Brett für Brett

Toblaten: Ein 350 Jahre alter Holzstadel zieht um

Tirol
27.04.2021 19:00

Am Adelshof von Friedl Abenthung im Inzinger Weiler Toblaten wird dem Gestern der Hof gemacht. Ist der Platz knapp, heißt es umschichten. Da muss schon mal ein ganzes Gebäude ein paar Schritte zur Seite tun. In diesem Fall ein Stadel aus dem 17. Jahrhundert. Für den ist es nicht der erste Umzug. 

„Jeder Gegenstand erzählt eine Geschichte“, sagt Friedl Abenthung und schaut sich um. Der Inzinger steht in einem Meer aus Geschichten vergangener Zeiten. Wo andere Krempel sehen, erkennt er Kunst. Was andere loswerden wollen, dem gibt er eine Heimat. Ein kleines Universum hat er mittlerweile zusammengetragen. Ein Universum, in dem die Zeit stillzustehen scheint.

Am Flaurling-Berg die große Liebe gefunden
Altes hat Friedl Abenthung immer schon fasziniert. So war es auch mit dem Holzstadel aus der Zeit um 1680, in den er sich in den 1970er Jahren am Flaurling-Berg unsterblich verliebte. „Dort stehen die schönsten Stadel weit und breit. Da waren kunstfertige Zimmermänner am Werk“, schwärmt der Inzinger und zeigt auf den Ziergiebel, der von Sinn für Ästhetik zeugt. In einer Zeit, in der die einfachen Leute aufs Praktische reduziert wurden. Als Baustoff diente ausschließlich Holz. Sogar die Nägel sind aus Fichte gezimmert.

Vier Helfer und ein paar tausend Schilling
Der Zufall wollte es und ein paar tausend Schilling machten es möglich – 1978 kaufte Friedl Abenthung den Stadel. „Zu viert haben wir ihn am Berg abgetragen und bei uns wieder zusammengestellt“, ist er heute noch stolz, dass am Ende alles wieder am richtigen Platz war, „und kein Teil übrig blieb“. Selbstverständlich war das nicht: Denn die Jungspunde hatten einst vergessen, Balken, Bretter und Verstrebungen für einen reibungslosen Wiederaufbau zu nummerieren.

Heute – mit 78 – ist der Friedl gescheiter. Der weise weißhaarige Mann ist vorbereitet, als vor ein paar Tagen Freiwillige anrücken, um seine Jugendliebe noch einmal zu versetzen. Während die Helfer am Dach herumturnen und die meterlangen, schweren Balken sachte lösen, wird am Boden fleißig nummeriert. Es geht erstaunlich schnell. Bald ist der Stadel oben ohne, bald liegt er ganz am Boden. Wie ein großes Geschicklichkeitsspiel, das den Männern sichtlich Spaß macht.

Neuer Standort direkt neben dem Wohnhaus
Näher heran ans Wohnhaus soll die Scheune, die lang schon kein Heu mehr gesehen hat. Sie ist Lagerstätte für Kostbarkeiten, die sonst vielleicht am Schrottplatz gelandet wären. Viele Filmteams haben sich am Adelshof schon mit Requisiten eingedeckt. „Mich freut’s, wenn Menschen den Wert der Dinge erkennen“, erzählt Abenthung, dass er auch Stammgast beim Seefelder Handwerksfest ist.

Gleich neben dem Vorgarten des Adelshofes soll der Stadel in Zukunft stehen. Dort, wo einst Bauernkartograph Blasius Hueber wohnte und Abenthungs Frau Martha dem alten Zeug junges Gemüse und bunte Blumen zur Seite stellt – was für ein reizvoller Kontrast.

Bevor die Jugendliebe an ihrem neuen Bestimmungsort wiedererweckt werden kann, muss viel aus dem Weg geräumt werden. Sehr viel! „Wohin nur mit den Sachen?“, hört man Sammler Friedl kurz stöhnen. Dann macht er sich Mut – „Wird schon werden“ – und hofft, dass ihm der eine oder andere Helfer ins Haus schneit. Damit eine 350 Jahre dauernde Ära nicht anno 2021 endet.

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