Das große Interview

Was macht Covid mit uns, Herr van Haentjens?

Österreich
28.11.2021 07:03

Das Virus, die Perspektivlosigkeit, die Angst: All das kann Menschen krankmachen, sagt Philip van Haentjens (52). Mit Conny Bischofberger führte der Osteopath und Therapeut ein etwas anderes Gespräch über Körper, Geist und Genesung.

„Wir sind innerhalb und außerhalb etwaiger Lockdowns für Sie da“, sagt Philip van Haentjens Tonbandstimme. Seine Ordination liegt im Dachgeschoss eines Hauses vis-a-vis der Privatklinik Wien-Döbling. Ein graues Samtsofa verströmt Gemütlichkeit, die Komplementärfarbe in den lichtdurchfluteten Räumen ist Gold. „Weil Gesundheit Gold wert ist“, sagt Philip van Haentjens (52) und schenkt Kräutertee ein.

Die goldenen Buchstaben auf den einzelnen Tassen ergeben „Gutshaus“, den Namen der Praxis. An der Wand hängen Porträts aller neun Therapeutinnen und Therapeuten, mit denen er zusammenarbeitet. Sie decken sämtliche aus seiner Sicht wesentlichen Disziplinen ab - von Bioresonanz, Kinesiologe und Akupunktur über Homöopathie und Systemaufstellungen bis hin zu Ernährungs- und Fitnessberatungen.

„Krone“: Seit zwei Jahren bestimmt das Virus nun unser Leben. Ihres auch?
Philip van Haentjens: In gewisser Weise ja, weil schon während des ersten Lockdowns Menschen mit körperlichen Beschwerden gekommen sind, die vorher nicht vorhanden waren. Das war zum Teil dem Bewegungsmangel geschuldet, aber auch der gesamten unnatürlichen Lebenssituation. Nach den Lockdowns wurden es immer mehr und seit kurzem kommen auch viele Post-Covid-Fälle.

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Corona führt jeden von uns an eine Kreuzung: Die Frage ist, wohin wir abbiegen. Richtung Furcht und Sorge oder Richtung Vertrauen.

Osteopath Philip van Haentjens (52)

Sie haben alle möglichen Probleme, das ist multifaktoriell. Oft sind es Atemprobleme, aber auch Störungen am Bewegungsapparat. Bei vielen kamen Angststörungen vermeintlich aus dem Nichts. Es ist für alle eine Stresssituation. Dazu kommt die Hoffnungslosigkeit.

Wie können Sie diesen Menschen helfen?
Bleiben wir bei Hoffnungslosigkeit. Ich habe zehn Jahre im AKH in der Physiotherapie gearbeitet und viele Menschen getroffen, die mit ihren Beschwerden schon bei vielen Spezialisten waren. Klinisch wurde nichts gefunden. Damals hat die Osteopathie meinen Weg gekreuzt. Mit dieser Methode ist es möglich, die Ursache für gesundheitliche Probleme auf sämtlichen Ebenen herauszufinden und zu behandeln. Denn Beschwerden zu lindern ist das eine, aber das Symptom verschwindet nur dann endgültig, wenn die Ursache aufgelöst wird.

Bringt die Pandemie Symptome wieder zum Vorschein, die lange geschlummert haben?
Ja, das ist richtig. Zu uns kamen Patienten, die einen ganzen DIN-A-4-Zettel vollgeschrieben haben, mit dramatischen Beschwerden. Wenn sie zu uns kommen, ist die Frustration und das Leid schon sehr groß. Denn die Pfade der klassischen Medizin kennen sie schon. Ich vergleiche das gern mit dem Schälen einer Zwiebel.

Man muss Schale für Schale - ein Problem nach dem anderen - wegnehmen und immer mehr in die Tiefe gehen, vor allem bei chronischen Sachen. Dafür braucht es mehrere Fachdisziplinen. Wenn ein Röntgen, ein Ultraschall oder ein Blutbefund nichts ergibt, brauche ich feinere Testmethoden.

Was macht Covid genau mit uns?
Ich bin überzeugt, dass Corona jeden von uns an eine Kreuzung führt: Die Frage ist, wohin wir abbiegen. Richtung Angst und Sorge und Furcht oder Richtung Vertrauen.

Wem soll man vertrauen?
Man kann darauf vertrauen, dass die Natur uns prinzipiell alles mitgegeben hat, um wieder gesund zu werden. Man kann auch darauf vertrauen, dass die Medizin so firm ist, uns aus dieser Krise wieder herauszuhelfen.

Die WHO hat die neue Mutation des Coronavirus als sehr besorgniserregend eingestuft. Besorgt es Sie auch?
Nein. Weil ich eben vertraue und nicht in Angst lebe. Ich habe Respekt vor dem Virus, egal vor welcher Mutation, ich treffe Vorkehrungen, um mich zu schützen, ich passe auf, aber ich ergebe mich nicht Emotionen wie Angst oder Sorge.

Warum nicht?
Das Nervensystem und auch das gesamte energetische System eines ängstlichen Menschen ist in einer viel höheren Spannung und deshalb weniger vital. Heilung und Genesung erreiche ich eher durch Vertrauen. Weil es einfach etwas anderes ist, ob ich sage: „Das ist jetzt dramatisch, aber es geht vorbei“, oder ob ich in das Leid mit Pessimismus und Verzweiflung hineingehe.

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Das Geheimnis gesunder Menschen ist, dass sie die Balance gefunden haben zwischen Anspannung und Entspannung, zwischen Denken und Nichtdenken.

Osteopath Philip van Haentjens (52)

Ist es dem Virus nicht egal, was ich denke?
Natürlich kann jeder Mensch sich anstecken, auch ich hatte Corona. Aber zu bangen, ob mich der Keim erwischt, Angst vor der Erkrankung oder sogar vor dem Tod zu haben, macht mich schwach. Stattdessen sollte man gerade in einer Pandemie noch mehr auf seine Gesundheit achten, resilienter werden.

Hat Herbert Kickl recht, wenn er sagt, dass man nur ein gutes Immunsystem braucht?
Seine umstrittenen Empfehlungen halte ich gelinde gesagt für mehr als verzichtbar. Proaktiv zu werden und sein Immunsystem zu stärken ist aber sicher kein Fehler.

Was sagen Sie zur Impfpflicht?
Persönlich finde ich sie entsetzlich, weil ich finde, dass jeder Mensch frei entscheiden sollte, wie er damit umgehen will. Manche Patienten entwickeln ungefähr drei Wochen nach der Impfung leichte Beschwerden. Nichts Dramatisches, aber man muss sich im Klaren sein, dass jede Impfung eine Belastung für den Körper darstellt. Aber auch hier spielen Ängste eine große Rolle.

Was sind die drei goldenen Regeln für ein gesundes Leben?
Es sind vier. Viel Schlaf, gute Ernährung, ausreichend Bewegung - und Gedankendisziplin. Bei der vierten Regel ist sowohl das Denken als auch das Nicht-Denken wichtig. Letzteres findet in unserer Kultur nicht statt. Es läuft ununterbrochen ein Programm im Hintergrund, das kostet Energie und Kraft.

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Ich lebe in einem Blockhaus im Wald und verbringe sehr viel Zeit in der Stille. Dort begegne ich Wildschweinen, Rehen, Mardern und Vögeln.

Osteopath Philip van Haentjens (52)

Das Geheimnis gesunder Menschen ist, dass sie die Balance gefunden haben zwischen Anspannung und Entspannung, zwischen Denken und Nicht-Denken. Gerade für Menschen, die ihren Beruf lieben, weil er sie erfüllt, ist es oft nicht leicht, ein bisschen Abstand zu nehmen, den Kopf freizubekommen.

Wie bekommen Sie den Kopf frei?
Ich lebe in einem Blockhaus im Wald und verbringe sehr viel Zeit in der Stille. Drei- bis sechsmal pro Woche mache ich Sport. Kampfsporteinheiten, Herz-Kreislauf- und Crosstraining im Wald. Dort begegne ich der Natur in ihrer Fülle.

Was wollten Sie als Kind werden?
Nichts! - Lacht. - Ich hatte wirklich keine Ahnung. Ich wollte nicht einmal zum Mond fliegen. Als Maturant habe ich nur zwei Dinge beherrscht. Biertrinken und Gewichtheben. Erst durch den Wehrdienst, bei meiner Ausbildung zum Sanitäter, habe ich die Medizin entdeckt. Ab diesem Zeitpunkt war mein Weg vorgegeben.

Was ist das Schönste, das Sie im Laufe Ihrer Tätigkeit erlebt haben?
Der Moment, wenn ich Patienten nach zwei, drei Monaten anrufe und frage, wie es ihnen geht und sie haben mich vergessen. „Gutshaus? Ah, die Praxis! Meine Beschwerden sind weg. Alles erledigt, danke!“ Das ist das schönste Kompliment für mich.

Warum rufen Sie Patienten nach zwei Monaten an?
Weil es nicht nur wichtig ist, gesund zu werden, sondern auch, gesund zu bleiben. Deshalb biete ich meinen Patienten an, ein bis zweimal pro Jahr zum Service zu kommen. Wissen Sie, der Mensch wird perfekt geboren. Mit den Jahren häuft er Probleme an. Stress, Traumata, Unfälle. Irgendwann, meistens um die 50 herum, merken die meisten, dass sich zu viel angehäuft hat und fangen im besten Fall an, Wege zu finden, das aufzuarbeiten. Das ist keine einmalige Sache, sondern ein jahrelanger Prozess, bei dem ich meine Patienten gerne begleite.

SEINE VORFAHREN SIND HUGENOTTEN

Geboren am 10. 12. 1969 in Wien, ein jüngerer Bruder (Jurist). Seine Vorfahren stammen von den Hugenotten ab und kamen aus Holland nach Wien. Van Haentjens beginnt seine medizinische Laufbahn 1990 an der Akademie für Physiotherapie am AKH Wien. 1994 bis 2000 besucht er die Wiener Schule für Osteopathie, 2006 schließt er seinen Master of Science an der Donauuniversität Krems ab. Er absolviert eine Vielzahl an Fortbildungen quer durch Europa. In der Gemeinschaftspraxis „Guthaus“ in Wien-Heiligenstadt arbeitet er mit neun komplementärmedizinischen Therapeuten zusammen. Van Haentjens lebt in einer Partnerschaft und hat eine erwachsene Tochter.

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