Grabungen in Graz

Historiker suchen nach NS-Opfern auf Kasernen-Gelände

Österreich
10.03.2010 16:17
Auf dem Gelände der Grazer Belgier-Kaserne, die als ehemalige SS-Kaserne Wetzelsdorf gilt, werden die Leichen von bis zu 77 Personen, die von den Nazis gegen Ende des Krieges getötet wurden, vermutet. Darunter sollen sich auch zwei Allierten-Soldaten und zwei Widerstandskämpferinnen befinden, so das Ergebnis einer neuen Untersuchung. In der Kaserne soll es nun Ausgrabungen geben.

Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) präsentierte am Mittwoch die neuen Erkenntnisse. Die vermuteten Opfer sollen in der Endphase des Krieges im April 1945 hingerichtet worden sein. Dabei habe es sich allerdings nicht um Verbrechen in Folge des Chaos am Kriegsende, sondern um ein "systematisches Kriegsverbrechen mit aller Konsequenz" gehandelt, so der Historiker Dieter Binder, Vorsitzender der militärhistorischen Denkmalkommission.

Die Gauleitung selbst habe die Ermordungen befohlen. Es sei eine "Todesliste" mit Personen erstellt wurden, die "zu entfernen" gewesen seien. Diese seien nach ihrer Hinrichtung in Bombenkratern verscharrt worden. In den letzten Kriegstagen Ende April hätten die Täter versucht, das Verbrechen zu vertuschen. Die Leichen wurden exhumiert und am Feliferhof vergraben. Das Massengrab wurde später ausgehoben und die Überreste von 142 Opfern gefunden.

Vermutlich weitere Opfer auf Gelände begraben
Nun vermuten die Historiker, dass die in der Kaserne hingerichteten Personen nicht zur Gänze am Feliferhof vergraben wurden (im Bild das Forscherteam Georg Hoffmann und Nicole-Melanie Goll). Es sollen sich noch mehrere Leichen auf dem Kasernen-Gelände befinden. Zu den Opfern dürften unter anderem Widerstandskämpfer, Kriegsgefangene und ungarische Juden gehören. Letztere sind die große Unbekannte, da es keine genauen Daten über ihre Zahl gibt. Man weiß nur von einem Transport von 70 bis 150 Personen. Sollten ihre Überreste gefunden werde, werde daher eine Identifizierung kaum möglich sein. Sieben der gesuchten Opfer seien namentlich bekannt. Darunter sind zwei Alliierten-Soldaten, ein amerikanischer und ein britischer, sowie zwei weibliche Widerstandskämpferinnen.

Zwei Täter möglicherweise noch am Leben
Auf dem mittlerweile gesperrten Kasernen-Gelände sollen nun Ausgrabungen stattfinden. Daneben wird mit der Suche nach den Tätern begonnen. Zwei davon könnten theoretisch noch leben, sie wären allerdings über 90 Jahre alt. Ihre letzten Spuren führen nach Deutschland. 1948 habe es sogar einen Prozess wegen Verbrechen an US-Fliegern vor einem US-Militärgericht gegeben. Die neun tatverdächtigen SS-Männer seien allerdings freigekommen, weil die in der SS-Kaserne Wetzelsdorf gefangen gewesenen US-Soldaten überlebten. 

Das Justizministerium hat die Hinweise des Verteidigungsministeriums auf die zwei mutmaßlichen NS-Täter aufgegriffen. Eine Arbeitsgruppe, die bisher ungestraft gebliebene NS-Verbrechen ausforscht, wird sich mit diesem Fall beschäftigten. Man arbeite dabei mit der zentralen Forschungsstelle Nachkriegsjustiz zusammen, so eine Sprecherin.

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