Unmut immer größer

„Betreuungsschlüssel in den Kindergärten ist irre“

Steiermark
17.10.2021 08:56

Der Unmut über die Situation in der Branche wird immer größer, nun erhöhen die Elementarpädagogen den Druck für bessere Arbeitsbedingungen. Sogar eine Demo in Graz ist geplant. Außerdem wird der Ruf nach mehr Männern in der Branche zunehmend lauter. Ein Grazer (81) ebnete für Buben den Ausbildungsweg in Österreich. Die „Krone“ traf ihn und junge Grazer, die in ihrem Beruf nach wie vor „Exoten“ sind.

„Singen kann ich bis heute nicht“, sagt Matthias Schweyer und lacht. „Dafür gestalte ich die aufwändigsten Aufbauten im Turnsaal und spiele unglaublich gerne Puppentheater.“

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Die Hürden beginnen damit, dass die Ausbildung nicht mehr zeitgemäß ist und die Schule noch immer nicht dasselbe Ansehen wie etwa eine HTL genießt.

Matthias Schweyer

Der 23-Jährige ist einer von ganz wenigen Kindergärtnern in Österreich; dass er so weit gekommen ist, liegt allein in der großen Liebe zum Beruf begründet: „Die Hürden beginnen damit, dass die Ausbildung nicht mehr zeitgemäß ist und die Schule noch immer nicht dasselbe Ansehen wie etwa eine HTL genießt. Obwohl beides fünfjährige Oberstufen sind, die mit Beruf und Matura schließen.“

25 Kinder - und nur ein Elementarpädagoge
Der nächste Schock: die Gruppengrößen. „Ein Elementarpädagoge für 25 Kinder - der Betreuungsschlüssel ist irre“, meint Schweyer. „Wie soll ich da auf die Bedürfnisse jedes einzelnen eingehen? Unmöglich.“

Konflikte austragen helfen, Entwicklungsschritte begleiten, Stärken fördern - all das macht der junge Mann mit enormer Hingabe. „Mein Glück war, dass ich in einem Haus untergekommen bin, das anders funktioniert und sich als Vertreter der Kinder und nicht der Wirtschaft sieht“, sagt Schweyer.

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Ich bekomme im dritten Berufsjahr 1450 Euro. Mit meiner Freundin teile ich mir eine 40-Quadratmeter-Wohnung, mehr ist nicht drin.

Matthias Schweyer

Konkret bedeutet das, dass im Kindergarten Kocher in Graz-Andritz auf 25 Kinder drei Betreuer kommen und die Angestellten - anders als in Regelkindergärten - machen dürfen, was ihnen liegt. Um 13.30 Uhr ist Schluss.

Nur 1450 Euro Gehalt
Nur bei der Entlohnung können die Verantwortlichen aufgrund der engen Bemessungsgrundlagen keine Wunder geschehen lassen - Schweyer: „Ich bekomme im dritten Berufsjahr 1450 Euro. Mit meiner Freundin teile ich mir eine 40-Quadratmeter-Wohnung, mehr ist nicht drin. Perspektive auf Eigentum? Die gibt’s bei dem Gehalt sowieso nicht.“

Nicht nur für Buben Identifikationsfigur
Weil Männer eine große Bereicherung in jedem Team darstellen und nicht nur für Buben wichtige Identifikationsfiguren sind, wird der Ruf nach mehr Ausgewogenheit jetzt wieder lauter. Dass dies ein erstrebenswertes Ziel ist, bestätigt Peter Steingruber vom gleichnamigen Kindergarten: „Männer tun einfach anders als Frauen, das ist für beide Geschlechter interessant“.

Die Leidenschaft für den Beruf wurde in dem vierfachen Vater schon früh geweckt: „Ich habe im Kindergarten meiner Eltern mit zwölf die erste Gruppe mitgeleitet und gesehen, wie schön die Arbeit sein kann“, erzählt der 47-Jährige.

Der erste Bursche an der Schule
An die Schulzeit erinnert er sich mit gemischten Gefühlen zurück: „Ich war der allererste Bursche in der Bundesbildungsanstalt für Elementarpädagogik in Bruck. Für mich musste sogar die Schule umgebaut und ein eigenes WC und eine Dusche eingerichtet werden.“ 148 Mädchen, ein Junge: „Das war ein Horror. Aber ich wusste, durch dieses Nadelöhr muss ich durch, möchte ich meinen Traumberuf ausüben.“

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Ich war der allererste Bursche in der Bundesbildungsanstalt für Elementarpädagogik in Bruck. Für mich musste sogar die Schule umgebaut und ein eigenes WC und eine Dusche eingerichtet werden.

Peter Steingruber

Ausdauer und Zielstrebigkeit hat Vater Alfred vorgelebt: „Ich bin in den 1970er-Jahren bis zum Verwaltungsgerichtshof gegangen, damit auch Männer den Kindergärtner-Beruf ausüben können. Meine Frau und ich waren auch die ersten, die Kinder mit Behinderung aufgenommen haben“, erinnert sich der 81-Jährige.

Demos für bessere Arbeitsbedingungen
Dass die Branche am Samstag, dem 13. November, auch in Graz (politisch von den Neos unterstützt) für bessere Arbeitsbedingungen auf die Straße geht, wird einhellig begrüßt: „Bevor ich mir darüber Gedanken mache, wie ich mehr Männer in den Beruf bekomme, muss ich einmal für faire Arbeitsbedingungen sorgen. Sonst wird sich bald gar kein junger Mensch - egal ob Frau oder Mann - für diesen Bildungsweg interessieren“, ist sich Schweyer sicher.

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