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Grubinger in Hongkong: „Der Wert der Freiheit“

Salzburg
12.01.2020 08:00

„Demokratie, die Wahrung der Menschenrechte und Freiheit - dafür werden wir kämpfen. Bis zum Äußersten.“ In dieser Woche war ich zu Konzerten mit dem Hongkong Philharmonic Orchestra im Cultural Arts Center Hongkong zu Gast. Doch zwischen den Proben und meinen Auftritten hat mich etwas ganz anderes bewegt. Seit Wochen verfolge ich die Proteste vieler junger Leute in Hongkong.

Also haben wir über den Messengerdienst Telegram versucht, Kontakt aufzunehmen. Nach einiger Zeit und ein paar klaren Bedingungen (anonymer Ort, Gesichter vermummt, Stimmen auf dem Tonbandgerät verändert) waren „Joe“, „Aknaz“ und „Sezen“ bereit, mich zu treffen.

Über 7000 Demonstranten wurden bis dato festgenommen. Manche aufs chinesische Festland verschleppt, der Aufenthaltsort vieler anderer ist nicht bekannt. Es gibt keine unabhängige Untersuchung der Polizeigewalt, internationale Unterstützung dieser Bewegung ist kaum vorhanden. Zwar bekommen die Demonstranten sehr viel mediale Aufmerksamkeit - aber bei Offiziellen scheint die Sorge groß zu sein, China gegen sich aufzubringen.

Meine Gesprächspartner sind in ihren Ausführungen klar und eindeutig. Man fordert nicht mehr, als zu den zwischen der einstigen Kolonialmacht, dem Vereinigten Königreich, und China ausgehandelten Rechten zurückzukehren. Denn über viele Jahre hat China immer weiter die freie Meinungsäußerung, freie Presse und demokratischen Grundwerte einschränken lassen. Mir nötigt der Einsatz, die Leidenschaft und Motivation dieser jungen Leute größten Respekt ab. Viele haben alles aufgegeben und setzen sich Gefahren und Risiken aus. Manche werden ohne Nennung von Gründen zuhause abgeholt und eingesperrt. Doch ist deren Entschlossenheit in jedem Satz spürbar. Und man stellt sich selbst die Frage, ob man diesen Mut aufbringen würde. Den eigenen Wohlstand, die Familie und viel Verantwortung gegenüber seinen Liebsten aufs Spiel zu setzen und in diese fast aussichtslose Auseinandersetzung zu ziehen.

China jedenfalls hat diese Bewegung völlig unterschätzt und tut sich schwer damit umzugehen. Die eigene Generation der „Millenials“ scheint der chinesischen Gehirnwäsche zum Opfer gefallen zu sein - anders die junge Generation der Hongkonger. Sie haben vom Zauber demokratischer und freiheitlicher Werte gekostet und wollen dies keinesfalls aufgeben. Dafür sind sie zum Äußersten entschlossen. Es ist eine Auseinandersetzung, die uns alle angehen sollte.

China ist die aufstrebende Macht: politisch, wirtschaftlich, militärisch. Gleichzeitig kann dieses Modell niemals eine Zukunft für uns Europäer sein. Und nicht allzu fern stellt sich uns die Systemfrage. Sind wir mit unserer Lebensweise, unser freiheitlich-demokratischen Grundordnung dem „System“ China in unserer heillosen Zerfahrenheit und Unentschlossenheit gewachsen?

Anstatt ständig den Fokus auf die muslimische Welt zu richten und tagein, tagaus das Thema der Migration hysterisch hochzukochen, attackiert China unsere kritische Infrastruktur, klaut europäisches Know-how in Wirtschaft und Wissenschaft, unterzieht seine Jugend (auch jene, die es zum Studium ins Ausland schickt) einer gnadenlosen Propaganda, kontrolliert, bestraft und schikaniert die eigene Bevölkerung, entzieht Minderheiten jegliche Menschenrechte und geht mehr darauf über, seinen Lebensstil auch auf andere Staaten zu übertragen.

Die jungen Leute in Hongkong (an manchen Protesttagen waren es zwei Millionen Demonstranten) zeigen uns also, dass wir viel zu lange tatenlos zugesehen haben und zum wiederholten Male alles dem Handel und Profit unserer global agierenden Unternehmen untergeordnet haben, ohne dabei die Konsequenzen bedacht zu haben. Wie oft haben wir von Wirtschaftskapitänen gehört, mit zunehmendem Handel wäre Fortschritt bei Demokratie und Menschenrechten zu erwarten. Unsere Politiker sprechen diese Themen mit chinesischen Politikern meist nicht einmal mehr an. Handel, Profit und Umsatz haben die Unternehmen bekommen - auf der Strecke bleiben jene, die von einem freien Leben träumen. Der Kotau vor der Wirtschaftsmacht China ist beispiellos.

Wenn ich Sonntag früh wieder in Salzburg lande, verspüre ich eine unglaubliche Dankbarkeit. Der Wert von Freiheit und Demokratie, den wir oftmals nicht mehr zu schätzen wissen, es als beschwerlich empfinden oder uns gar wieder einen starken Führer wünschen, ist jeden erdenklichen Einsatz wert. Hongkong hat mir das schonungslos vor Augen geführt.

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