Neuropathien zählen zu den häufigsten Folgeerkrankungen von Diabetes. Um dauerhafte Schädigungen der Nerven zu vermeiden, ist es wichtig, die Zuckerkrankheit rechtzeitig zu behandeln.
Zucker kann „auf die Nerven gehen“! Etwa jeder dritte Diabetiker leidet an Brennen, Kribbeln, Empfindungsstörungen in Füßen, Beinen, Händen oder Armen. Symptome einer Nervenschädigung reichen von leichten Missempfindungen über Schmerzen bis zu Beeinträchtigung der inneren Organe oder Sehkraft. „Erste Anzeichen sind meist Sensibilitätsstörungen an den Füßen wie Taubheitsgefühl oder als hätte man Socken an“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Grisold, Ludwig Boltzmann Institut für Experimentelle und Klinische Traumatologie.
Verschiedene Ursachen
Bis jetzt konnten Forscher die Mechanismen, welche dazu führen, dass Diabetes die Nerven angreift, nicht vollständig klären. „Derzeit werden Schäden der Gefäßauskleidung und der kleinen Adern neben Stoffwechselstörungen für die wichtigsten Ursachen von Polyneuropathien gehalten“, so der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie. Faktoren wie erhöhte Blutzuckerwerte nehmen dabei einen zentralen Stellenwert ein.
Diese Hyperglykämien führen auf Dauer zu einer Reihe von Veränderungen in der Zusammensetzung der Eiweiße in Blut und Gewebe. Glukose bindet sich an die Proteine und stört deren Funktion. Ablagerungen an der Gefäßwand entstehen und verursachen Verdickungen sowie Verstopfungen der kleinen Blutgefäße an den Nerven. Dies hat eine Minderversorgung mit Sauerstoff und schließlich Schädigungen zur Folge. Je länger „Zucker“ unbehandelt bleibt, desto höher die Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung des Nervensystems. „30 bis 40 Prozent der Diabetiker zeigen Symptome“, so Prof. Grisold. In einigen Fällen treten Anzeichen einer Neuropathie sogar bereits vor der Diagnose der Stoffwechselerkrankungen auf.
Frühzeitig erkennen
Diabetische Neuropathie wird nach wie vor unterschätzt und häufig nicht erkannt. Unbehandelt schreitet die Nervenschädigung voran, oft begleitet von quälenden Schmerzen, aber auch Wunden an den Füßen durch verringerte Empfindlichkeit. Gerade die unteren Extremitäten erfordern Aufmerksamkeit. Einerseits finden sich hier erste Hinweise für das Vorliegen einer Neuropathie. Andererseits kann durch unbemerkte Verletzungen das gefürchtete diabetische Fußsyndrom (schlecht heilende Wunden) entstehen. Zur Diagnoseerstellung untersucht der Neurologe wichtige Funktionen wie Nervenleitgeschwindigkeit, Motorik, Reflexe und Sensibilität. Um Vibrations- sowie Druckempfinden an den Füßen zu prüfen, bedient er sich Mittel wie Stimmgabel oder Nylonfaden.
Wichtige Maßnahmen
Neuropathien sind nicht heilbar. Die Therapie erfolgt fächerübergreifend und zielt darauf ab, den Nervenschaden zu stabilisieren, weitere Verschlechterung zu verhindern, aber auch Beschwerden zu lindern sowie dem Patienten mehr Lebensqualität zu ermöglichen. „Die Blutzuckereinstellung ist immer noch die wichtigste Maßnahme“, erklärt Prof. Grisold. Fußspezialisten zählen zu den wesentlichen Beteiligten in der Behandlung. Wichtig bei Gefühlsstörungen: Beim Schuhwerk auf mögliche Druckstellen achten! Balance- und Koordinationsübungen helfen, das Gleichgewicht zu erhalten.
Medikamente sind in den meisten Fällen unvermeidbar. Bewährt haben sich Arzneien, die auch gegen Depression oder Epilepsie helfen, sowie opiathaltige Schmerzmittel. Dabei richtet sich die Wahl der Mittel nach den individuellen Besonderheiten des Patienten. Vitamin- oder Nährstoffmangel (Vitamin D, B) wird häufig im Zusammenhang mit Neuropathie diskutiert. „Eine Vitamin-Substitution, vorwiegend mit B-Komplex, ist eine gängige Praxis, für die es jedoch keinen wissenschaftlichen Hintergrund gibt“, so Prof. Grisold. Ein gesunder Lebensstil mit ausgewogener Ernährung und regelmäßiger Bewegung leistet hier ebenfalls einen großen Beitrag.
Verbesserte Therapiemethoden
Fortgeschrittene Neuropathien lassen sich meist nicht mehr vollständig rückgängig machen. Die Behandlung der Symptome wie Schmerzen, Schwäche und Bewegungsstörung ist aber in jedem Fall möglich. Große Fortschritte wurden mittlerweile nicht nur bei immunvermittelten Neuropathien (z. B. Guillain-Barré-Syndrom), sondern auch bei einigen genetischen, bisher unheilbaren Formen erzielt. Bei Verletzungen von peripheren Nerven beziehungsweise des Rückenmarks zeigen Stoßwellenbehandlungen oder künstliche Nervenleitschienen aus Seide für regenerierende Nerven vielversprechende Ergebnisse. Derzeit versuchen Forscher, die Anpassungsfähigkeit des Gehirns zu nutzen und zu verstärken, um Folgen von Nervenschädigungen auszugleichen.
Mag. Regina Modl, Kronen Zeitung
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