herrschen Zustände, die offenbar schon eine massive Sicherheitsgefährdung des Personals darstellen. Seit Jahren fordert die SPÖ klare Führungskonzepte in den Justizanstalten, die Schaffung und bessere Bewertung neuer Planstellen sowie strukturelle Verbesserungen, weil die Beamten am Zahnfleisch gehen. Unsere schlimmsten Befürchtungen wurden bestätigt.“
Die rote Politikerin führt weiter aus: „Viele der vom Gesetzgeber vorgegebenen Aufgaben können aufgrund der verfehlten Personalpolitik der Bundesregierung gar nicht erfüllt werden. Die Situation ist seit Jahren angespannt und die Belastung der Mitarbeiter ist unzumutbar, dementsprechend viele Überstunden fallen auch an. Aber wie immer bei dieser Regierung wird ewig beobachtet, geprüft, und zugeschaut, obwohl akuter Handlungsbedarf besteht. Es braucht endlich Taten.“
„Kein Kommentar“
Wortkarg zeigt sich auf „Krone“-Anfrage hingegen ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker. Sie wolle sich dazu nicht äußern.
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