Zur Hagelabwehr

Wiener will Gewitterwolken mit Silberjodid “impfen”

Wissenschaft
06.06.2011 15:55
Hagelunwetter richten in Österreich alljährlich Schäden in der Höhe von über einer Milliarde Euro an. Eine Zahl, die sich durch ein effizientes System der Hagelabwehr drastisch minimieren ließe, meint Peter Kaindl, Chef der Wiener Firma Aviator GmbH. Er würde sich gerne der flächendeckenden Hagelabwehr in der Ostregion widmen und hat laut eigener Aussage bereits ein Konzept für die Bekämpfung aus der Luft "in der Lade". Der Unternehmer will Gewitterwolken mit Silberjodid impfen.

Kaindl, seit 20 Jahren in Forschung und Entwicklung im Bereich der Luftfahrt tätig, verweist im Gespräch darauf, dass sich das System auf Studien und Untersuchungen der Universitäten Graz (Wegener Zentrum) und Wien sowie der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) stütze.

Einsatz mit Ex-Kampfjets
Um die sich zusammenbrauenden Wolken rasch mit Silberjodid zu "impfen" und so den - insbesondere in der Landwirtschaft gefürchteten - Hagel in Regen zu verwandeln, sieht sein Konzept den Einsatz ehemaliger "Kampfjets" vor. Mit zwei Aero L-39C Albatros und einer Grumman Mohawk ließen sich - etwa vom Flugplatz Langenlebarn im Tullnerfeld aus - innerhalb von 20 Minuten Nieder- und Oberösterreich, Burgenland und die Steiermark abdecken, meinte Kaindl.

Zudem könnten die "fliegenden Wettermacher" den Universitäten entsprechende Daten liefern und damit helfen, das Frühwarnsystem zu verbessern, verwies Kaindl auf bereits aufgebaute Kontakte mit der Uni Graz und der ZAMG. Lokal, etwa im Raum Krems - Langenlois, funktioniere die Hagelabwehr, die dort von Landwirten und Autohäusern privat finanziert wird. Allerdings seien die veralteten Maschinen zu langsam für einen größeren Raum. Durch die Anschaffung moderner Fluggeräte könne er, so Kaindl, Messungen ab Meldung der ZAMG innerhalb von 20 Minuten und die Injektion der seinen Angaben nach ungefährlichen Chemikalien direkt ins Zentrum der Gewitterzellen - in bis zu 6.000 Metern Höhe - durchführen.

Finanzierung noch unklar
Was dem Vorhaben, das er seit 18 Monaten verfolgt, allerdings fehlt, ist die Finanzierung: Den Bedarf beziffert der Flugexperte mit 5,3 Millionen Euro für die Anschaffung und 2,3 Millionen Euro für den jährlichen Betrieb - Summen, die Kaindl in Relation zu den enormen Schäden stellt.

Er könnte sich daher vorstellen, dass Hagelversicherungen und Katastrophenschutz an Hagelabwehr interessiert sein müssten - und betont gleichzeitig, dass er nicht daran verdienen müsse: Nach seinem Konzept würde er die Flugzeuge im österreichischen Winter nach Südafrika überstellen und dort zur bezahlten Hagelabwehr einsetzen.

Wirksamkeit von Hagelabwehr dokumentiert
Reinhold Lazar vom Institut für Geographie und Raumforschung der Uni Graz hat Hagelereignisse und ihre Auswirkungen über 20 Jahre lang beobachtet. Im Testgebiet "impft" die steirische Hagelabwehr regelmäßig Gewitterwolken mit Silberjodid. Lazars Forschungen zeigten, dass diese Einsätze wirkungsvoll sind und nicht - wie immer wieder kritisiert - den Niederschlag vertreiben.

Unter der Federführung von Otto Svabik von der ZAMG haben Lazar und Gunter Pachatz die Wetterentwicklungen in der Oststeiermark auf einem Gebiet von 730 Quadratkilometern dokumentiert. Derzeit gebe es in der Oststeiermark im Jahr 40 bis 50 Gewitter, wovon etwa ein Drittel Hagel führt, so Lazar. Hagelkörner entstehen, wenn in großer Höhe die Luftfeuchtigkeit an kleinsten Staubteilchen gefriert.

Silberjodid wirkt meistens
Mit dem in der Hagelabwehr eingesetzten Silberjodid bringt man zusätzliche Teilchen in die Luft - es können sich also mehrere und damit kleinere Schlossen bilden. Im Idealfall schmelzen diese auf dem Weg zum Boden und kommen als Regen oder als matschige, harmlose Eiskörner an. Gemessen wurde die Hageltätigkeit an insgesamt 181 Hageltestplatten-Stationen. Auf den Platten aus Styropor hinterlassen die Hagelkörner je nach Intensität ihre unterschiedlich großen Abdrücke. Das Messstationen-Netz wurde 1981 im Schutzgebiet "Weiz - Gleisdorf" eingerichtet.

"Wir haben vermehrt beobachtet, dass große Schäden vor allem in jenen Gebieten entstanden sind, wo die Wolken nicht geimpft wurden", so Lazar über seine Forschungen. Durch die Hagelabwehr sei im Beobachtungszeitraum die Anzahl der großen Hagelkörner drastisch gesunken und die Schäden seien signifikant zurückgegangen. Die durchschnittlich pro Gewitter verhagelte Fläche sei von 34 auf 16 Quadratkilometern geschrumpft, die Anzahl der Hageltage von 16 auf zwölf Tagen.

Globale Erwärmung bringt mehr Hagelzellen
Allerdings könne man sich nicht völlig auf die Wirkung von Silberjodid verlassen: "Durch die globale Erwärmung sind immer mehr Riesenzellen zu erwarten, die richtige Hagelstürme mit sich bringen. Dagegen ist die Abwehr machtlos", so der Klimaforscher.

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