Tour mit Wien-Termin

Avec: „Jeder sollte eine Therapie beanspruchen“

Wien
29.04.2022 06:00

Ihr letztes Album „Homesick“ fiel genau in den Beginn des ersten Lockdowns - Avec musste sich während der Pandemie erst aus einem persönlichen Emotionsloch kämpfen, um mit neuen Songs aufwarten zu können. „Nothing To Me“ ist nun bereits die dritte Single, bevor es in wenigen Tagen auf große Österreich-Tour geht. Eine EP folgt ihm Herbst. Wir sprachen mit der Oberösterreicherin über mentale Gesundheit, Rachegelüste und die Lehren, die man aus negativen Erlebnissen zieht.

Am 30. März 2020 veröffentlicht Avec ihr lang erwartetes drittes Album „Homesick“. Die Pandemie ist gerade einmal zwei Wochen alt und verhindert, wie bei so vielen, dass die heute 27-Jährige die Karriereleiter weiter steil raufsteigt. Die Menschen haben andere Sorgen, die dazugehörigen Tourdaten werden ins Nirwana verschoben oder gleich ganz abgesagt. „Das Album aus Verkaufstaktik noch weiter rauszuschieben hätte ich nicht gewollt“, erzählt sie uns im gemütlichen Gespräch im Wiener WUK, „es hat mir und anderen Leuten sehr viel Kraft gegeben und genau dorthin gepasst, wo es landete.“ Während der Lockdowns hat es Avec nicht immer leicht. Musizieren mit Band, das Treffen mit Freunden oder auch die Geborgenheit der Familie - alles temporär nicht möglich. „Es war psychisch eine schwierige Zeit. Ich fiel in ein Loch und es war schwer, von dort wieder rauszufinden. Anfangs habe ich die Freiheit genossen, aber das ging nicht lange gut.“

Harte Erkenntnis
Im Laufe der Zeit schrieb sich die Oberösterreicherin den Frust von der Seele. „Als es wieder möglich war, waren viel in unserem Studio in Vöcklabruck und haben Songs geschrieben und Demos produziert.“ Wie viele Menschen nutzte Avec während der isolierten Corona-Monate die Zeit zur Reflektion. „Dabei kommt man schnell in einen Kreislauf, der nicht immer gesund ist. Der eigene Kopf kann manchmal zum größten Feind eines Selbst werden. Irgendwann habe ich mich aufgerafft und bin viel in die Natur gegangen, habe gekocht, gezeichnet und Puzzles gebaut.“ Neben der Selbstfindung haben auch Erkenntnisse Avecs Leben geprägt. Dass eine Person aus dem allerengsten Familienkreis der Künstlerin ihr Vertrauen missbrauchte und den Boden unter den Füßen wegzog, hat sie für kurze Zeit auch aus dem Tritt gebracht. Nach der ersten Verarbeitung goss sie die leidvolle Erfahrung in den Text der brandneuen Single „Nothing To Me“.

„Ich war gerade mit meinem Produzenten im Studio und plötzlich floss der Text nur so aus mir raus“. Avec, die persönliche und intime Erfahrungen schon immer gerne geteilt hat, klingt auf der neuen Single überraschend angriffslustig und wütend. Eine ganz neue Facette, die man an der smarten Sängerin bislang noch nicht entdeckt hatte. „Ich war selbst schockiert von mir, weil ich grundsätzlich überhaupt nicht so böse bin“, lacht sie, „aber das musste einfach raus. Jetzt geht es mir besser.“ Wie immer versucht sie damit auch einen Mehrwert an die Hörer zu vermitteln. „Man darf sich von solch negativen Erfahrungen nicht unterbuttern lassen und muss gestärkt daraus hervorgehen. Ich hoffe, ich kann damit anderen Menschen mit ähnlichen Erfahrungen helfen.“

Es musste einfach raus
Wie bei ihrem eigenen großen Idol, Justin Vernon von Bon Iver, will Avec die Menschen mit Liedern und der Stimme auf eine ganz besondere Art und Weise berühren. „Bei Vernon muss ich noch nicht einmal wissen, worüber er singt. Schon seine bloße Klangfarbe rührt mich zu Tränen. Musik hat etwas Heilendes und Verbindendes.“ Im Herbst soll die EP „I Feel Alone These Days“ erscheinen und unterschiedliche Seiten der Künstlerin zeigen. Bereits veröffentlicht ist etwa die Gute-Laune-Nummer „Feel Good“ und „I Don’t Pray“, ein schwerer Song, den sie ihrem geliebten verstorbenen Onkel gewidmet hat. „Er gab mir immer Feedback und hat mich neben meiner Mutter musikalisch am meisten unterstützt. Die erste Hälfte des Songs schrieb ich, als er krank war. Die zweite nach seinem Tod. Der Song blieb ein Jahr lang liegen und ich wusste nicht, ob ich ihn rausbringen sollte. Irgendwann passierte das zu seinen Ehren und ich bin sicher, er würde sich darüber freuen.“

Bei all der Ehrlichkeit und Schwere in den einzelnen Songs fällt es der Künstlerin nicht immer leicht, permanent mental zu funktionieren. „Ich bin seit etwa acht Jahren in Gesprächstherapie und kenne Mechanismen, um mich aus den Tiefs rauszuziehen. Am Ende finde ich immer zurück in die Musik, auch wenn in bestimmten Phasen sogenannte Hirngatsch-Songs entstehen, die ich nicht veröffentlichen werde.“ Avec ist es ein Anliegen, öffentlich über dieses Thema zu reden. „Es tut jedem gut, mit jemandem zu reden, der nichts mit der eigenen Lebensrealität zu tun hat. Ich bin die allererste die aufschreit und sagt, jeder soll eine Therapie in Anspruch nehmen. Ich verstehe nicht, warum Depressionen und Angstzustände nicht als Krankheit wie jede andere behandelt werden. Vor allem am Land ist das viel zu oft ein Tabuthema. Bei unserer Eltern- und Großelterngeneration wurden diese Themen unter den Tisch gekehrt. Gefühle und Emotionen waren sowieso nicht vorhanden.“

Nun an Songs doktern
Stärke setzt Avec nicht mit körperlicher Kraft, Aggressionen oder Lautstärke gleich, sondern damit, sich selbst gut zu kennen und das Innere ins Zentrum zu setzen. „Man muss ein Gespür für sich selbst entwickeln, um auch positiv ausstrahlen zu können. Das kann wehtun und Wunden aufreißen, ist aber essenziell.“ So schafft die Sängerin spät aber doch noch den Spagat zur Medizin, denn bevor ihr die musikalische Karriere „passierte“, wollte sie eigentlich Medizin studieren, um in der Pathologie oder Neurochirurgie zu arbeiten. „Und das mit einer Arzt- und Krankenhausphobie“, lacht sie, „wahrscheinlich wäre sich das alles gar nie ausgegangen.“ Jetzt bereitet sich Avec einmal auf die in Kürze startende Tour durch Österreich vor, bei der sie nach langer Zeit auch wieder die Gitarre in die Hand nimmt. „Es wird für uns als auch für das Publikum wunderschön. Vor allem mit den neuen Songs.“ Im Herbst folgt die EP und sollte das Touren dann wieder stoppen müssen, dann „setzen wir uns halt ans vierte Album“.

Österreich-Tour
Avec spielt am 2. Mai im Veranstaltungszentrum Hall in Tirol, am 3. Mai im Salzburger Rockhouse, am 4. Mai im Grazer Orpheum, am 5. Mai im Linzer Posthof, am 6. Mai im Spielboden in Dornbirn und am 29. Mai in der Wiener Arena. Unter www.oeticket.com gibt es alle Karten, die genauen Termine und zusätzliche Infos zu den Shows, die der talentierte Oskar Haag eröffnen wird.

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