Neues Album „Duck“

Kaiser Chiefs: Nostalgie gegen die eigenen Dämonen

Musik
26.07.2019 07:00

Drei Jahre nach dem letzten Album „Stay Together“ melden sich die einstigen Indie-Lieblinge Kaiser Chiefs mit „Duck“ zurück. Darauf verarbeitet Frontmann Ricky Wilson seine persönlichen Probleme und singt über Familie, Liebe, Verlust und auch den Brexit. Ein musikalisch wie auch inhaltlich buntes Werk, das trotz aller Bemühungen aber etwas aus der Zeit gefallen ist.

(Bild: kmm)

Im Vergleich zur großen britischen Indie-Millenniumswelle waren die Kaiser Chiefs mit ihren ersten Hits schon etwas spät dran, aber das 2005 erschienene Debütalbum „Employment“ fuhr in Großbritannien sechsmal Platin ein, die Single-Auskoppelungen „Oh My God“, „I Predict A Riot“ und „Everyday I Love You Less And Less“ durften in keiner angesagten Indie-Disko fehlen. Zwei Jahre später entstand der Nachfolger „Yours Truly, Angry Mob“ und die halbballadeske Single „Ruby“ wurde zum Ohrwurm des Jahres und eroberte auch hierzulande die Charts. Die Kaiser Chiefs hatten damit einen Signature-Sound erschaffen, den sie so nie planten und mit dem sie so auch nicht in Verbindung gebracht werden wollten. Zwei Alben und einige Erfolge später entschloss sich Drummer und Hauptsongwriter Nick Hodgson Ende 2012 dazu, die Band zu verlassen, um fortan als Songwriter und für Plattenlabels zu arbeiten.

Weiter trotz Ausstieg
Anstatt sich im Selbstmitleid zu suhlen, entschieden sich Frontmann Ricky Wilson und Co. für eine Fortsetzung, nahmen die Zügel selbst in die Hand und schrieben 2014 mit „Education, Education, Education & War“ ein Album, das es zur Überraschung aller auf Platz eins der britischen Albumcharts schaffte. Zwei Jahre nach Hodgsons Ausstieg und eine erkleckliche Zeit nach dem großen Hype von ähnlich gearteten Bands wie den Arctic Monkey, Kasabian oder Razorlight, die über Jahre hinweg Szene und Charts dominierten. Im Gegensatz zu all den Genannten waren die Kaiser Chiefs aber immer so etwas wie die „netten kleinen Geschwister“. Die Songs einen Tick harmloser, keine öffentlichkeitsträchtigen Skandale oder Alkoholgelage und gemeinhin auch wenig wirklich große Albumerfolge. Die Kaiser Chiefs wurden eher mit ihren erfolgreichen Singles in Verbindung gesetzt, was dem Gesamterfolg natürlich keinen Abbruch tat.

Doch so leicht und locker wie es nach außen wirkte, ging Wilsons Leben über die Jahre nicht über die Bühne. Der heute 41-Jährige kämpft schon seit Jahren gegen massive Angstzustände und versuchte diese zeitweise in überbordendem Alkoholkonsum zu ertränken. Für Wilson wurde das Trinken zu einer Art Hobby und Versteckspiel. Wie weit konnte er gehen, ohne dass das Umfeld etwas davon bemerkt? Wie viel geht rein, ohne dass der Hauptjob als Rockstar und Sänger einer vor allem in UK immer noch populären Band darunter leidet? Als er 2015 als Gastjuror bei „The Voice“ auftrat, erlebt er einen schweren Schwindelanfall, der mit seinen Panikattacken zu tun hat. Das Alkoholproblem hat er nach einigen exzessiveren Jahren laut eigenem Bekunden ohne Therapie von außen in den Griff bekommen. „Ich sprach mit anderen, die eine Entzugsklinik besuchten“, erzählte er etwa dem „Guardian“, „das hat mir ausreichend dazu geholfen zu wissen, dass ich es lassen soll.“

Neue Band-Definition
Während auf den Konzertridern anno 2019 bei den Kaiser Chiefs kein Platz mehr für Bier oder Wein ist, hat die Kreativität gerade in den letzten Monaten überhandgenommen. Schon nach dem mediokren Vorgänger „Stay Together“ machten sich die Nordbriten ans Werk, so richtig Form nahm das dieser Tage erscheinende Album „Duck“ aber erst über die Zeit an. Entscheidend hierbei war der Opener „People Know How To Love One Another“. „Es macht mich unheimlich stolz, dass eine Band nach 15 Jahren so einen Song schreiben kann, der sie neu definiert“, freut sich Wilson voller Stolz, „wir sind nicht nur diese ,Ruby-Jungs‘. Ein Song wie dieser ist größer als die Band selbst und danach sucht doch jeder Künstler.“ Wo sich ebenjener Song vorwiegend um die Tücken und Probleme des immer näher rückend Brexit dreht, ist Wilson in anderen so persönlich und offen wie nie zuvor.

„Das Album ist sehr real ausgefallen. Ich beziehe mich immer auf Dinge, die aktuell in meinem Leben passieren. Für jemanden, der nach außen hin sehr stark in der Öffentlichkeit steht, führe ich ein sehr privates Leben.“ In Songs wie „Wait“, wo er sich auf persönliche Probleme besinnt und auch die Angstzustände streift, oder „Northern Holiday“ verpackt er geschickt persönliche Geschichten in einen allgemeinen Tenor. So gelingt Wilson der Spagat, öffentlich zu sein, ohne allzu tief in das Private blicken zu lassen. Liebe, Verlust, Trauer, Beziehungen, Hoffnungen, das Vatersein und warmherzige Nostalgie ziehen sich gleichbestimmend durch die elf Songkapitel, die auch die Tücken des Internetzeitalters („Record Collection“) oder verpönte Liebe („Target Market“) streifen. All das verpacken die Kaiser Chiefs in zumeist fröhlich klingende Up-Tempo-Nummern, denen es aber gerade auf Langstrecke an der nötigen Spannung und Einzigartigkeit fehlt.

Am Leben erhalten
Stellenweise kann sich das Quintett auf „Duck“ nicht ganz zwischen Northern Soul, altem Indie, Britpop-Anleihen und elektronischen, modernen Zugeständnissen entscheiden. Das wirkt auf Langstrecke etwas verfahren und bestätigt im Prinzip auch 14 Jahre nach dem Debüt die oft aufgestellte These, dass die Kaiser Chiefs eben doch eher eine Single- denn eine Albumband sind. Bei Songs wie „Target Market“ schielt die Band auch bewusst ein Stück in die 80er-Jahre, zu den eigenen Idolen zurück. Wilson war es wohl hauptsächlich wichtig, seine eigenen Dämonen in Schach zu halten und die Band durch sichere Fahrwasser zu führen, und dabei nur sanft an neuen Ufern anzustreifen. Den britischen Gitarrenpop halten die Kaiser Chiefs am Leben, in der Heimat wird es auch wieder für volle Hallen reichen. Für den Rest Europas dürfte aber zu viel Nostalgie und zu wenig Innovation vorhanden sein.

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