Kabinett Bierlein

Katias Kolumne: Geht Regieren auch ohne Politiker?

Österreich
05.06.2019 15:36

Nach den innenpolitisch turbulenten Wochen ist die Übergangsregierung mit Brigitte Bierlein an der Spitze nun komplett. Dass die frisch angelobten Minister mehrheitlich Spitzenbeamte statt Partei-Apparatschiks sind, hat einen Grund: Sie sollen unser Land die nächsten Monate unaufgeregt verwalten. Das klingt zwar unsexy, ist aber gerade jetzt grundvernünftig und lässt so manchen darüber sinnieren, ob man auch in Zukunft auf Experten statt auf Politiker setzen sollte. Braucht Politik Politiker? Oder geht es auch ohne?

„Ihnen, geschätzte Österreicherinnen und Österreicher, zu dienen“, sei das bei der Angelobung definierte Ziel der ersten Bundeskanzlerin Österreichs. Es ist die Zeit der schönen und salbungsvollen Worte, schließlich wolle man nach dem innenpolitischen Wirrsal wieder Ruhe und Sachlichkeit einkehren lassen. Und das ist unbestritten bitter nötig.

Das neue Kabinett rund um Bierlein ist deshalb und auch angesichts ihrer Möglichkeiten nun vor allem eines: eine bloße Verwaltungsregierung. Ziel wird sein, in der nächsten Zeit - bis eine neue Regierung steht - das Land mit aller gebotenen Gelassenheit zu administrieren. Und das hat freilich Vor- und Nachteile.

Verwalten statt regieren: Die kommenden Monate sind vergeudete Zeit
Staatsverändernde Beschlüsse und Entscheidungen sind von der interimistischen Experten-Regierung nicht zu erwarten. Was schade ist: Die kommenden Monate sind einmal mehr völlig vergeudete Zeit. Zeit, die eine handlungsfähige Regierung für das Fortkommen unseres Landes hätte nutzen können. Stattdessen erwarten uns Monate des Stillstands und des Wahlkampf-Hickhacks, die kaum jemandem etwas bringen, außer vielleicht den wahlwerbenden Parteien selbst. Und selbst das ist mehr als fraglich.

Dem ursprünglichen Sinn von Politik wird diese Regierung somit nicht gerecht. Politik soll vielmehr gestalten statt bloß verwalten. Stillstand hatten wir in der Vergangenheit schon zur Genüge.

… allerdings ist eine fade Politik gerade jetzt heilsam
Allerdings hat dieses Verwaltungskabinett auch etwas Charmantes an sich: So farblos und handlungsunfähig wie sie ist, kann sie auch kaum etwas falsch machen, wenn sie sich bloß ruhig verhält und ihre Vergänglichkeit anerkennt. Gerade in turbulenten Zeiten wie diesen kann eine fade Politik möglicherweise sogar heilsam sein. Die Zwangspause bietet Platz zum Durchatmen, Innehalten und Nachdenken, wohin unser Land steuern soll und was wir uns von der Politik und ihren Akteuren erwarten. Diese Überlegungen können keinem - auch unseren Politikern nicht - schaden.

Und trotzdem: So meditativ diese Politiker-lose Administrations-Regierung auch sein mag - eine reine Administrations-Regierung ist auf lange Sicht wenig erstrebenswert. Über kurz oder lang braucht es gerade in diesen global dynamischen Zeiten auch mutige Zukunftsentscheidungen, eine gestaltungswillige Regierung und eine demokratisch legitimierte Richtung, in die das Land steuern soll. Und dann, wenn möglich, bitte mit einer längeren Amtszeit als knappe eineinhalb Jahre.

Katia Wagner

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