Kritik von SPÖ und NGO

„Keine Einzelfälle, sondern das Wesen der FPÖ“

Österreich
23.12.2019 15:19

Der am Montag präsentierte FPÖ-Historikerbericht hat von mehreren Seiten scharfe Kritik geerntet. Die SPÖ sieht sich vor allem wegen der Rechtfertigungsversuche zu antisemitischen, rechtsextremen und NS-„Einzelfällen“ in ihrer grundsätzlichen Kritik an den Freiheitlichen bestätigt. „Es sind keine Einzelfälle, es ist auch nicht der gern von FPÖ-Politikern zitierte ‚Narrensaum‘ der FPÖ, sondern es ist schlicht und einfach das Wesen dieser Partei“, heißt es aus dem Parlamentsklub der Sozialdemokraten. Scharfe Worte kommen auch von SOS Mitmensch.

SPÖ-Nationalratsabgeordnete Sabine Schatz, Bereichssprecherin für Erinnerungskultur, sieht im Bericht ein „durchschaubares Manöver“. „Offenbar will man durch den Termin kurz vor den Weihnachtsfeiertagen eine öffentliche Debatte und Kritik, die es ja am Vorabbericht schon gab, tunlichst verhindern.“

Video: FPÖ präsentierte Historikerbericht

Hier können Sie den gesamten FPÖ-Historikerbericht lesen.

Inhaltlich seien bei erster Durchsicht vor allem zwei Punkte auffällig: das Auslassen der FPÖ-Verbindungen zu Burschenschaftern und Identitären und der „seltsame Rechtfertigungs-Wortschwall der rechtsextremen Einzelfälle“ in einem Beitrag von FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker.

SPÖ kritisiert Aufarbeitung der jüngeren Geschichte und Gegenwart
Es falle ins Auge, dass die FPÖ vor allem das untersucht habe, was hinlänglich bekannt sei, nämlich die NSDAP-Nähe der frühen FPÖ und ihrer Gründer. „Geht es um rechtsextreme und NS-Ausfälle der jüngeren Geschichte und Gegenwart, ist es mit der kritischen Aufarbeitung schnell vorbei: So finden etwa die Identitären, zu denen es nachweisbar seit Jahren enge Verbindungen gibt, in dem 668-seitigen Bericht gerade ein paar Mal Erwähnung“, so Schatz.

33 antisemitische, rechtsextreme und NS-„Einzelfälle“
Besonders deutlich werde das auch am Beitrag von Hafenecker (ab S. 491 im Bericht), der 33 antisemitische, rechtsextreme und NS-„Einzelfälle“ von FPÖ-Politikern auflistet und dazu bei fast allen die entsprechenden Rechtfertigungsversuche der FPÖ. „Dieser Beitrag eines hochrangigen FPÖ-Funktionärs bestätigt die grundsätzliche Kritik an der FPÖ: Es sind keine Einzelfälle, es ist auch nicht der gern von FPÖ-Politikern zitierte ‚Narrensaum‘ der FPÖ, sondern es ist schlicht und einfach das Wesen dieser Partei.“

„Bericht soll offenbar in der Versenkung verschwinden“
„Alle, die vermutet haben, die FPÖ würde ihren lückenhaften und dennoch für sie unangenehmen Historikerbericht nie präsentieren, haben in gewisser Weise recht behalten. Denn eine Präsentation an einem 23. Dezember ist so wie keine Präsentation“, kritisierte SOS-Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak. Der Bericht solle offenbar über Weihnachten in der Versenkung verschwinden.

„Kein Interesse an selbstkritischer Aufarbeitung“
Seitens der FPÖ-Parteiführung unter Norbert Hofer und Herbert Kickl, die beide der Präsentation fernblieben, sei dies eine „peinliche Vorgangsweise. Hofer, Kickl & Co. zeigen kein Interesse an einer selbstkritischen Aufarbeitung des Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus in der Partei.“ Das überrasche zwar nicht, sei aber dennoch ein Armutszeugnis und lasse für die Zukunft nichts Gutes erahnen.

Politberater Hofer sieht „PR-Trick“
Politberater Thomas Hofer bezeichnete die Wahl des Termins der Veröffentlichung als „PR-Trick“. Es gehe darum, „eine kritische Diskussion darüber möglichst geräuschlos vor Weihnachten zu versenken, das ist offensichtlich“. „Selbstverständlich hat es einen Grund, warum man das am 23.12. präsentiert und nicht am 7.1., wenn wieder alle zurück sind aus den politischen Ferien.“ Freilich sei die FPÖ „nicht der erste Akteur“, der so versucht, Themen im „Weihnachtsloch“ zu versenken.

Noch Chancen für Türkis-Blau?
Ob sich die FPÖ mit dem nun vollzogenen Schritt auch als möglicher Koalitionspartner für die ÖVP (im Fall eines Scheitern der Verhandlungen mit den Grünen in letzter Minute) positionieren wollte, ist für Hofer offen. Ursprünglich (im Sommer) sei das für FPÖ-Chef Hofer sicher ein Motiv gewesen. Ob die FPÖ auch jetzt noch selbst daran glaubt, dass dies Wirkung zeigen könnte, sei eine andere Geschichte. Mittlerweile sei ja so viel passiert, „dass jetzt aufseiten der ÖVP die Lust, mit den Blauen weiterzumachen, gegen Null tendiert“. Fix ist für den Politberater, dass die FPÖ in Zukunft darauf pochen wird, dass sie ihre Geschichte ja aufgearbeitet habe.

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