Ministerin Kneissl:

US-Politik steigert Unsicherheit und stärkt China

Ausland
13.08.2018 11:45

Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) warnt vor Rechtsunsicherheit angesichts der Politik von US-Präsident Donald Trump. „Es geht letztlich um Rechtssicherheit. Da entstehen ja Unsicherheiten sonder Zahl“, sagte Kneissl bei einem Gespräch im Vorfeld des informellen EU-Außenministerrats Ende August in Wien, bei dem es auch um die transatlantischen Beziehungen gehen wird.

„Wenn wir uns da nicht an die Vereinbarungen halten, die wir geschaffen haben - ob jetzt ein Iran-Abkommen, ob eine WTO, ob bestimmte andere Regeln des Miteinander-Umgehens -, dann steigt die Unsicherheit“, sagte Kneissl. Die USA haben angedeutet, aus der Welthandelsorganisation (WTO) auszutreten, und haben das Iran-Atomabkommen im Mai aufgekündigt. Die erste Phase neuer Sanktionen ist nun in Kraft getreten, sie könnten auch europäische Unternehmen treffen.

Westliche Konzerne steigen aus, China steigt ein
Tatsache sei aber, dass dort, wo westliche Konzerne aussteigen, China einrücke. Als Beispiel nannte Kneissl das Erdgasprojekt South Pars, das der französische Energiekonzern Total ein paar Tage nach der US-Ankündigung zum Ausstieg aus dem Atomabkommen fallen ließ. „Das hab ich auch unseren US-Kollegen da und dort immer wieder versucht zu erklären: Die Sekundär-Sanktionen, der Druck, der auf europäische Unternehmen gemacht wird - das stärkt chinesische Konzerne.“

China füllt Vakuum auch in Südosteuropa
Aber nicht nur im Iran, auch in Südosteuropa füllt China nach Ansicht von Kneissl das „Vakuum“. „Man sollte auch auf europäischer Seite aufmerksam sein, inwieweit China nicht nur als Investor, sondern als politischer Akteur immer stärker tätig wird“, betonte sie. „Wir haben hier eine chinesische Involvierung in Infrastrukturprojekte, die gewaltig ist.“ Kneissl verwies auf die chinesische Strategie bei Häfen oder Brücken wie jener in Süddalmatien, die das kroatische Festland mit der Halbinsel Peljesac verbinden soll und für die sich auch die Strabag beworben hatte. Kneissl: Bei Nichtrückzahlung von Krediten erwirbt der chinesische Staat „im weitesten Sinne Eigentum an diesen Projekten“.

Angesichts dieser Einflussnahmen plädiert die Außenministerin für eine rasche EU-Erweiterung um Südosteuropa. Mit den diesbezüglich zurückhaltenden EU-Ländern spreche sie. Sie rufe ihren „französischen und niederländischen Kollegen in Erinnerung, dass es die Notwendigkeit gibt, zu handeln“, so Kneissl. „Ich sage, ja, ich verstehe eure Bedenken, ich verstehe eure Skepsis.“ Auch vor dem Hintergrund der Europawahlen im kommenden Frühling sei verständlich, dass „man jetzt nicht unbedingt antreten möchte mit der Idee: And by the way, wir holen noch mehr Länder hinein und Länder, die Empfänger für EU-Förderungen sind. Das ist verständlich und nachvollziehbar“, sagte Kneissl: „Aber mein großes Gegenargument ist: Achtung, da gibt es eine geopolitische Notwendigkeit.“

Mazedonien-Namensfrage innerstaatliche Angelegenheit
Ihrerseits Zurückhaltung legte Kneissl in Bezug auf die Mazedonien-Namensfrage an den Tag. Sie lobte die „couragierte Diplomatie“, den „Mut“ der Verhandler in dem 28 Jahre schwelenden Streit zwischen Mazedonien und dem EU-Staat Griechenland und verwies auf große Widerstände etwa vonseiten des mazedonischen Präsidenten Gjorge Ivanov oder in der nordgriechischen Provinz Makedonien. „Ich würde mich auch nicht in irgendeiner Weise einmischen, weil ich denke, das ist eine ausschließlich innerstaatliche Angelegenheit.“ Angesprochen auf die Mazedonien-Reise von Bundeskanzler Sebastian Kurz zur Unterstützung der Namenseinigung kurz vor dem Referendum sagte Kneissl zurückhaltend: „Mein Standpunkt ist, das ist eine absolut innerstaatliche Entscheidung.“

„Balkanisierung bedeutet Zerfall“
Nicht einmischen „in innerstaatliche Angelegenheiten“ wollte sich Kneissl auch im Hinblick auf die Idee des serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic bezüglich einer Abspaltung des serbischen Nordteils des Kosovo. Allgemein gesprochen meinte sie aber: „Was Territorialaufteilung anbelangt, da ist meine Haltung eine sehr, sehr vorsichtige, um nicht zu sagen, eine skeptische.“ Territorialfragen im weiten Stil neu aufzurollen, „würde wahrscheinlich sehr, sehr viel aufmachen“, so Kneissl, die darauf verwies, dass sie das Wort „Westbalkan“ meide. Denn: „Balkanisierung bedeutet Zerfall.“

Die sechs südosteuropäischen Außenminister sowie der türkische Amtskollege Melvüt Cavusoglu wurden zum Außenministertreffen nach Wien eingeladen. Das hatte Kneissl vorgeschlagen. „Wir haben versucht, uns mit ein paar Themen einzubringen. Das ist mir nicht in dem Maße gelungen, wie ich das vorgehabt hatte.“ Österreich habe nur die Gastgeberrolle im Ministerrat, den Vorsitz führe die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Kneissl habe unlängst vergeblich versucht, Mogherini zu erreichen. „Wenn man jetzt in Brüssel anruft: Es ist niemand da - das ist irre“, meinte sie, die nun selbst vor ihrer Hochzeit am 18. August ein paar Tage auf Urlaub, aber nach eigenen Angaben erreichbar ist.

Türkei-Politik basiert auf Regierungsübereinkommen
Zum Lob Cavusoglus - er hatte Kneissl als Freundin der Türkei bezeichnet und Kurz scharf kritisiert - sagte die Außenministerin: „Die österreichische Türkei-Politik basiert auf dem Regierungsübereinkommen. Das habe ich in all meinen Gesprächen mit Minister Cavusoglu kundgetan.“ Österreich habe kein Interesse an EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. „Das weiß die türkische Regierung, das weiß Cavusoglu. Was er sich wünscht: Das möge nicht ständig wiederholt werden von österreichischer Seite.“

„Pragmatisches Verhältnis“ mit Türkei
Sie jedenfalls sei dafür, ein „pragmatisches Verhältnis“ mit der Türkei zu pflegen. „Wir hatten zwei Jahre lang eher ein Verhältnis, übereinander zu reden, statt ein Miteinander-Reden.“ Es gebe bilateral „eine ganze Reihe von problematischen Themen“ sowie auch „eine Reihe von Themen, wo wir kooperieren können“. Kneissl nannte das geplante österreichisch-türkische Kulturjahr oder die Ausgrabungen von Ephesos. Zu den Problemfeldern zählte sie konsularische Fragen, bestimmte Sicherheitsthemen, die Imam-Ausbildung oder die Finanzierung von Moscheen und türkisch-muslimischen Gemeinden.

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