18 Jahre nach der Tat

Angeklagter im Fall Silke Schnabel: “Mir geht’s nicht gut”

Österreich
07.02.2011 19:05
Unter großem Zuschauerinteresse hat am Montag am Landesgericht Salzburg der Prozess um den vor 18 Jahren begangenen Mord an Silke Schnabel begonnen. Für die Tat muss sich ein 52 Jahre alter Lagerarbeiter verantworten. Die Einvernahme des Mannes dauerte nur fünf Minuten. Auf die anfängliche Frage des Richters Günther Nocker, wie es ihm gehe, antwortete Anton W. undeutlich und leise: "Mir geht es sicher nicht gut." Zur Sache selbst wollte er nichts sagen.

Als der Richter wissen wollte, warum er vor drei Wochen in einem Zeitungsinterview noch angegeben habe, er hätte Silke Schnabel schon einige Wochen vor dem Mord kennengelernt, meinte der Angeklagte: "Ich kann mich nicht mehr erinnern. Das habe ich großteils wieder vergessen, verdrängt." Der Richter zeigte sich geduldig und machte den 52-Jährigen darauf aufmerksam, dass es zwar sein Recht sei, zu schweigen, sich die Geschworenen aber ein Bild von ihm machen sollten. W. hielt seinen Kopf weiter gesenkt und hüllte sich in Schweigen.

Gutachter: W. war zurechnungsfähig 
Der neuropsychiatrische Gutachter Ernst Griebnitz schwieg später allerdings nicht - in seiner Aussage ging er davon aus, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig gewesen war. Ob damals eine kombinierte Persönlichkeitsstörung vorlag und W. an einer Störung der Sexualpräferenz litt, sei aus heutiger Sicht nicht nachweisbar. Der Beschuldigte weise aber keine schizophrenen Symptome auf. Unter Alkoholeinfluss könne der Angeklagte bei Kränkungen einen brachialen Handlungsstil an den Tag legen, so Griebnitz. Mit hoher Wahrscheinlichkeit habe sich bei W. auch ein Alkoholmissbrauch entwickelt. Gerichtsmediziner Robert Lamprecht, der nach Auffindung der Leiche die Obduktion vorgenommen hatte, bestätigte dem Gericht die Todesursache durch Erwürgen.

Zum Todeszeitpunkt habe Silke Schnabel 1,5 Promille Alkohol im Blut gehabt, erläuterte Lamprecht. Aus dem Verletzungsmuster schloss er, dass sie unter Gewalteinwirkung missbraucht worden war. Ob das Blut am Leinengürtel des Beschuldigten tatsächlich mit dem des Opfers übereinstimmt, konnte der Sachverständige allerdings nicht bestätigen. "Ich bin kein DNA-Spezialist", erklärte Lamprecht. Verteidiger Karl Wampl hatte am Vormittag erklärt, dass die Blutspuren am Gürtel die Blutgruppe A mit leichten Spuren auf Blutgruppe B aufgewiesen hätten, Silke Schnabel aber Blutgruppe A positiv D (ein "Rhesusbaby", Anm.) gehabt hätte. Darum könne das Blut am Gürtel nicht von dem Mädchen stammen, meinte Wampl, sondern womöglich von einer früheren Rauferei seines Mandanten.

Emotionslose Eröffnung des Anklägers
Ebenfalls am Vormittag hatte Staatsanwalt Andreas Allex in seinem emotionslosen und sehr sachlich gehaltenen Eingangsplädoyer begründet, warum er den Angeklagten für schuldig hält: In der Nacht auf 11. Juli 1992 hätte er Silke Schnabel in der Stadt Salzburg im Lokal "Max und Moritz" getroffen, was der Beschuldigte anfangs bestritt, später aber zugab. Die beiden seien dann um 5 Uhr zum Josef-Mayburger-Kai spaziert. "Am Salzachufer setzte er massive Faustschläge gegen den Kopf und das Gesicht des Mädchens, und stieß ihren Kopf gegen einen harten Untergrund", so Allex. Schnabel erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma, wurde vergewaltigt und schließlich erwürgt. Danach wurde sie in die Salzach geworfen. Die Polizei fand W. um 6.20 Uhr an der Salzach halbnackt im Gras liegen.

Hausdurchsuchung erbrachte 1992 einige Hinweise
Bei einer Hausdurchsuchung am 29. Juli 1992 stellten Kriminalbeamte in der Wohnung von W. eine Bluse des Mädchens und einen Gürtel des Beschuldigten sicher. Laut Zeugenaussagen hatte die 17-Jährige die Bluse in der Mordnacht getragen. Am Gürtel haftete Blut der Blutgruppe A, die auch das Opfer aufwies. Beweismittel, die damals in München untersucht wurden, aber keine Ergebnisse brachten, sind mittlerweile spurlos verschwunden. Der Staatsanwalt berief sich zudem auf eine Zeugenaussage aus dem Jahr 2008, derzufolge der Beschuldigte im "Max und Moritz" nach seiner Enthaftung im November 1993 auf den Zuruf "verschwinde du Mörder" geschrien habe: "Halt's die Goschn, sonst geht's euch wie der Silke."

Aussage der Prostituierten "unglaubwürdig und windig"
Verteidiger Karl Wampl bezeichnete die Vorwürfe des Staatsanwaltes dagegen als Vermutungen, "bis zu einem gewissen Grad sind sie reine Fantasie". W. habe Silke Schnabel in der Nacht auf 11. Juli 1992 im "Max und Moritz" getroffen und sei nachher mit ihr händchenhaltend in Richtung Elmo-Kino spaziert, doch dann hätten sich die beiden getrennt. "Er legte sich dann zur Salzach-Böschung, um zu schlafen." Dass W. anfangs vor der Polizei bestritt, das Mädchen zu kennen, "war eine Schutzbehauptung". Wegen seiner früheren Sittlichkeitsdelikte habe W. gedacht, er sei der ideale Sündenbock.

"Es ist auch absolut unmöglich zu glauben, dass jemand, der eine Frau vergewaltigt und erwürgt, wartet, bis die Polizei auftaucht", sagte Wampl in Richtung Geschworene. Er hielt auch die Aussage jener Prostiuierten, die von W. nach einer Demütigung geschlagen worden sein soll, für "unglaubwürdig". Fragwürdig erschien ihm auch die Aussage der Zeugin, wonach der Beschuldigte "Halt's die Goschn, sonst geht's euch so wie der Silke" geantwortet hätte. "Diese Frau ist bei ihrer Aussage 1993 in keiner Weise darauf eingegangen." Der Advokat gab auch zu bedenken, dass weder der Tattag noch der Tatort bekannt sei. Die Bluse sei auch nicht neben dem Arbeiter im Gras gelegen. Diese könnte das Mädchen rund drei Wochen vor der Tatnacht liegen gelassen haben, meinte der Verteidiger.

Nach dem Maßnahmenvollzug von 1980 bis 1985 wegen eines Sexualdeliktes habe sein Mandant "keinerlei schwerwiegende Delikte" mehr begangen, erklärte der Verteidiger. W. weise seit Jahren soziale Kompetenz auf. "Er hat seit zwölf Jahren denselben Arbeitsplatz und dieselbe Lebensgefährtin. Er verhalte sich zu der beinamputierten Frau, die auch laufend eine psychiatrische Betreuung benötige, "liebevoll und entgegenkommend". Wampl bezeichnete die Verhandlung als "Medienprozess", zur Anklage sei es aufgrund des öffentlichen Drucks gekommen, obwohl ein Drei-Richter-Senat die Einstellung des Strafverfahrens gegen seinen Mandaten 1993 bestätigt habe. Auch jetzt gebe es weder Beweise noch eine DNA-Spur, sagte der Verteidiger.

Kellnerin und Lokalpächterin erinnern sich nur wenig
Am Nachmittag wurden auch die damalige Pächterin und eine Kellnerin des "Max und Moritz" zur Tatnacht befragt. Die Kellnerin hatte bei ihrer Einvernahme vor der Polizei wenige Monate nach dem Mord gemeint, Silke Schnabel hätte Geschlechtsverkehr mit einem Jugoslawen auf der Damentoilette des Lokals gehabt. Die Kellnerin soll diesen Vorfall auch der Pächterin erzählt haben, doch beide Frauen konnten sich an diese Angaben nicht mehr erinnern. Von dem Geschlechtsverkehr wüssten sie nichts. "Ich kann mich gar nicht erinnern, dass ich vor der Polizei ausgesagt habe", sagte die Pächterin.

Allerdings hatte die Kellnerin noch eine detaillierte Erinnerung daran, dass Silke, nachdem sie das Lokal verlassen hatte, "regelrecht fröhlich die Straße runtergehüpft ist". Dann sei W., der vorher ebenfalls in dem Beisl war, um die Ecke gekommen. "Silke – sie war ja ein liebes Kind – hat sich bei ihm eingehängt. Die beiden sind dann die Mertenstraße hinuntergegangen. Ich dachte mir: 'Jetzt geht die wirklich mit ihm mit.' Er war ja ziemlich betrunken und ist im Lokal unangenehm geworden. Deshalb habe ich ihn rausgeschmissen."

Der Prozess wurde um 15.30 Uhr zur Einvernahme weiterer Zeugen auf Dienstag vertagt – insgesamt sind 22 Zeugen geladen. Das Urteil wird dann für Freitag erwartet. Auf den Zuschauerbänken saßen am Montag zwei Schulklassen des Akademischen Gymnasiums, sie haben dem Prozess im Rahmen des Ethikunterrichtes beigewohnt.

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