Das große Interview

Ist Österreich ein Vorbild, Herr Botschafter?

Politik
17.05.2020 06:06

500.000 Masken für das befreundete Österreich: Mit diesem Geschenk krönt der US-Botschafter seine bisherige Amtszeit. Mit Conny Bischofberger spricht Trevor Traina (52) über Corona, Trump und kulinarische Verlockungen.

Die Residenz des US-Botschafters in Wien-Hietzing ist seit dessen Amtsantritt deutlich bunter geworden. An den mit Blüten-Mosaiken von Gustav Klimt bemalten Wänden, für die eine kalifornische Wandmalerin drei Monate in der Bauhaus-Villa verbracht hat, hängen gerahmte moderne Fotos aus der Traina-Privatsammlung. Loos, Hoffmann und Thonet prägen die Einrichtung. „Mister Ambassador“ erscheint mit schwarzer Gesichtsmaske - ein Exemplar schenkt er mir, 500.000 der Republik Österreich. Wir sehen ein bisschen wie zwei Bankräuber aus, als wir einander maskiert mit den Ellenbogen begrüßen.

„Krone“: Herr Botschafter, waren Sie seit dem Hochfahren der Gastronomie schon in einem Wirtshaus?
Trevor Traina: Ich bin gleich am Freitagmorgen hinunter ins Waldemar gegangen. Ich liebe diesen Ort! Es war so ein gutes Gefühl, dort zu sitzen, in ein Croissant zu beißen, den Kaffee zu genießen und den Barista nach so vielen Wochen wiederzusehen.

Kommen Sie mit dem Social Distancing gut zurecht?
Wir haben uns sowohl in der Botschaft als auch hier in der Residenz an die neuen Regeln gewöhnt. Meinen Kindern sage ich, sobald sie das Haus betreten, dass sie die Hände waschen und dabei mindestens bis 30 zählen sollen. In der Botschaft haben wir überall Händedesinfektionsmittel. Unsere wunderbaren Reinigungskräfte, die schon viele Jahre für uns arbeiten, putzen ständig Türklinken und Oberflächen. Nachdem ich der Botschafter bin, gab es zu mir immer schon die größte Distanz. - Lacht. - Bei Meetings sitzt mein Gegenüber jetzt einfach am anderen Ende des Raums.

Da hätten ja gleich mehrere Babyelefanten Platz.
Stimmt. - Steht auf, geht ins Nebenzimmer und kehrt mit einem Elefanten aus Jade zurück. - Wissen Sie, was ich hier habe? Einen Babyelefanten aus China, das war ein Geschenk von Richard Nixon an meinen Großvater (Wiley T. Buchanan war von 1975 bis 1977 US-Botschafter in Österreich, Anm.). Nicht alles aus China ist gefährlich!

Sie spenden dem Land Österreich 500.000 Gesichtsmasken. Sind die vielleicht auch aus China?
Nein, die sind aus Los Angeles! Wir haben mehrere unterschiedliche Masken ausprobiert, auch gemeinsam mit meinen Kindern. Weil unsere Masken vor allem auch für Kinder geeignet sein sollen, die am Montag zurück in die Schule kommen. Man kann leicht atmen, sie sind aus hochqualitativer, biologischer Baumwolle, gut waschbar, wiederbenutzbar. Die aus Papier, die man wegwirft, sind ganz schlecht für die Umwelt. Schwarz sind sie deshalb, weil wir aufgrund der großen Menge den Stoff nehmen mussten, den sie uns geben konnten. Aber ich denke, man sieht unverwechselbar aus damit.

Ein bisschen wie Bankräuber.
Die Kinder meinten, wie Winnetou.

Was ist der Hintergrund dieser Spende? Wessen Idee war das?
Das war im gewissen Sinne meine Idee. Aber die Spende ist auch durch die Großzügigkeit der amerikanischen Regierung möglich geworden, sie zahlt dafür. Der Hintergrund ist eine interessante Geschichte. Meine Großmutter hat ja schon in diesem Haus gelebt. Sie wurde während der Spanischen Grippe geboren. Sie hat mir mein ganzes Leben lang Geschichten über die Pandemie erzählt, es fühlt sich deshalb für mich so an, als hätte ich eine persönliche Beziehung dazu. Meine Grandma ist genau, als der Coronavirus auftauchte, gestorben, sie wurde fast 102 Jahre alt. Ihre Mutter ist an der Spanischen Grippe gestorben, so wie mehr als eine halbe Million Amerikaner. Letztes Jahr habe ich erfahren, dass 1918 Amerika 300.000 österreichische Kinder mit Essen versorgt hat. Ich dachte mir, das ist schön ... Und so entstand die Idee mit den Masken. So schließt sich irgendwie ein Kreis.

In den USA gibt es fast 1,5 Millionen bestätigte Corona-Fälle, 85.000 Menschen sind am Virus gestorben. Würde Amerika diese Masken nicht dringender bauchen als wir? Wir haben lediglich rund 16.000 Fälle.
Tatsächlich gebührt Österreich große Bewunderung, wie ernsthaft und schnell das Land auf die Gefahr von Covid-19 reagiert hat. Aber die USA haben alles, was sie brauchen.

Ist Österreich ein Vorbild?
Auf jeden Fall. Österreich ist stark aufgestellt und hat meiner Meinung nach eine der besten Strategien der Welt. Ich bin froh darüber, dass wir unsere Freundschaft durch gegenseitiges Helfen ausdrücken können. Anstatt von 300.000 Mahlzeiten während der Spanischen Grippe sind es jetzt eine halbe Million Masken. Ich würde mir wünschen, dass wir noch mehr spenden könnten. Aber das war das, was ich persönlich organisieren konnte, und darauf bin ich stolz. Es gibt Unternehmen, wie beispielsweise Apple, die fast 150.000 Masken gespendet haben. Also Großzügigkeit gibt es nicht nur aufseiten der amerikanischen Regierung, sondern auch von amerikanischen Unternehmen.

Für wen sind die Masken gedacht?
Für Familien, für Kinder, die zurück in die Schule gehen, für ältere Menschen, für kleine Geschäfte. Ich habe mit dem Kanzleramt und auch mit den Landeshauptleuten gesprochen, da gibt es viele spezifische Verwendungszwecke. Ab nächster Woche werden wir die Masken übergeben.

Die USA sind besonders stark von der Pandemie betroffen. Glauben Sie, Trump wird die Krise in den Griff bekommen?
Ich glaube schon. Die meisten Corona-Flle in Amerika sind im Ballungsraum New York, New Jersey. Kalifornien hat weit weniger Fälle, obwohl es - die meisten Menschen wissen das nicht - 28 Direktflüge pro Monat von Wuhan nach Kalifornien gab. Trotzdem ist die Infektionsrate sowie die Sterberate in Kalifornien sehr gering. Sie müssen sich die USA wie Europa vorstellen: In manchen Regionen gibt es Hotspots und dann gibt es große Regionen, die relativ verschont geblieben sind. Außerdem lernen wir alle ständig, das ist ein laufender Prozess. Im Jänner hat die WHO gesagt: Masken sind nicht notwendig. Jetzt übergebe ich eine halbe Million Masken an Österreich.

Sie nennen sie „Freundschaftsmasken“.
Ja, denn als amerikanischer Repräsentant für Österreich ist die Freundschaft zwischen den USA und Österreich nicht nur mein Job, sondern auch meine Leidenschaft. Es ist wichtig, sich gegenseitig zu helfen. Wie Sie wissen, hat Amerika mehrere Milliarden Dollar an Corona-Hilfen für viele verschiedene Länder zur Verfügung gestellt, den Großteil für Entwicklungsländer. Auch das erste Medikament wird aus den USA stammen. Beziehungsweise, nachdem es ein Österreicher entwickelt hat, zur Hälfte auch aus Österreich.

Werden Sie noch oft auf Präsident Trump angesprochen oder sind die Leute mittlerweile schon peinlich berührt und sagen gar nichts mehr?
Ich glaube, die Augen sind immer auf Präsident Trump gerichtet. Egal, um welches Thema es geht, es findet sich immer ein Grund, um über ihn zu reden. Aber auch das ist ein Teil meines Jobs. Ich habe an der WU vor ungefähr 400 Studenten gesprochen und wir hatten eine sehr gute Diskussion und schließlich hat jemand seine Hand erhoben und gesagt: „Kann ich eine Frage über den Präsidenten stellen?“ Ich habe gesagt: „Dafür hast du 15 Minuten gebraucht, um die erste Frage zu stellen?“ Also ja, der Präsident ist regelmäßig Gesprächsthema.

Was haben Sie sich gedacht, als Trump laut darüber nachgedacht hat, das Virus mit Desinfektionsmittel und Ähnlichem zu bekämpfen? Ist das nicht verrückt?
Wissen Sie, Amerika war das erste Land der Welt, das klinische Studien zu einem Impfstoff hatte. Auch die meisten Studien zu Therapeutika wurden in den USA gemacht. Die FDA hat gerade das Gilead-Medikament zu therapeutischen Zwecken zugelassen. Letzten Endes wird das gut für die Welt sein.

Das war nicht wirklich die Antwort auf meine Frage. Ist es nicht verrückt, solche Dinge zu sagen?
Ein Grund, warum mein Job notwendig ist, ist der, dass viele Menschen die Aussagen des Präsidenten wortwörtlich nehmen oder sie falsch interpretieren. Vor diesem Präsidenten war es so, dass alles, was ein Präsident gesagt hat, von einer großen Anzahl an Beratern vorher analysiert und debattiert wurde. Jetzt ist es das erste Mal, dass wir als Gesellschaft diesen Prozess aus erster Reihe beobachten können. Der Präsident verbringt nicht viel Zeit damit, seine Handlungen zu erklären, das ist einfach nicht Teil seiner Persönlichkeit. Ich finde, das ist faszinierend, aber es hat natürlich auch eine ganz neue Dynamik.

Trump hat Corona als „chinesisches Virus“ bezeichnet. Glauben Sie das auch?
Wissenschaftler und Gesundheitsexperten sich über die Herkunft des Virus einig. Aber ich denke, wir sollten uns erstmal auf die Bekämpfung des Virus konzentrieren, danach können wir uns über Verantwortlichkeiten unterhalten.

Ganz ehrlich: Wie schwer ist es, Trumps Botschafter zu sein?
Gar nicht schwer. Teil meines Jobs ist es auch, die Europäer daran zu erinnern, was der Präsident gut macht. Weil Sie China erwähnt haben: Trump war der Erste, der Europa aufmerksam darauf gemacht hat, dass Vorsicht davor geboten ist, die Kronjuwelen Europas herzugeben, wie die Produktionsanlagen, Schlüsselinfrastruktur, oder der Verlust von geistigem Eigentum. Ich glaube, das war sehr wichtig für Europa. Ein zweiter Punkt: Wir geben alle mehr Geld für die NATO aus, die USA und auch die NATO-Verbündeten. Jeder US-Präsident hat das versucht, aber Trump ist der erste Präsident, der das auch geschafft hat. Ich glaube, dass der Präsident extrem maßnahmenorientiert und sehr effektiv agiert. Das versuche ich hervorzuheben. Das ist auch meine Aufgabe. Ich bin einstimmig vom US Senat bestätigt worden, das bedeutet, dass alle 100 Senatoren für mich gestimmt haben. Ich spreche also für 330 Millionen Amerikaner - und nicht nur für den Teil, der politisch hinter dem Präsidenten steht.

Falls Trump wieder gewinnen sollte, wären Sie dann zu einer zweiten Amtszeit bereit?
Alles, was ich sagen kann, ist, dass ich Österreich sehr liebe, dass ich mich hier zuhause fühle und dass meine Bewunderung für dieses Land mit jedem Tag größer wird.

Das war ein 90-prozentiges Ja.
Botschafter in Österreich zu sein ist eine der erstrebenswertesten diplomatischen Positionen. Aber ich möchte keinerlei Spekulationen anstellen.

Was würden Sie - abgesehen von den Masken - als Ihren größten Erfolg bezeichnen?
Wir hatten seit Beginn der diplomatischen Beziehungen in meiner Amtszeit den größten Austausch zwischen unseren Regierungen. In einem durchschnittlichen Jahr besucht vielleicht ein österreichischer Minister Washington, in meinem ersten Jahr hatten wir zwölf hochrangige Besuche. Zum ersten Mal in acht Jahren habe ich Ihren Verteidigungsminister zum Pentagon mitgenommen, zum ersten Mal in fast 15 Jahren habe ich Ihren Kanzler ins Weiße Haus gebracht und zum ersten Mal in der Geschichte wurde ein Kanzler zu einem zweiten Besuch ins Weiße Haus eingeladen. Den meisten Österreichern ist auch bewusst, dass nach Deutschland kein anderes Land der Welt mehr österreichische Produkte kauft als die Vereinigten Staaten von Amerika. Mein Job ist es, dass das auch in Zukunft so bleibt.

In unserem letzten Interview haben Sie Würstel und österreichische Nachspeisen als Ihre größte Versuchung bezeichnet und der Sorge Ausdruck verliehen, dass Sie in Wien wohl ein paar Kilos zulegen werden. Wie sieht es damit aus?
Die Mehlspeisen sind tatsächlich meine Achillesferse, und das Café Dommayer in der Nähe! Ich mag auch Kaiserschmarren und alle Arten von süßen Knödeln. Aber auch Wiener Schnitzel, am liebsten bei Meinl am Graben oder beim Plachutta. Aber ich bin sehr diszipliniert und deshalb konnte ich mein Gewicht halten. - Klopft sich zufrieden auf den Bauch.

Wann werden Sie das erste Mal wieder in die USA reisen? Sie könnten das mit Ihrem Privatjet ja jederzeit tun.
Möglicherweise Ende des Sommers. Um ehrlich zu sein, bin ich aber sehr glücklich hier, ich fühle mich in Corona-Zeiten hier sehr sicher, und gerade jetzt ist meine Anwesenheit wichtig, um unsere Freundschaft zu stärken. Man verlässt ein Land in so einer Zeit nicht. Oder wie man in den USA sagt: I vote with my feet - ich stimme mit meinen Füßen ab.

Zur Person: IT-Milliardär und Kunstmäzen
Geboren am 16.5. in San Francisco. Der Vater John Traina war Reeder, die Mutter Diane „Dede“ Wilsey Philantropin. Ein jüngerer Bruder (Filmproduzent). Nach dem Studium im Princeton, Oxford und Berkeley gründet Traina mehrere Technologieunternehmen. Der Kunstsammler saß in Gremien renommierter Museen. Verheiratet mit Alexis, das Paar hat zwei Kinder (John ist 13, Delphina 11). Trainas Großvater Wiley T. Buchanan war Protokoll-Chef von US-Präsident Eisenhower und von 1975 bis 1977 US-Botschafter in Österreich.

Conny Bischofberger, Kronen Zeitung

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