„Krone“ in Westafrika

Im Wüsteneinsatz mit dem Jagdkommando

Österreich
30.04.2018 15:31

An den Brennpunkten der Erde kommen sie zum Einsatz: die Elitesoldaten des Jagdkommandos. Die „Krone“ war mit ihnen in Burkina Faso, wo der Kampf gegen IS-Terror in Afrika trainiert wurde.

Wer kann, hat längst seine Ärmel hinuntergekrempelt. Den Kragen hochgeschlagen, die Kappe tief ins Gesicht gezogen zum Schutz vor der gnadenlosen Wüstensonne. Die Luft drückt knapp vor Mittag auf den verbrannten Boden der Dornensavanne von Burkina Faso, 43 Grad hat es im raren Schatten, staubige Dürre, versengtes Gebüsch.

Plötzlich Schüsse. Kugeln peitschen in den hochragenden Erdwall am Schießplatz des Camps Zagre, einer stadtgroßen Militärbasis am Rande des Landeszentrums Ouagadougou. Eine Salve nach der anderen wirbelt roten Staub auf, die Läufe der Kalaschnikows gehen heiß. „Très bien, très bien!“, ruft ein junger Jagdkommando-Soldat den burkinischen Soldaten zu. In fließendem Französisch geht er mit ihnen die Treffer auf den Schießscheiben durch, analysiert, erklärt die nächste Übung. „Zu 80 Prozent schießen die Soldaten hier gut. Viel besser als erwartet“, murmelt S. anerkennend. Sein Name soll, ebenso wie die seiner Kameraden, an dieser Stelle nicht genannt werden.

Seit einer Woche sind die Elitesoldaten aus Wiener Neustadt hier in Burkina Faso stationiert. 30 Mann, unter ihnen zwei Köche, zwei Chirurgen, Offiziere, sogar Schutzhund „Jack“ ist dabei, ein junger Belgischer Schäfer, der bis zum Kollaps über den Lehmboden hetzen würde, wenn ihn sein Hundeführer nicht rechtzeitig zurückrufen würde. Die Situation in dem kleinen Land ist düster. Von 188 Staaten liegt Burkina Faso im Entwicklungsindex auf Platz 185, Armut und Perspektivlosigkeit plagen die Bevölkerung. Und: Im Norden liegt Mali. „Afrikas Afghanistan“, wie der deutsche „Spiegel“ kürzlich titelte.

Flächenbrand durch „Sahel-Dschihadisten“
Dort tobt seit fünf Jahren ein Anti-Terror-Krieg zwischen französischen Truppen und islamistischen Extremisten, 102 Blauhelme sind bislang bei Gefechten getötet worden. Die „Sahel-Dschihadisten“ in Mali sind nicht nur gut ausgerüstet, sie sind auch gut ausgebildet und religiös fanatisiert. Und sie breiten sich aus. Sickern durch die ungesicherte Grenze in die Nachbarländer wie Niger, Algerien oder eben Burkina Faso. Erst am Wochenende gab es wieder einen Anschlag, sieben Franzosen wurden dabei teils schwerst verletzt.

Um einen Flächenbrand zu vermeiden, leistet Österreich hier militärische Entwicklungshilfe. „Unser Ziel ist es, die regulären Truppen hier im Anti-Terror-Kampf zu schulen“, erklärt Oberstleutnant Z. vor Ort im Gespräch mit der „Krone“. Der bullige Steirer ist der Kontingentskommandant der Österreicher im Camp Zagre, er zieht eine positive Zwischenbilanz. „Wir lehren ihnen hier im Zuge einer internationalen Übung das militärische Handwerk, wie wir es auch Rekruten daheim vermitteln würden. Nur unser Top-Know-how geben wir nicht weiter“, schmunzelt der Offizier.

Seine Männer haben sich unterdessen im Schatten niedergelassen. Ausbildungspause. Im Hintergrund fauchen zwei Feldküchen des Typs FKÜ 2000 im Dauerbetrieb, eine kocht Wasser ab, die andere erhitzt das Mittagessen. Es gibt Nudelsalat mit Gemüse.

Richtig gegessen wird erst am Abend, wenn die Temperaturen erträglicher sind. Koch G. ist 55 und zum sechsten Mal in Afrika. Penibelst achtet er auf die Hygiene in der Küche, vor allem das Wasser hier in der Region wird schnell zum Problem. „Bis jetzt habe ich noch alle ohne Magenprobleme heimgebracht“, sagt er stolz und deutet auf die Unterkunft der US-Amerikaner, keine 15 Meter entfernt. „Die kämpfen jetzt schon mit Durchfall.“

Flüchtlinge von hier erreichen Österreich
Dass sich Österreich gerade in Burkina Faso engagiert, hängt vor allem mit der Austrian Development Agency zusammen. Sie betreibt hier seit 1992 Entwicklungsprojekte, tatsächlich hat sich das Land in den vergangenen Jahren stabilisiert - bis die Situation in Mali aus dem Ruder lief. „Ohne Meerzugang, dafür mit einer langen, gefährlichen Grenze zu Mali - Burkina Faso hat es nicht leicht“, erklärt Mag. Günther Barnet, Afrika-Experte im Verteidigungsministerium. „Wir verzeichnen relativ viele Flüchtlinge aus der Region, etwa aus Nigeria. Sie kommen über die Westküste Afrikas, über Spanien und Italien bis nach Österreich.“

Für die jungen Soldaten des Jagdkommandos ist die Entsendung nach Afrika schlichtweg: Arbeit. Und das unter erschwerten Bedingungen. Neben Dehydrierung, Krankheiten und gefährlichen Tieren wie der Cameltoe-Spinne ist auch die Entfernung zur Familie ein Problem. „Die Teamkollegen werden zum Glück mit der Zeit zu Brüdern“, sagt Wachtmeister D., 24. „Und meine Freundin daheim weiß, dass sie damit leben muss.“ Der junge Oberösterreicher hat soeben seine Arktik-Ausbildung in Kanada absolviert. „Bei minus 40 Grad haben wir erfahren, dass es nach Afrika geht. 80 Grad Unterschied“, schmunzelt der Waffenspezialist.

Mit einer Patrouille der burkinischen Soldaten geht es am Nachmittag ins offene Feld. Ein „Call-out“ wird geübt, eine Ortskampf-Taktik aus dem Anti-Terror-Krieg in Afghanistan, bei der es keine Gewaltanwendung geben sollte. Es sieht nicht schlecht aus, als plötzlich doch Schüsse brechen. Gellender Lärm, Chaos, die Übung wird sofort abgebrochen.

„Der Koch ist der wichtigste Mann“
Die Sonne versinkt tiefrot hinter dem Camp Zagre, es gibt Surbraten mit Knödel und Kraut, danach Fruchtkuchen. „Der Koch ist der wichtigste Mann auf diesen Einsätzen“, ruft einer der Soldaten Richtung Feldküche.

Fünf Meter weiter entfettet der Vizeleutnant die Maschinengewehre, „Waffenöl und Sand vertragen sich nicht“, knurrt er. An einer mitgebrachten Klimmzugstange ziehen sich die beiden Schützen T. und F. in der Dunkelheit hoch, immer wieder, bis die Hände nachgeben. Und auch die Nachbesprechung mit den Burkinabis geht zu Ende. „Die Fehlerliste ist lang“, sagt Hauptmann F. „Aber deswegen sind wir ja da.“

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