„Verdi kein Rassist“

Riccardo Muti weigert sich, „N-Wort“ zu streichen

Ausland
26.06.2022 12:28

Am 24. Juni hatte Stardirigent Riccardo Muti (80) in Chicago die Verdi-Oper „Un ballo in maschera“ („Ein Maskenball“) inszeniert und sich dabei geweigert, eine kritische Originalpassage zu streichen. Die einen feiern dieses Statement als Zeichen gegen die unsägliche „Cancel Culture“ und die absurden Ausuferungen der „Political Correctness“, die anderen attackieren den 80-Jährigen als Verbreiter rassistischer Relikte.

Der neapolitanische Stardirigent, unter anderem des Wiener Neujahrskonzertes und bei den Salzburger Festspielen sowie Träger des Großen Goldenen Ehrenzeichens der Republik Österreich, wirbelt derzeit viel Staub auf.

Die meisten Opernhäuser strichen die brisante Passage
Im ersten Akt der Verdi-Oper gibt es eine Szene, in der der Oberste Richter eine Unterschrift für die Verbannung der Wahrsagerin Ulrica benötigt, die seiner Aussage nach „vom unreinen Blut der N… (dell’immondo sangue dei negri)“ ist. Diese brisante Passage haben die meisten Opernhäuser wie die Scala, die Met oder Covent Garden mittlerweile gestrichen oder neutral umformuliert, nicht so aber Muti: „Giuseppe Verdi war kein Rassist, es geht ihm darum, die rassistische Einstellung, die Brutalität und die Ignoranz des Richters schonungslos aufzuzeigen“, sagte er der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“.

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Giuseppe Verdi war kein Rassist, es geht ihm darum, die rassistische Einstellung, die Brutalität und die Ignoranz des Richters schonungslos aufzuzeigen.

Riccardo Muti

Besonders spannend: Diese Passage singt der dunkelhäutige Tenor Lunga Eric Hallam, selbst aus Südafrika. Muti dazu: „Ich habe ihn gefragt, ob ihn dies störe oder verletze, nach meiner Erklärung sagte er: ,No problem, Maestro.‘“

„Wie auf rohen Eiern gehen“
Der 80-jährige Maestro, stets ein Freund klarer Worte, schießt damit laut gegen die sogenannte Cancel Culture und die Auswüchse der unreflektierten „Political Correctness“, die er nur noch als Zensur wahrnimmt: „Wir importieren vor allem die negativen Dinge aus den USA. Es ist wie auf rohen Eiern zu wandern, du musst aufpassen, was du sagst, jeder kleinste, noch so vage Bezug kann dich verdächtig machen, kann beleidigen und gegen dich verwendet werden. Ich bin äußerst dagegen, dass die Opernhäuser die Wörter in den Librettos abändern. Wir können unsere Geschichte nicht mehr ändern, sie muss in ihrer Essenz erhalten bleiben, im Guten wie im Schlechten, in ihrer Brutalität. Damit die nächsten Generationen davon wissen können. Wir helfen so den jungen Menschen.“

Zensur gab es schon damals
Wie sich die Zeiten ändern, ist übrigens interessant nachzulesen: Giuseppe Verdi (1813-1901) musste die 1790 am schwedischen Hof spielende Handlung wegen massiver Zensur ins unverdächtige, koloniale Boston (USA) verlegen. Die Oper gelangte 1990 bei den Salzburger Festspielen in Originalfassung zur Aufführung. Maestro Herbert von Karajan inszenierte das Werk, verstarb aber kurz davor. Sir Georg Solti sprang ein und übernahm die fertige Inszenierung, die Karajan mit dem Hollywoodregisseur John Schlesinger erarbeitet hatte. Diese Version von „Un ballo in maschera“ ist heute noch regulär abrufbar.

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