Betroffene berichten

An Corona erkrankt: Der lange Weg zurück ins Leben

Österreich
08.12.2020 06:00

Sie wird laufend größer: die Zahl jener Menschen, die mit Corona infiziert waren und nun an Nachwirkungen der Krankheit leiden. In einer Reportage berichten Betroffene über ihre körperlichen und psychischen Probleme, die in seltenen Fällen auftreten können. Und ein Wiener Arzt warnt: „Die beinahe völlige Aufhebung des Lockdowns könnte schlimme Folgen haben.“

Eleonore H. (54), Betriebswirtin
Mir war übel, meine Nase belegt; ich hatte ein wenig Fieber, einen seltsamen Ausschlag auf den Unterarmen und ich fühlte mich ziemlich abgeschlagen. Das waren meine Corona-Symptome. Anfangs, im Juni. Und nach 14 Tagen begannen plötzlich diese grauenhaften Kopfschmerzen. Kopfschmerzen, wie ich sie noch nie davor erlebt hatte. Ich konsultierte in der Folge verschiedene Fachärzte, schließlich wurde ich wegen einer vermuteten Stirnhöhlenentzündung mit Antibiotika behandelt. Ohne Erfolg. Und Tatsache ist leider: Nicht einmal bei CTs meines Schädels konnte jemals eine Ursache für meine Beschwerden gefunden werden.

Ich bin mittlerweile in der Schmerzambulanz des Wiener AKH in Betreuung, die Mediziner dort sagen, dass viele Menschen nach Covid-Infektionen mit ähnlich schweren Nachwirkungen wie ich zu kämpfen haben. Ich bekomme nun immer wieder neue Medikamente verschrieben, bislang hat keines gewirkt. Das entsetzliche Kopfweh verschwindet einfach nicht. Wenn es besonders arg - also kaum noch ertragbar - ist, versuche ich, mich davon abzulenken, indem ich mir „Gegenschmerzen“ zufüge und zum Beispiel ganz fest an meinen Haaren reiße.

Mein Zustand ist so schlecht, dass ich nicht mehr dazu fähig bin, meinen Beruf auszuüben. Und ich empfinde es zunehmend belastender, nicht zu wissen, ob sich meine Situation jemals verbessern wird. Mein Leiden und die damit verbundenen Ängste und Sorgen haben längst auch an meiner Seele Spuren hinterlassen. Ohne die Hilfe einer Psychologin würde ich es nicht schaffen, mit meinem Schicksal fertigzuwerden.

Ali Ismailov (24), Wachmann
Dass mich Covid hart treffen könnte, hätte ich bis vor ein paar Monaten nicht gedacht. Ich bin jung, ich gehöre keiner Risikogruppe an, ich war - zumindest bis zu meiner Ansteckung - sehr sportlich; also topfit. Wann und wo mich das Virus „erwischt“ hat? Ich arbeite in einem Spital als Wachmann; zu meinen Aufgaben zählte - seit dem Ausbruch von Corona -, Patienten beim Ausfüllen von Fragebögen zu helfen. Ich kam dabei einigen wohl mitunter körperlich zu nahe, und obwohl sie und ich natürlich Schutzmasken trugen, geschah es, dass ich mich bei einem von ihnen infizierte. Das war Anfang September.

Von Beginn an hatte ich starke Symptome. Ich fühlte mich extrem schwach, mir taten die Muskeln weh, ich hatte Husten und manchmal Atemnot; wenn ich mich bewegte, bekam ich Schweißausbrüche. Die Beschwerden besserten sich auch nicht, nachdem ich schon längst Corona-negativ war. Wochenlang lag ich dann weiterhin meistens bloß auf meiner Couch, schon nach der kleinsten Anstrengung wurde ich unfassbar müde, und ich hatte Schwierigkeiten, genügend Luft zu bekommen.

Bei Untersuchungen wurde mittlerweile festgestellt, dass das Virus meine Leber angegriffen haben dürfte, meine diesbezüglichen Blutwerte sind gar nicht gut. Bis heute habe ich manchmal das Gefühl, dass ich mich vielleicht niemals mehr völlig „erfangen“ werde. Trotzdem, ich habe beschlossen, mich von Covid nicht unterkriegen zu lassen, und will versuchen, bald wieder arbeiten zu gehen. Meine Warnung an junge Menschen: Bitte nehmt die Krankheit ernst, sie kann auch für euch entsetzliche Folgen haben.

Kaveh Ahi (45), Eventmanager
Ich weiß nicht, wo und wie ich mich mit Corona angesteckt habe. Möglicherweise bei einer Dienstreise in Italien. Oder im Aufzug meines Wohnhauses. Zwei Nachbarn von mir sind nämlich positiv getestet geworden. Ende des Sommers; kurz bevor bei mir die Krankheit festgestellt wurde.

Zunächst hatte ich bloß Kopfweh, und ich war extrem müde, dann bekam ich leichtes Fieber und verlor meinen Geruchs- und Geschmackssinn. Doch nach etwa zwei, drei Wochen fühlte ich mich besser - und ich dachte schon, ich hätte die Infektion überstanden. Ein Irrtum, wie sich bald herausstellte. Denn laufend mehr litt ich unter - für mich bis dahin völlig ungewohnten - Beschwerden. Es begann damit, dass ich stark abnahm, wöchentlich ein Kilo, obwohl ich genügend aß; und immer öfter hatte ich peinigendes Pulsrasen.

Bei Untersuchungen wurde letztlich festgestellt, dass das Virus bei mir Autoimmunreaktionen ausgelöst und bestimmte Organe geschädigt hat. Ich leide jetzt an einer Schilddrüsenüberfunktion, mein Herz ist angeschlagen, ich fühle mich kraftlos. Ich nehme nun Medikamente, ob sie mir helfen, wird die Zukunft zeigen. Ich bin beruflich in der Gastronomie- und Eventbranche tätig, vor meiner Infektion hielt ich Berichte über die Gefahr von Covid für übertrieben. Mittlerweile denke ich völlig anders darüber. Weil ich aus eigener Erfahrung weiß, welch grauenhafte Nachwirkungen eine Ansteckung damit haben kann.

Und trotz der negativen wirtschaftlichen Begleiterscheinungen, die jeder Lockdown mit sich bringt - sollte sich endlich jeder von uns bewusst sein, dass gewisse Einschränkungen derzeit einfach notwendig sind.

Georg T. (33), Biologe und Ökologe
Ich habe mich Anfang März mit Corona infiziert. Ich denke, bei der Arbeit. Ich hatte in meinem Beruf - ich bin Biologe und Ökologe - immer viel mit Menschen zu tun, und Ende vergangenen Winters trug in Österreich ja noch kaum jemand Maske.

Es begann mit einem trockenen Husten, der schnell schlimmer wurde. Eines Nachts bekam ich fürchterliche Atemnot, und ich alarmierte die Rettung. In der Folge wurde ich in ein Krankenhaus gebracht. Aber obwohl meine Sauerstoffsättigung miserabel war und ich eine mittelschwere Lungenentzündung hatte, bin ich ziemlich rasch wieder, unter Mitgabe von Antibiotika, in häusliche Pflege entlassen worden.

Bis Mai ging es mir sehr schlecht; ich war ständig unendlich müde und hatte oft Probleme, Luft zu bekommen. Manchmal glaubte ich, ersticken zu müssen - und ich wünschte mir, sterben zu dürfen. Um endlich diesen Qualen zu entkommen. Im Juni und Juli fühlte ich mich dann besser, ich war so glücklich darüber. Ich bin Triathlet - und nun konnte ich sogar wieder längere Spaziergänge unternehmen.

Aber im September schlugen die Nachwirkungen der Krankheit abermals voll bei mir zu. Mit Schmerzen im ganzen Körper, Atemnot und einem dauerhaften Erschöpfungszustand. Bis heute schaffe ich es nicht, meinen Buben - er ist ein Jahr alt - hochzuheben. Und natürlich: Meine Situation nimmt mich mittlerweile auch psychisch sehr mit.

Als Biologe weiß ich, wie gefährlich dieses Virus ist; als Ökologe, dass wir ihm durch unsere Rücksichtslosigkeit die Chance gaben, über uns herzufallen. Als Betroffener verstehe ich nicht, warum Geschäftsöffnungen und der Tourismus - also Geld - wichtiger zu sein scheinen als Menschenleben.

Allgemeinmediziner Ramin Nikzad beschäftigt sich mit den Langzeitfolgen von Corona. „Es gibt bedrückende Krankheitsgeschichten“, sagt er.

„Krone“: Unter welchen Nachwirkungen leiden die Patienten?
Ramin Nikzad: Vor allem an Müdigkeit und Atemnot - und damit verbunden an einer verminderten Leistungsfähigkeit.

Diese Probleme - wie zeigen sie sich bei Blut- und Röntgenuntersuchungen?
Das ist das Seltsame an dieser Krankheit: Bei Gesundheitschecks werden bloß selten greifbare Ursachen - wie etwa Schatten in den Lungen - festgestellt.

Wieso ist das so?
Mittlerweile wird davon ausgegangen, dass das Virus anhaltende Gefäßentzündungen hervorrufen kann. In allen Organen. Und: Corona löst Autoimmunerkrankungen aus. Der Körper beginnt sich also selbst zu schädigen.

Wie den Patienten helfen?
Indem versucht wird, ihre Symptome zu bekämpfen, mit „herkömmlichen Medikamenten“; indem zum Beispiel im Fall von Herzrhythmusstörungen Beta-Blocker verabreicht werden.

Der Erfolg dieser Maßnahmen?
Manchmal funktionieren sie, manchmal leider nicht.

Nicht wenige Betroffene berichten zudem über massive seelische Probleme ...
Fakt ist: Das Virus greift das Gehirn an. Neben Gedächtnisstörungen scheint es die Entstehung von Depressionen zu begünstigen. Aber klar ist auch: Wer lange an den Folgen einer Covid-Infektion leidet, wird natürlich mit der Zeit seelische Verstimmungen haben. Ich halte daher eine psychologische Betreuung der Patienten für absolut notwendig.

Ihre Meinung zur - sehr weitreichenden - Aufhebung des Lockdowns?
Ich halte diese Entscheidung für falsch. Weil dadurch die Infektionszahlen massiv steigen werden.

Und wie beurteilen Sie die so viel propagierte Impfung?
Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir die Pandemie damit in den Griff bekommen werden. Aber das wird bis zum kommenden Sommer dauern. Und bis dahin müssen wir alle sehr vorsichtig sein - Masken tragen, Abstand halten und auf große Hygiene Wert legen.

Martina Prewein, Kronen Zeitung

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