Akten geliefert, aber:

Ärger über „geheime“ E-Mails aus Finanzministerium

Politik
07.05.2021 13:24

Die am Donnerstag nach langem Hin und Her doch an die Parlamentsdirektion gelieferten 204 Ordner mit E-Mails aus dem Finanzministerium (siehe Video oben) sorgen weiterhin für gehörigen Wirbel. Die ausgedruckten Mails wurden nämlich als „geheim“ eingestuft. Konkret bedeutet das, dass die Akten im Ibiza-U-Ausschuss nur hinter verschlossenen Türen besprochen werden können, auch dürfen die Abgeordneten anschließend nicht darüber berichten. Im Falle eines Zuwiderhandelns drohen sogar Haftstrafen. Die Opposition tobt und fordert den Rücktritt von Finanzminister Gernot Blümel, aber auch den von Bundeskanzler Sebastian Kurz (beide ÖVP). Vorsichtige Kritik gibt es auch vom grünen Koalitionspartner.

Ändern könnte das auf Antrag der Abgeordneten ÖVP-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka. Das „Informationsordnungsgesetz“ sieht vier Klassifizierungsstufen für Akten in Untersuchungsausschüssen vor: eingeschränkt, vertraulich, geheim oder streng geheim. Als „geheim“ werden Akten eingestuft, „wenn die Preisgabe der Informationen die Gefahr einer erheblichen Schädigung“ von Interessen, etwa „der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen oder der wirtschaftlichen Interessen einer Körperschaft des öffentlichen Rechts“, schaffen würde.

Derzeit liege noch kein formaler Vorschlag auf eine Herabstufung vor, weshalb auch das diesbezüglich notwendige Verfahren noch nicht eingeleitet werden konnte, erklärte ein Sprecher des Präsidenten schriftlich auf APA-Anfrage. „So wie stets in diesen Fällen orientiert sich der Präsident am Willen der Präsidialkonferenz. Einigen sich die Fraktionen im Konsens auf eine Herabstufung, so wird der Präsident dem selbstverständlich Folge leisten“, hieß es weiter.

Der Verfassungsgerichtshof hatte am Donnerstag mit einem Exekutionsantrag an den Bundespräsidenten den Finanzminister gezwungen, bisher nicht gelieferte Akten an den Ibiza-Untersuchungsausschuss zu übermitteln. Bundespräsident Alexander Van der Bellen sprach von einem bisher einzigartigem Fall.

Rücktrittsaufforderung an Blümel und Kurz
Doch die Wogen haben sich nach der Aktenlieferung nicht geglättet. Die SPÖ und die FPÖ fordern zum wiederholten Mal den Rücktritt von Finanzminister Blümel. Schützenhilfe kommt auch aus Deutschland. Satiriker Jan Böhmermann, der etwa vorab vom Ibiza-Video wusste, rät dem österreichischen Finanzminister zum Rücktritt. Der Komiker deutet an, dass dies nach der Ausstrahlung seiner Sendung „ZDF Magazin Royale“ am Freitag nötig werden könnte. FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker warf in einer Pressekonferenz am Freitag dem Finanzminister vor, die Verfassung „mit seinen türkis besockten Füßen“ zu treten. Hafenecker sah eine „Sabotage“ des Ibiza-Untersuchungsausschusses durch die ÖVP auch unter Mithilfe des Bundespräsidenten.

Hafenecker: „Präsident hätte härter agieren müssen“
Dieser hätte nämlich „härter agieren“ müssen und den Antrag des Verfassungsgerichtshofs auf Exekutierung des Höchstgerichtsentscheids bezüglich der Aktenlieferung durchsetzen müssen. Bundespräsident Van der Bellen habe aber lediglich „ein paar Telefonate geführt“ und eine „Verfassungsvorlesung“ gehalten. Was die Einstufung der Dokumente als „geheim“ bedeutet, erläuterte der FPÖ-Politiker: Es würde jeder Fraktion ein „Mini-Tisch“ zur Verfügung stehen, wo zwei Personen Platz hätten, die Akten müssten schon auf dem Boden gestapelt werden. Eine voll elektronische Schlagwortsuche sei nicht möglich, lediglich Notizen seien erlaubt.

Die FPÖ hofft nun, dass sie gemeinsam mit den anderen Oppositionsparteien eine Sondersitzung des Nationalrats zu der Causa einberufen kann. Zudem werde es über die Präsidiale des Parlaments versucht, die Einstufung des gelieferten Materials wegzubekommen. Für die FPÖ ist neben Blümel auch Kurz rücktrittsreif.

Leichtfried: „Tiefpunkt in der Zweiten Republik“
Ähnlich heftige Attacken gab es vonseiten der SPÖ. Vizeklubchef Jörg Leichtfried sprach in einer Pressekonferenz von einem „Tiefpunkt“ in der Zweiten Republik. Der Finanzminister meine, er stehe über dem Gesetz, so Leichtfried. Man werde umgehend Gespräche mit den anderen Parteien führen, um eine Sondersitzung des Parlaments einzuberufen. Dort soll Blümel neben einem Misstrauensantrag auch „mit weiteren Maßnahmen konfrontiert werden, sollte er bis dahin nicht schon selbst zurückgetreten sein“.

Parteikollege Kai Jan Krainer pflichtete bei: „Ein Minister, der sich so verhält, ist untragbar.“ Warum die ÖVP das mache? „Weil sie Angst hat, dass der Untersuchungsausschuss weitere Ungeheuerlichkeiten der ÖVP ans Tageslicht bringt“, lautete die Antwort Krainers, des SPÖ-Fraktionsvorsitzenden im Ibiza-U-Ausschuss. Nun wolle man gemeinsam mit den anderen Oppositionsparteien versuchen, die Akten herabzustufen.

U-Ausschuss endet am 15. Juli
Doch die Zeit drängt, denn die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses endet am 15. Juli. Die vielen Verzögerungsversuche würde sich die Opposition aber nicht gefallen lassen, so Krainer.

NEOS: „Kein Respekt vor höchsten Instanzen des Landes“
Auch aus Sicht der NEOS wurden die Unterlagen nicht ordnungsgemäß übermittelt. Aus diesem Grund will Ausschuss-Fraktionsführerin Stephanie Krisper prüfen, ob der Bundespräsident nun trotzdem tätig werden muss, „weil diese Lieferung eine Nichtlieferung ist“. „Das sind neue Rechtsfragen, die sich nur auftun, weil eine Regierung erstmals so respektlos mit den Rechten eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses umgeht“, kritisierte Krisper und forderte ebenfalls den Rücktritt Blümels. „Der neue Stil der ÖVP und des Sebastian Kurz heißt eigentlich, keinen Respekt vor den höchsten Instanzen in diesem Land“, zeigte sich die pinke Politikerin entsetzt.

Für ÖVP ist Sache erledigt
Für die ÖVP ist mit der Lieferung der Akten die Sache erledigt. Fraktionsführer Andreas Hanger erklärte Blümels Vorgehen damit, dass das Finanzministerium die Unterlagen vor Übermittlung an den Untersuchungsausschuss datenschutzrechtlich habe prüfen müssen. Gleichzeitig gab es Attacken und eine Anzeige gegen die Oberstaatsanwaltschaft wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses.

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