Grigory Sokolov

Die Seele der Musik braucht keine Show

Salzburg
06.08.2021 00:41

Er ist die Antithese zu den jungen „Rockstars“ auf den Bühnen dieser Welt. Klavier-Altmeister Grigory Sokolov (71) - am Donnerstagabend wieder einmal zu Gast bei den Salzburger Festspielen - kommuniziert mit dem Publikum ausschließlich über die Musik. Ohne große Gesten, aber mit umso größerer künstlerischer Strahlkraft.

Chopin ist nicht gleich Chopin. Seine Klavierkompositionen lassen sich (bevorzugt von der jungen Pianisten-Generation) flüchtig, federleicht und flatterhaft interpretieren, aber auch wie im Falle von Grigory Sokolov (ganz die alte Schule) mit einer Ernsthaftigkeit und Schwere, die das Publikum zu Beginn seines Solistenkonzertes am Donnerstagabend im Großen Festspielhaus fast zu erdrücken drohte. Verständlich. Die Chopin-Polonaisen in cis-, es- und fis-Moll schreien förmlich nach Melancholie und grüblerischer Düsternis. Und solche (Un)Tiefen lotet ein Sokolov weidlich aus, ehe er sich mit der abschließenden As-Dur-Polonaise wieder in lichtere, mitreißende Höhen schwingt.

Zwar nicht immer hundertprozentig präzise, diesmal mehr Poet als Perfektionist, wusste der Altmeister dennoch bereits mit dem Chopin-Schwerpunkt vor der Pause zu beeindrucken. Wenn Sokolov am Flügel seine Klanggemälde abmischt, lohnt es sich, kurz - oder auch länger - die Augen zu schließen. Unweigerlich entstehen dabei die unterschiedlichsten Bilder im Kopf, da lässt es sich versinken, träumen, genießen.

Kreislaufschwäche bei einer Zuschauerin
Noch stimmiger gelingen ihm nach der Pause die Rachmaninow-Präludien, bei denen Grigory Sokolov gekonnt seine größte Stärke ausspielt: die naht- und ansatzlosen Übergänge zwischen den musikalischen Tempo- und Charakterwechseln. Selbst während eines medizinischen Notfalls im Zuschauerraum (eine Konzertbesucherin  musste mit Kreislaufschwäche aus dem Saal gebracht werden) setzt Sokolov unbeeindruckt seine introvertierte Zwiesprache mit der Seele der dargebotenen Kompositionen fort - was Kenner des mittlerweile 71-jährigen Künstlers nicht verwundert. Sokolov wirkt stets so, als würde er nur für sich alleine spielen und das Publikum eher als unvermeidlichen Störfaktor betrachten.

Thomas Manhart
Thomas Manhart
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