Land der Eisbären

Die „Krone“ in Spitzbergen: Pyramiden im Schnee

Ausland
19.10.2021 06:00

79 Grad Nord - das Blut gefriert in den Adern. Zur Präsentation des ersten Spitzbergen-Thrillers von Arktis-Autor Odd Harald Hauge war die „Krone“ im Land der Eisbären auf Spurensuche.

Der Wind heult. Frost. Raubmöwen kreischen um die Wette. Jetzt im Herbst beginnt die Polarnacht. Sie wird ein halbes Jahr dauern. Einzig Nordlichter durchbrechen dann die scheinbar zeitlose Finsternis.

Mehr Eisbären als Einwohner
Spitzbergen liegt mitten im Arktischen Ozean. 79 Grad Nord. Von hier finden Expeditionen zum Pol statt. Bei der Inselgruppe handelt es sich um eine entmilitarisierte Zone, sie gehört offiziell zu Norwegen. Dennoch betreibt ein russisches Staatsunternehmen in mehreren Siedlungen Bergbau. Die Kohle von hier wird weltweit exportiert. Es gibt mehr Eisbären als Einwohner. Für Abenteurer ist die weiße Wüste ein Paradies - und die Hölle auf Erden, wenn man ihr schutzlos ausgeliefert ist ...

Thriller „Gejagt im Eis“
In dieser Szenerie setzt der in Oslo lebende Journalist und Extrembergsteiger Odd Harald Hauge, geboren 1956, seinen ersten Thriller „Gejagt im Eis“ an. Als Polfahrer kennt er die Arktis wie seine Westentasche.

Er hat zuvor ein Dutzend Sachbücher in Skandinavien und den USA veröffentlicht; unter anderem über seine diversen Expeditionen durch Grönland, zum Mount Everest und zum Südpol.

Grenzen zwischen Fiktion und Fakten verschwimmen
Nun also Fiktion statt Fakten. Doch bei Hauge scheinen diese Grenzen ohnedies zu verschwimmen. Er ist ein geborener Geschichtenerzähler. Ein Weltrekord hier, eine Eisbär-Begegnung dort. Und dazwischen so manche Anekdote. Sein Lachen wirkt jedenfalls ansteckend - und es gibt in seinem wettergegerbten Gesicht ein Gebiss preis mit Zähnen, die kreuz und quer stehen; so als hätte der Zahnarzt Mikado gespielt.

Die „Krone“ war anlässlich der Veröffentlichung als einzige Tageszeitung im deutschsprachigen Raum am Originalschauplatz vor Ort und Teil einer vom Benevento-Verlag organisierten Journalisten-Delegation, die gemeinsam mit dem sympathischen Autor auf den Spuren des Hauptcharakters wandelte.

Spitzbergen-Thriller "Gejagt im Eis"

Zum Inhalt: Besagter Martin Moltzau ist ein von der Monotonie seines Lebens frustrierter Mittvierziger. Er bietet in der Hauptstadt Longyearbyen Schneemobiltouren an. Bei neu eingetroffenen Gästen aus Amerika beschleicht ihn aber ein mulmiges Gefühl. Das Familienoberhaupt ist um die 60 und hat als Investor an der Wall Street Millionen verdient. Seine Gattin ist ein paar Jahre jünger als er. Sie muss Stammkundschaft bei einem plastischen Chirurgen sein. Ihr Gesicht wirkt wie eine Maske. Die Tochter hat soeben ihren 30. Geburtstag gefeiert, und die Bezeichnung Zicke ist noch untertrieben für sie. Das Trio will unbedingt zu einer einst von der Sowjetunion gegründeten und mittlerweile längst verlassenen Bergbausiedlung namens Pyramiden, obwohl die Route eigentlich zu gefährlich ist. Als das Wetter umschlägt, stehen die Zeichen auf Sturm. Zuerst verschwindet ein Gast im Nebel. Dann tauchen in der Geisterstadt ein schwer bewaffneter russischer Spezialtrupp und CIA-Agenten auf. Moltzau gerät zwischen die Fronten. Allmählich wird klar: Hier geht es nicht so sehr um ihn, er ist in einem Stellvertreterkrieg um die geopolitische Macht in Nordeuropa geraten. Verfolgt von den Russen, beginnt eine unbarmherzige Jagd durch die weiße Wildnis. Einmal auf Scootern, dann zu Fuß. Und eines sei an dieser Stelle noch verraten: Das Finale geht nicht unblutig über die Bühne.

Der Permafrostboden gibt die Leichen frei
Das Fazit: Die 344 Seiten sind wirklich nichts für schwache Nerven. Auch die Übersetzung von Nina Hoyer trägt zur Gänsehaut-Garantie bei. Bei den Cliffhangern heißt es: bitte festhalten! Alles in allem also ein gelungenes Debüt. Longyearbyen wird wohl nicht zur neuen Hauptstadt der Skandinavien-Krimis mutieren. Aber es ist sowohl inhaltlich als auch geografisch ein neuer Zugang.

Skurrile Tatsache zum Schluss: Weil es kein Spital gibt und man im Permafrostboden Leichen nicht vergraben kann, gilt auf Spitzbergen Sterbeverbot. Im Thriller wird das aber definitiv nicht eingehalten …

Buchtipp: „Gejagt im Eis“ von Odd Harald Hauge (Benevento, 344 Seiten, 16 Euro) ist ab Dienstag erhältlich. Mehr über die extremen Folgen der Klimakrise auf Spitzbergen lesen Sie am Sonntag in der „Krone bunt“.

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