Zikaden-Invasion

Millionen Glubschaugen starren aus Büschen

Wissenschaft
16.05.2004 15:41
Lautlos sind sie zu hunderttausenden aus ihren Erdlöchern gekrochen. Überall liegen leere Puppenhüllen herum. Es knirscht unter den Schuhsohlen. Wer in diesen Tagen in der US- Hauptstadt Washington und Umgebung in seinem Garten die Zierbüsche in Augenschein nimmt, wird aus zig blutroten Glubschaugen unverwandt angestarrt.
Die gefürchtete Zikaden-Invasion hat begonnen,die größte seit 17 Jahren, und die Einwohner richtensich je nach Gemütslage auf einen faszinierenden oder gruseligenFrühsommer ein.
 
"Guck mal, wie süß, der ist gerade erstgeboren", meint David (6) in Bethesda außerhalb von Washingtonverzückt und präsentiert stolz eines der gut zwei Zentimeterlangen Insekten auf der Hand. "Das ist ja gar nichts, wir habenin unserem Garten viel mehr, und ich habe drei in einem Glas eingefangen",protzt Liam (10).
 
Kinder freut's, Eltern sind genervt
Die Kinder sind fasziniert, die Eltern inspizierenjedoch schon mit böser Vorahnung ihre Terrassen. Wer seinenSonnenschirm öffnet, kann eine schaurige Überraschungerleben. Dutzende der gerillten braunen Hüllen fallen zuBoden. Daran hängen noch die Füße, grotesk inalle Richtungen gebogen.
 
Die Invasion kommt
Seit Wochen bereiten Insektenforscher die Einwohnerin der Osthälfte der USA auf die Zikaden-Invasion vor. DieInsekten mit dem typischen Zirpen lauer Sommerabende kommen injedem Jahr, doch schlägt in diesem Jahr die Stunde der zahlenmäßigbesonders großen "Brut X". Sie taucht nur alle 17 Jahreaus dem Erdreich auf. Das X steht für die römische Zahlzehn, nach einem System, das ein Agrarbeamter im 19. Jahrhunderteinführte.
 
1,5 Mio. Zikaden auf 4.000 Quadratmetern
Die Biologen rechnen mit bis zu 1,5 Millionen Zikadenauf 4.000 Quadratmetern. "Die tun keinem weh und richten eigentlichkeinen Schaden an", beschwichtigt Insektenforscher Ed Lewis vonder Hochschule in Virginia. "Ein seltenes und faszinierendes biologischesPhänomen." Die Zikaden wollen in ihrem zwei- bis vierwöchigenLeben eigentlich "nur das eine". Doch können sie mit ihremPaarungsritual den Menschen in dieser Zeit das Leben zur Höllemachen.
 
Abermillion-faches Zirpen
Besonders nervig ist das Zikaden-Männchen. Mitseinem Zirpen will es die Weibchen betören. Für Zuhörer,die seinem Charme nichts abgewinnen können, ist das ein Albtraum,vor allem, wenn es im Chor mit Abermillionen anderen die Stimmehebt. Wie die Geräuschkulisse in einem Science-Fiction-Thrillerklinge das, erzählen Leute, die die Zikaden-Invasion vor17 Jahren miterlebten.
 
17 Jahre unter der Erde
Auf manchen Büschen in den Washingtoner Vorortensitzen die Viecher schon zu hunderten und scheinen ihr kurzesLeben nach 17 Jahren unter der Erde noch gar nicht fassen zu können.Regungslos verharren die bläulich-schwarzen Körper,die roten Augen scheinbar starrend auf den Beobachter gerichtet.Die Glasflügel sind angelegt.
 
Doch wehe, wenn genügend Artgenossen zum Lebenerwacht sind. Dann schwirrt die Luft mit den Insekten, die vielvom Paaren, aber wenig vom Fliegen verstehen. Zusammenstößesind vorprogrammiert. Kenner der letzten Invasion haben sich bereitsmit Tennisschlägern und Fliegenklatschen gewappnet, um sichdie Viecher vom Leib zu halten.
 
Wenn die Weibchen ihre Eier einmal in Baumrindenabgelegt haben, ist das Leben der Zikaden zu Ende. Ein Weibchenlegt bis zu 400 Eier, aus denen in sechs Wochen die kleinen Puppenschlüpfen, zu Boden fallen und sich eingraben. Ihre Stundeschlägt im Jahr 2021.
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