Filzmaier analysiert

Kick it like Beckham

Politik
10.07.2022 06:00

Österreich hat gegen England 0:1 gespielt. Bei der Europameisterschaft im Frauenfußball. Leider dauerte es ewig, bis es für Kickerinnen überhaupt Meisterschaftsspiele gab. Im in der Überschrift zitierten Filmtitel will eine 17-jährige wie David Beckham ihren Lieblingssport ausüben. Was Männer jahrzehntelang verhindern wollten.

1. Sport wäre eine Männersache. So lautete das üble Vorurteil. Doch wurde im Fußball bereits anno 1894 von Nettie Honeyball das erste Team für Frauen - die British Ladies - gegründet. Dessen Premierenspiel von England-Nord gegen England-Süd endete am 23. März 1895 übrigens 7:1. Vor mehr als 10.000 Zuschauern! England als Mutterland des Fußballs, das hatte also eine doppelte Bedeutung.

2. In Österreich fand nach einem eher als Volksbelustigung empfundenen Zwischenspiel 1923 immerhin schon in den 1930er-Jahren organisierter Frauenfußball statt. Erst die Nationalsozialisten stoppten das, weil es ihrer Ideologie und ihrem Frauenbild widersprach. Das Folgeproblem war, dass man im deutschsprachigen Raum nach dem Ende des Schreckensregimes der Nazis mit der Diskriminierung der Frauen im Fußball einfach weitermachte.

3. Von einer Gleichstellung auch nach 1945 jahrzehntelang keine Rede. Wir in Österreich führen erst seit 1972 eine nationale Meisterschaft durch. Der Österreichische Fußballbund (ÖFB) übernahm gar erst 1982 die Obhut über diese Damenliga und nannte sie forthin Bundesliga mit zwei Spielstufen. Seit 2010 wird die Frauenbundesliga mit zehn Mannschaften ausgespielt.

4. Was bis dahin geschah? Das Wort Emanzipation kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Befreiung aus einem Zustand der Abhängigkeit hin zur Selbstständigkeit. Das sah so aus: In Deutschland verbot der Fußballbund von 1955 bis 1970 den Frauenfußball aus „ästhetischen Gründen und grundsätzlichen Erwägungen“.

5. Bei uns war der ÖFB um nichts besser. 1957 wurden den Vereinen eigene Frauenabteilungen verboten. Als mehr als zehn Jahre später für Frauen die Mannschaft des USC Landhaus Wien gegründet wurde, konnte diese vorerst nur Freundschaftsspiele gegen ausländische Teams insbesondere aus der Tschechoslowakei absolvieren.

6. Sowohl an Stammtischen als auch seitens männlicher Fußballfunktionäre und Journalisten gab es stets zum Teil widerliche Begründungen, warum Frauen nicht kicken sollten. Da war von absurden Auswirkungen auf Sexualorgane und Gebärfähigkeit die Rede. Man knüpfte dümmlich nahtlos an die Nazi-Vorstellungen der Frau an, die ausgerechnet beim Fußball keine breiten Hände - oder einen dicken Hals und so weiter - als Mannweiber bekommen sollten.

7. Geifernde Männer faselten über „Spreiz- und Grätschbewegungen sowie athletische Stellungen“ als „Schwächung des weiblichen Züchtigkeitsgefühls und Verminderung der Liebe zum stillen häuslichen Wirken“. Es gibt sogar Belege, dass auf mit dem Ball trainierende Frauen Steine geworfen wurden.

8. Ist das alles heute Vergangenheit? Naja. Zum Glück wird die laufende Europameisterschaft sehr positiv gesehen. Doch nehmen wir einen Geldvergleich als Gradmesser: Herr Cristiano Ronaldo hat in der abgelaufenen Saison inklusive Werbeverträge über 100 Millionen Euro verdient. Obwohl er fußballerisch genau gar keinen Titel gewann. Die bestverdienenden Frauen - Trinity Rodham und Megan Rapinoe in den USA - verdienen nicht einmal 300.000 Dollar (?? Euro).

9. Eine hübsche Summe, aber über dreihundertmal weniger. Im Nationalteam mussten die Amerikanerinnen eine den Männern gleiche Bezahlung vor Gericht einklagen. Vor dem Prozess bekam der männliche dominierte US-Fußballverband weiche Knie und garantierte nicht nur gleiche Bezüge, sondern auch geschlechtsunabhängig identische Bonuszahlungen, Beteiligungen am Preisgeld, Anteile an Ticketverkäufen und so weiter.

10. In Österreich ist das trotz Verbesserungen unverändert nicht so. Zudem fängt der Fisch nicht nur am Kopf zu stinken an. Die Benachteiligung von Frauen im Fußball fängt bei banalen Dingen wie Trainingsplätze und -zeiten an. Da muss sich das weibliche Geschlecht ganz hinten anstellen.

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