„Love Club Members“

Hearts Hearts: Zeit für die großen Lebensthemen

Musik
01.04.2021 06:00

Aufbruch und Umbruch bei Hearts Hearts. Die artifiziellen Wiener Indie-Popper zeigen sich auf ihrem Drittwerk „Love Club Members“ so zugänglich, bunt und poplastig wie noch nie zuvor. Das textliche Entdecken von Liebe und der musikalische Sprung zwischen Nostalgie und Gegenwart brachte ihnen mitunter eine FM4-Amadeus-Nominierung ein und sollte sie von der Indie-Sparte ins Mainstream-Interesse bringen. Wir fragten bei Sänger David Österle und Gitarrist Peter Paul Aufreiter nach.

„Krone“: David, Peter Paul - habt ihr euer drittes Album „Love Club Members“ schon vor der Pandemie fertiggestellt oder entstand es währenddessen?
David Österle:
 Wir hätten das Album vorher rausbringen wollen, aber das Programm hat sich geändert. Wir haben das Album verschoben und auch die Tour hat sich zweimal verschoben. Der Fahrplan ist ganz anders geworden. 
Peter Paul Aufreiter: Durch die gewonnenen Monate hatten wir Zeit, neue Songs zu schreiben, die dem Album sehr gutgetan haben. Die meiste Zeit sind wir im Proberaum und nehmen dort alles auf. Mit Masken und regelmäßig testen geht es mittlerweile halbwegs unkompliziert.

Ihr hattet für das Album an die 80 Songideen und -fragmente. Wie sortiert man die schlussendlich aus? Vor allem, wenn dann später auch noch neue Songs dazukamen?
Österle:
 Es war ein automatischer Prozess. Wir haben viel geschrieben und in gewissen Abständen unsere Dropboxen sortiert. Was hält stand und was spiegelt unseren derzeitigen Musikgeschmack wieder? So entstand über die letzten drei Jahre durch viel überlegen und aussortieren, was jetzt am Album übrig ist. Die Überlegung, was Hearts Hearts 3.0 eigentlich aussagen soll, stand über allem.

Und was ist nun eure Conclusio, was Hearts Hearts 3.0 sind?
Aufreiter:
 Dieses Album. (lacht) Es ist eine schöne Mischung aus vielen musikalischen Jahrzehnten geworden. Auch von der Klangästhetik. 
Österle: Als wir mit dem Album anfingen waren wir sehr versessen darauf, einen Retrosound zu kreieren. Wir haben sehr viel Beach Boys und Beatles gehört und die ersten Soundentwürfe gingen stark in eine 60er-/70er-Richtung. Wir haben dann irgendwann evaluiert und die Lust, das Album nicht komplett retro zu machen, wurde größer. Der moderne Stempel war wichtig und das Ergebnis passt. Man hört alte Klänge, die mit modernem Pop vermischt sind.

Man hat das Gefühl, dass bei euch im Vergleich zu den älteren Alben etwas aufgebrochen wäre. „Rub My Eyes“ etwa hat Manchester- und London-Einflüsse. Ein Track wie „Halo“ hingegen ist voll spielerischer Leichtigkeit.
Aufreiter:
 Wir wollten ein bisschen die Zeit von den beiden ersten Alben hinter uns lassen. Das hat sich schon vor den Aufnahmen zu diesem Album entwickelt und bei Non-Album-Songs wie „Ikarus“ vorgezeichnet. 
Österle: Der Sound hat sich sehr stark aus der Idee entwickelt, wie wir uns live präsentieren möchten und worauf wir Lust haben. Wir wollen die Leute einbinden und sie zum Tanzen zu bringen. Aus dem Ganzen ein Fest machen. So entstanden dann die leichteren, heiteren Songs. 

Das Album ist viel zugänglicher als seine Vorgänger. Habt ihr euch bewusst für diese Breite entschieden? Dass ihr massenkompatibler klingt?
Österle:
 Sowohl als auch. Schon bei „Goods/Gods“ dachten wir, wir wären zu vielfältig gewesen, aber die Rezeption von außen war, dass es wie aus einem Guss klang. Ich war dann fast enttäuscht, weil ich mir das spannender vorstellte. (lacht) Die Erwartungshaltung war jetzt ähnlich. Wir selbst nehmen das Album positiv divergent auf und freuen uns, wenn Kritiker das auch so sehen. Wir verstellen uns aber nicht und überlegen, was wir noch machen dürfen und was nicht. Unsere Musikinteressen und Hörgewohnheiten haben sich über die letzten Jahre verändert und das transportieren wir nach außen.

Was ist denn an Hörgewohnheiten oder Inspirationen dazugekommen?
Aufreiter:
 In unserer Teenie-Zeit war alles in Schubladen eingeteilt. Das war in der Musik so, in der Attitüde und in der Kleidung, doch das hat sich längst total vermischt. Als Fans ist das bei uns gleich. Ein gut gemachter Popsong gefällt uns genausogut wie ein tiefgehender, verkopfter Indie-Song.
Österle: Wir sind beim Produzieren draufgekommen, wie komplex Pop eigentlich ist. Wir haben Popmusik aus einer Indie-Attitüde immer abgetan, kommen nun aber selbst drauf, wie schwierig es ist, einen guten Song zu machen. Es ist eine irrsinnige Tüftlerei und einen guten Popsong zeichnet auch aus, dass er sehr mutig ist.

Kommt euch die Gegenwart der aufgebrochenen Zielgruppen auch kompositorisch zugute? Dass ihr wisst, es gibt keine Grenzen mehr zu beachten, um eben unterschiedliche Personen und Hörerschichten ansprechen zu können?
Aufreiter:
 Ich denke schon. Die ersten Songs haben wir quasi in „unserer Art“ gemacht, aber während des Prozesses haben wir versucht, uns mehr zu öffnen und bewusst darauf zu achten, wie ein Popsong funktioniert. Es hat uns irrsinnig Spaß gemacht, im Songwriting und bei der Produktion alles auszuprobieren.
Österle: Wir haben uns im Proberaum mal angelacht und wussten, vor fünf Jahren wäre das bei uns sicher nicht möglich gewesen. (lacht) Der Sprung vom Debüt zu „Love Club Members“ ist ein gewagter, aber er ist sehr lustvoll passiert. 

Zumindest kommst du, David, ein bisschen von den ewigen Thom-Yorke-Vergleichen weg, was dir als Sänger wohl ein Anliegen ist?
Österle:
 (lacht) Möglicherweise schon, ja. 

Mit „Wild At Heart“ habt ihr die FM4-Charts erobert, der Titel steht aber auch für einen bekannten, 30 Jahre alten Filmklassiker von David Lynch. Ist diese Popkultur-Referenz bewusst vorhanden?
Österle:
 Der Film transportiert ein gewisses Lebensgefühl und das spielt stark mit rein. Ich war unlängst erstaunt, wie schlecht mir der Film heute eigentlich gefällt, aber seine Leichtigkeit war eine Referenz für den Song. (lacht) Das ist ein spielerisch-narzisstischer Zugang. Man schnappt etwas auf und verwebt es dann selbst. Die Referenzen sind nicht immer reflektierend, sondern auch emotional behaftet und das zeichnet die Musikkultur im Allgemeinen stark aus. Die Zugänge sind vielfältiger und verspielter geworden und es gibt keine Hemmschwellen mehr. Auch Popkultur und Hochkultur sind heute viel stärker ineinander verwoben als es früher der Fall war.

Ihr schöpft natürlich, wie alle anderen auch, aus dem großen, unfassbaren Topf Pop-Vergangenheit, aber überlegt ihr trotzdem immer, wie man möglichst einzigartig klingen kann?
Aufreiter:
 Es geht eher um die Entscheidung, was dem Song guttut und was er noch braucht. Jeder sollte für sich leben und alles haben, was er benötigt, um eigenständig zu sein. Das muss dann auch nicht einzigartig sein, da reicht es, wenn das Songwriting glänzt und bereits vertraute Klänge etwas Wohliges hervorrufen.
Österle: Wir haben die Songs alle für sich behandelt und wollten sie einzeln gestalten. Das Neue ist heute so schwer zu finden. Es vermischt sich vieles und innovativ zu sein ohne Rückgriff auf die Vergangenheit ist einfach sauschwer. (lacht)
Aufreiter: Das wird vielleicht ein Ansatz für das nächste Album sein, aber es war hier nicht so das Thema.

Was sagt der Albumtitel „Love Club Members“ aus? Welche Botschaft steckt dahinter, was ist die Aussage?
Österle:
 Wenn man ein Thema rausstreichen will, dann ist es sicher Liebe und was alles mit ihr einhergeht. Es gibt verschiedene Spielarten der Liebe und Emotionshaushalte, die vorkommen. Liebe, die am abflauen ist oder Liebe, die schmerzt oder erfreut. Es geht auch um kleine Erniedrigungen des Alltags, die manchmal zur Routine werden. Dinge, die im Umkreis von einem Liebesgefühl existieren und unser Leben entscheidend ausmachen. Aber das Album ist nicht autobiografisch. (lacht)
Aufreiter: Der Albumtitel war eine Idee von unserem Schlagzeuger Johannes. Es ging inhaltlich immer um das Thema Beziehungen und Liebe und so sind wir nun auch im Loveclub angekommen, wie es in der Popmusik üblich ist. Es ist aber auch ein Begriff, in dem sich jeder wiederfinden kann, denn die Liebe betrifft im Endeffekt alle in unterschiedlichen Facetten. Liebe klingt immer so, als wäre alles immer nur toll, aber darin geht es oft um Konflikte und Probleme und das wollten wir herausstreichen.
Österle: Es wäre fad ein Album zu machen, dass voller Erfahrungen einer kompletten oder absoluten Liebe steckt. Liebe ist mit Glück und Unglück gleichermaßen verbunden. Das klingt jetzt platt, aber es ist das stärkste und dramatischste Gefühl überhaupt, wenn man sich verliebt, verlassen wird oder Eifersucht spürt. Sie beschwört den ganzen Effekthaushalt.

Die Single „The Fan“ habt ihr mit der wunderbaren Oska eingespielt. Auch das ist relativ neu, dass ihr mit anderen Künstlern kooperiert und den Raum teilt. Auch eine Art von Aufbruch für Hearts Hearts.
Aufreiter:
 In erster Linie sollte es natürlich das beste Album werden, das wir zustande bringen und wir haben schnell gemerkt, dass andere Leute mitreden und mitmischen sollten.
Österle: Es tut jedem Song gut, wenn jemand von außen drüberhört und derjenige den Song neu oder anders interpretiert. Ich war erstaunt, wie Oska klingt als sie die Textpassage einsang. Ich selbst habe mir den Track natürlich anders vorgestellt und es ist so schön, dass ein Song so neue Welten öffnet und einen völlig überraschen kann. Auch in der Produktion war dieses Gefühl oft da. Es war einfach schön, andere Interpretationen zuzulassen.

Habt ihr die Zeit bis zu „Love Club Members“ gebraucht, um dieses Vertrauen zu gewinnen? Zu lernen, auch Personen außerhalb des Bandzirkels so aktiv in eure Welt einzubauen?
Aufreiter:
 Auf jeden Fall war das ein Lernprozess, aber auch ein sehr schöner. Anfangs haben wir alles sehr eng in unserem Viererkreis gemacht und das Ergebnis dieses Albums spricht dafür, dass es sich auszahlte, andere mitmischen zu lassen.

Weil die Frage zurzeit populärer denn je ist - wer sollte denn eure Songs covern oder remixen, wenn ihr die freie Wahl hättet? Vielleicht auch im einheimischen Sinne.
Aufreiter:
 Eine Lylit-Version von „Rub My Eyes“ wäre schön. Der Song hat was Großes und sie könnte ihn sicher noch bombastischer machen.
Österle: Das ist gar nicht easy, mir fällt da auf die Schnelle gar nichts ein. (lacht) Es gibt in Österreich so viel gute Musik, das ist schwer. 
Aufreiter: Auch sehr spannend wäre eine Version von „Naked“ von Avec. Ich finde, der würde gut zu ihrer Interpretation passt.

Habt ihr selbst auch einheimische Einflüsse? Hört ihr Musik aus Österreich, die unbewusst in euren Songs landen?
Aufreiter:
 Sehr viele, denn es gibt so viele tolle Bands. My Ugly Clementine oder Filous zum Beispiel.
Österle: Filous wurde bei uns immer sehr stark diskutiert, der könnte auch einen Song remixen. (lacht) Ich bin seit den Anfängen ein sehr großer Leyya-Fan und liebe auch Marco Kleebauers neues Projekt Sharktank. 

Ist diese tolle Lage, in der die österreichische Musik derzeit steckt, auch für euch fruchtend? Spornen die Erfolge der anderen zu eigenen Bestleistungen an? So als Art gesunder Wettbewerb?
Österle:
 Ich finde den österreichischen Musikmarkt wirklich cool. Viele Bands sind miteinander befreundet und alles ist sehr vielfältig und trotzdem irgendwie überschaubar. Ich habe nicht das Gefühl, dass Konkurrenz eine große Rolle spielt. Vielleicht ist das aber auch nur meine Bubble, aber man freut sich, wenn beim anderen etwas klappt. Das bringt einen am Ende doch auch selbst weiter.
Aufreiter: Es spornt einen an, wenn man merkt, wie gut der Output bei anderen ist. Man will natürlich mithalten, wenn alle anderen gut sind und neue, spannende Dinge machen. Das motiviert uns schon sehr. Es brodelt die ganze Zeit und das ist sehr schön für die ganze Szene.
Österle: Es öffnet auch neue Kanäle und Türen. Wenn eine österreichische Band auch international sehr erfolgreich ist, wirft das einen positiven Schatten auf andere Bands. Das Aufkommen unserer Bands in den letzten fünf bis zehn Jahren von Wanda und Bilderbuch weg hat viel bewirkt. Man hat gesehen, dass einiges möglich ist und das macht auf jeden Fall etwas mit einem. Man sieht, dass man im deutschsprachigen Raum schon wo landen kann.

Ihr habt eingangs euren Song „Ikarus“ angesprochen. Der war eindeutig politisch konnotiert, von Polit- oder Gesellschaftskritik ist auf „Love Club Members“ aber eher nichts zu hören. War das eine bewusste Entscheidung?
Österle:
 Es gibt immer noch etwas Raum zwischen Politik und Liebe. (lacht) Wir sind privat und auch beruflich sehr politisch denkende Menschen, aber durch die Corona-Zeit war der Wunsch da, sich auf etwas anderes zu besinnen. Da haben wir uns von der Utopie Liebe leiten lassen. Die Vorstellung, dass es einen Platz gibt, der einen Sicherheit bietet, wenn alles drumherum nicht ganz so gut läuft. Es war keine bewusste Entscheidung gegen gesellschaftspolitische Themen, aber die Lust emotionale Themen aufzugreifen war stärker. Und der Sprung zur Liebe war dann nicht weit. 

Tagespolitik oder auch Corona an sich kommen nicht vor. Ihr seid ja prinzipiell eine Band, die versucht, möglichst zeitlos zu texten.
Österle:
 Liebe ist bei uns recht neu. Auf den ersten beiden Alben ging es stark um die Selbstoptimierung und eine gewisse Kritik am Fortschrittsgedanken. Vielleicht ist ein Album allgemeingültiger, wenn man sich dem Konsensthema Liebe annähert, denn das Thema wird nie fad. (lacht)

Fühlst du dich als Texter im gesellschaftskritischen oder im emotionalen Korsett der Liebe wohler?
Österle:
 Das Thema Liebe ist einfach unmittelbarer. Wenn man im Proberaum einen ersten Entwurf zu einer Musik schreibt, dann ist das „du“, das man adressiert, viel schneller ein Liebesobjekt als ein Subjekt im gesellschaftspolitischen Rahmen. Es war schön zu sehen, dass man sehr unmittelbar schreiben kann. Das Songwriting ist ganz anders, wenn man sich plötzlich weniger starr hinsetzt. Ich habe diesen Unterschied auf „Love Club Members“ gespürt und das war schön. Das Songwriting war auch so offen wie nie zuvor. Wir haben alle vier an Texten gearbeitet und das war ein sehr öffnender, cooler Zugang. Wir wollten den Texten ein gewisses Popprofil geben, denn sie sind weitaus weniger individuell, sondern allgemeingültiger. So wie Poptexte eben meist funktionieren. Überspitzt formuliert könnte man sagen, ich musste bei den Vorgängeralben am Ende immer selbst überlegen, was ich bei den hermetisch abgeriegelten Texten überhaupt aussagen wollte. (lacht) Es war einfach eine andere Form des Songwritings.

Wie werdet ihr diese Songs in hoffentlich absehbarer Zeit auf die Bühne bringen? Was schwebt euch dahingehend vor?
Aufreiter:
 Wir sind jetzt gerade im Proberaum, weil wir Live-Sessions vorbereiten, die als Video produziert werden. Das Livegefühl ist mit diesen Songs komplett anders und wir freuen uns noch mehr, diese Songs auf die Bühne zu bringen. Alles wird noch intensiver und unmittelbarer und wir hoffen, dass wir das bald umsetzen können.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Kostenlose Spiele
Vorteilswelt