Leidensweg Long Covid

„Mein Kopf will, aber mein Körper kann nicht“

Coronavirus
23.04.2021 18:39

Das Tückische am Coronavirus ist, dass man nicht weiß, worauf man sich einstellen muss. Für manche ist Covid-19 tatsächlich ähnlich einer Grippe nicht weiter schlimm. Manche landen auf der Intensivstation und kämpfen um ihr Leben. Und bei manchen ist der Kampf nach einer überstandenen Infektion noch lange nicht vorbei - das sind sogenannte Long-Covid-Patienten, die Wochen und Monate noch mit Symptomen kämpfen. Bei „Moment Mal“ diese Woche ist eine Betroffene zu Gast: Alexa Stephanou war Flugbegleiterin, ist nun aufgrund von Long Covid aber arbeitsunfähig. Prof. Mariann Gyöngyösi ist Kardiologin und leitet die Long-Covid-Ambulanz in Wien - sie klärt im Gespräch mit Damita Pressl zu den medizinischen Hintergründen auf.

„Das, was bis heute geblieben ist, ist die Erschöpfung“, erzählt Stephanou, die sich nun ehrenamtlich im Selbsthilfeverein Long Covid Austria engagiert. Sie hat sich bereits im März 2020 angesteckt. „Ich dachte damals, es ist einfach ein Virus, ich überstehe ihn und dann ist es gut.“ Tatsächlich wurde es eine Weile lang besser, „bis mir gesagt wurde, ich kann wieder aktiv werden und Sport machen. Das habe ich gemacht und damit kam der komplette Zusammenbruch. Seitdem kämpfe ich mich wechselnden Symptomen. Aber das, was immer da ist, ist der krankhafte Erschöpfungszustand.“ Ihren Beruf kann die ehemalige Flugbegleiterin daher nicht mehr ausüben: „Ich kann nicht garantieren, dass ich in einer Notfallsituation so agieren kann, wie ich es als Flugbegleiterin gelernt habe. Und ich glaube, mein Körper würde mit den Umständen, die beim Fliegen gegeben sind, nicht klarkommen. Daher bin ich momentan ‚unfit for flight‘“.

„Kennen Ursachen noch nicht“
Woher das alles kommt, weiß man noch nicht, erklärt Gyöngyösi: „Leider kennen wir die Ursachen vom Long-Covid-Syndrom nicht.“ Es gebe aber verschiedene Theorien: „Wenn das Immunsystem zu schwach ist oder nicht richtig auf die Virusinfektion reagiert, könnten im Körper einzelne Viruspartikeln verbleiben. Es gibt aber auch die Theorie, dass das Immunsystem zu heftig auf die Virusinfektion reagiert und so autoimmune Antikörper produziert werden, die die körpereigenen Zellen attackieren.“ Eine dritte Theorie ist, dass das Virus körpereigene Rezeptoren attackieren könnte.


Das Spektrum der Symptome sei sehr breit, aber „mehr als 90 Prozent der Patienten klagen über Müdigkeit, Erschöpfung und reduzierte körperliche Aktivität. Alle Symptome führen zu einer reduzierten Lebensqualität“. Hat ein Patient drei Monate nach der Infektion immer noch Beschwerden, oder treten noch nicht dagewesene Symptome neu auf, die anders nicht erklärbar sind, so spricht man in der Medizin von Long Covid.

„Können es nicht vorhersagen“
Auch wer es bekommt - und warum es auch junge, gesunde, aktive Frauen wie Stephanou trifft - sei noch unklar, so Gyöngyösi. „Patienten mit Vorerkrankungen können eher betroffen sein. Was wir derzeit überhaupt nicht wissen, ist, warum junge Menschen, die sonst gesund sind, Long Covid entwickeln. Wir wissen nicht, wer die zehn Prozent sind, die damit kämpfen müssen, und können Long Covid auch nicht vorhersagen.“

Klar ist jedenfalls: Es werden immer mehr Betroffene. „Es suchen alle Hilfe, weil es noch nicht genügend Anlaufstellen gibt“, erzählt Stephanou über die inzwischen mehr als 700 Vereinsmitglieder. Die Verläufe seien sehr unterschiedlich, aber alle hätten mit chronischer Erschöpfung zu kämpfen: „Long-Covid-Patienten sagen oft: ,Ich will, aber ich kann nicht. Mein Kopf will, aber mein Körper kann nicht'“. Bei Hausärzten könne man, wenn man Pech habe, damit auf sehr viel Unverständnis stoßen, so Stephanou: „Momentan muss man sehr viel Glück haben, dann hat der Hausarzt sich schon einmal mit Long Covid befasst. Oft wird man in die psychosomatische Lade geschoben. An etwas zu leiden, was noch niemand wirklich kennt, ist unfassbar verunsichernd.“

Rasch mehr Hilfe nötig
Es brauche also mehr Anlaufstellen, sagen Stephanou und Gyöngyösi: der Verein bekäme Dutzende Zuschriften von Betroffenen, die nicht wissen, wo sie sich hinwenden können: „Ich weiß schon nicht mehr, wie ich die Mitglieder vertrösten kann“. Auch aus Sicht der Medizin und der Forschung seien mehr Ressourcen nötig, betont Gyöngösi. Ein landesweites Netzwerk an Ambulanzen würde einen Erfahrungsaustausch ermöglichen, mehr Zeit für die Therapie der Patienten und um auch zur internationalen Forschung zu dem Phänomen beizutragen.

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