Josef Herk:

„Ohne Lehrlinge wäre unser Land nicht erfolgreich“

Steiermark
25.08.2019 10:00

Josef Herk ist Präsident der steirischen Wirtschaftskammer. Und schon zu Beginn seiner Amtszeit hat er sich das Thema Lehrlinge auf die Fahnen geheftet. Jetzt stehen die World Skills, die Berufsweltmeisterschaften, im russischen Kazan an, und die Steiermark stellt (wiederum) das stärkste Team. Und 2020, es war ein mühevoller Prozess, gibt’s die Euro Skills in der steirischen Landeshauptstadt Graz. „Steirerkrone“-Politik- und Wirtschaftschef Gerhard Felbinger im Gespräch mit dem Präsidenten.

Sie haben den ehrenvollen Beinamen „Lehrlings-Präsident“ verliehen bekommen. Was hat es damit auf sich?
Das ehrt mich. Denn es zeigt, dass unser Engagement in der WKO Früchte trägt. Ausbildung und Qualifizierung unserer Jugend sind für mich nun einmal ein echtes Herzensanliegen - und das spürt man, wie der Beiname zeigt.

Was bedeuten diese Skills, diese Fachkräfte-Wettbewerbe auf Welt- und Europaebene, für Sie persönlich?
Hier treten die Besten der Besten an, da freut es mich ganz besonders, dass unsere Fachkräfte bei den Medaillenvergaben regelmäßig so groß abräumen. Wenn nämlich ein junger Mensch für eine Leistung, die sie oder er im Beruf erbracht hat, eine dermaßen große öffentliche Wertschätzung bekommt - wie zum Beispiel durch die Berichterstattung in der „Kronen Zeitung“ -, dann passiert etwas: Man schafft Vorbilder. Vorbilder, die der Jugend zeigen, was man mit Einsatz, Fleiß und Leistungsbereitschaft alles erreichen kann.

Präzision bei den Floristinnen, die auf Stockerlplätze abonniert sind. (Bild: Christian Jauschowetz)
Präzision bei den Floristinnen, die auf Stockerlplätze abonniert sind.

Die jungen Leute streben noch immer stark in Richtung Studium. Was muss passieren, damit der Lehrberuf wieder aufgewertet wird?
Es ist gut so, dass viele junge Menschen in Richtung Studium streben. Aber die Lehre darf nicht länger als zweite Wahl betrachtet werden, vor allem von Seiten der Eltern. Wenn ich mir vor Augen führe, wie viele Jugendliche die Schule abbrechen oder wechseln - in den AHS jeder bzw. jede Vierte, in den BHS sogar ein Drittel -, dann läuft hier etwas gewaltig schief. Aus diesem Grund haben wir als WKO mehr als drei Millionen Euro in ein Talentcenter investiert, das vor kurzem von der „International Chamber of Commerce“ als weltbeste Bildungsinitiative ausgezeichnet wurde. Jugendliche bekommen hier einen individuellen, von der Uni Graz aufbereiteten Talente-Report als Basis für die ideale Ausbildungswahl.

(Bild: WIFI Steiermark)

Die Politik hat das Thema Lehrlinge in den letzten Jahrzehnten nicht einmal marginal wahrgenommen. Was sagen Sie den Politikern?
Ich würde sagen, dem Thema hat man viel zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Denn die demografische Entwicklung war schon lange absehbar. Gab es Mitte der 70er-Jahre noch mehr als 22.000 Jugendliche im Altersjahrgang der 15-Jährigen, so sind es heute gerade einmal rund 11.000. Und die Jugendlichen von damals gehen in den kommenden Jahren in Pension. Sprich: Wir verlieren künftig jedes Jahr ein Arbeitskräftepotenzial von 11.000 Personen, wohlgemerkt allein in der Steiermark. Das entspricht in etwa der Einwohnerzahl von Weiz! Darum fordern wir von der künftigen Bundesregierung, dieses Thema ganz oben auf die politische Prioritätenliste zu setzen.

Maurer Oliver Pieber (Bild: Christian Jauschowetz)
Maurer Oliver Pieber

Stellen wir uns einmal Unternehmen ohne Lehrlinge vor. Wie würde dieses Szenario aussehen?
Wir wären nicht das erfolgreiche Land, das wir heute sind. Unser großer Standortvorteil sind die vielen engagierten und bestens qualifizierten Mitarbeiter. Nur durch dieses Zusammenspiel - nicht zuletzt auch mit unseren Forschungseinrichtungen und Hochschulen - ist es möglich, Produkte herzustellen, die dem Rest der Welt eine Nasenlänge voraus sind. Darum beneiden uns auch so viele um unser hervorragendes duales Ausbildungssystem. Nur wir selbst im Land wissen es oft zu wenig zu schätzen.

Was kostet eigentlich so eine Lehrlingsausbildung? Ich weiß, dass das bei einem Maler anders gerechnet werden muss als, sagen wir, bei einem Maschinenbauer. Aber so einen „Über-den-Daumen-Wert“ muss es ja geben.
Das Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft weist die durchschnittlichen Kosten für einen Auszubildenden zwischen knapp 20.000 Euro im ersten Lehrjahr und 26.500 Euro im dritten Lehrjahr aus. Demgegenüber steht natürlich auch eine entsprechende Leistung, und jede Investition ist zugleich eine in die Zukunft des eigenen Unternehmens.

„Chefs“ der Skills in Graz: Angelika Ledineg und Harald del Negro (Bild: Christian Jauschowetz)
„Chefs“ der Skills in Graz: Angelika Ledineg und Harald del Negro

Im nächsten Jahr gibt es die Euro Skills, die Berufs-Europameisterschaft, in Graz. Was sind Ihre Hoffnungen und Erwartungen?
Natürlich viele steirische Medaillen! Als Fan der ersten Stunde erhoffe ich mir aber vor allem auch nachhaltige Begeisterung. Es ist die große Chance, junge Menschen verstärkt für Bildung und Qualifizierung zu interessieren und zu begeistern, Leistungsanreize zu schaffen und Spitzenleistung zu fördern. Darum wird es während der Europameisterschaft auch die Gelegenheit geben, Berufsorientierung im Rahmen einer „Skills-Show“ auf eine einzigartige Art und Weise zu erleben. Und es ist die einmalige Gelegenheit, unser ausgezeichnetes duales Ausbildungssystem in ein internationales Schaufenster zu stellen.

Ein großer Aufwand. Lohnt sich das unterm Strich?
Davon bin ich überzeugt! Nicht nur wegen der bis zu 100.000 Besucher, die wir bei den Euro Skills erwarten, sondern auch wegen des enormen internationalen Werbewerts für Österreich als Ausbildungsland. Und wir wollen vor allem der Jugend zeigen, dass berufliche Leistung etwas Cooles ist.

Porträt von Gerhard Felbinger
Gerhard Felbinger
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