Auf wichtigen Festivals wurde das Werk der Drehbuchautorin und Regisseurin ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Preis der Jury von Cannes 2009. Die 49-jährige frühere Kurzfilmerin, die für "Wasp" einen Oscar erhalten hatte, erzählt so unaufdringlich wie eindringlich vom Kampf der 15-jährigen Mia, in einem dysfunktionalen Umfeld im Südosten Englands ohne Unterstützung Identität und Zukunft zu finden.
Anders als Loach oder Leigh, die bisweilen mit ideologischem Überernst quälen, findet die Filmfrau einen Ton, der zwar die deprimierende Desorientiertheit eines Teenagers unter die Haut gehen lässt, der aber auch Poesie, Frische und eine eigene Freiheit ausstrahlt. Langsam und wie alltäglich, ihre Figuren weder denunzierend noch glorifizierend, lässt Arnold die in Handkameramanier aufgenommene Geschichte sich entwickeln. Bei natürlichem Licht und viel Stille entsteht im Plattenbauambiente eine Faszination, der man sich kaum entziehen kann.
Sie wird getragen von sehr nuancenreichen Profi- und Laiendarstellern. Allen voran: Katie Jarvis, die als 17-jährige arbeitslose Schulabgängerin auf dem Bahnhof der Kleinstadt Tilbury entdeckt worden war. Auf einfühlsamste Weise versteht sie es, das Rotzige und das Sensible der Heranwachsenden zu verkörpern - zart, frech und blass, die traurigen Augen mit Kajal umrahmt.
Jarvis zeigt, dass etwas passiert in der stets auf Krawall gebürsteten Mia, als sie zum ersten Mal den Liebhaber ihrer sex- und saufsüchtigen Singlemutter sieht: den charismatischen, fürsorglich wirkenden Connor (Michael Fassbender). Als der Securitymann ihr vor laufendem Fernsehapparat nahe kommt, während die Mutter betrunken im Bett liegt, bricht die ganze Verlorenheit des Teenagers auf. Das führt fast in die Katastrophe.
Das sagt "Krone"-Kinoexpertin Christina Krisch zum Film: Sepiafarbene Lust, Hingabe an den Augenblick: Die Sprache der Haut ist hier die Sprache der Wortlosen. Die britische Filmemacherin Andrea Arnold zeigt innere und umgebende Ödnis in den Randbezirken der Gesellschaft, wo in Sozialwohnungen verarmte Menschen vegetieren und Wetterleuchten der einzige Glanz in stumpfen Blicken ist. TV-Bilder und Aufzeichnungen aus Überwachungskameras infiltrieren diese Chronik einer kalten Welt. Beeindruckend Katie Jarvis' schauspielerische Tour de Force zwischen Agonie, Suff, Sex und Sehnsucht.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.