Agrargemeinschaften

Zeitzeuge erzählt, wie der Grund an die Agrarier ging

Tirol
19.10.2009 10:21
In der Agrarfrage verhandeln unsere Politiker über Dinge, die lange vor ihrer Zeit geschahen. Hans Wurnitsch war als Landesbeamter in den 50ern und Anfang der 60er-Jahre dabei, als Gemeindegrund im großen Stil an Agrarier verschachert wurde – gedeckt von der Landespolitik.

Wenn Hans Wurnitsch (Bild) von seinem Haus in Schönberg ins Tal blickt, sieht er Autobahnraststätte, Mautstelle und Gewerbegebiet – allesamt errichtet auf Grund der Agrargemeinschaft, der früher einmal im Besitz der Gemeinde war. Dass dieser Grund es heute nicht mehr ist und dass der Gemeinde dadurch große Einnahmen durch die Lappen gehen, daran sind die "Regulierungen" der späten 50er- und frühen 60er-Jahre schuld.

Wurnitsch war damals als Gemeinderevisor dabei und schildert anhand des Beispiels der Gemeinde Tristach im Jahr 1954, wie das damals in der Regel abgelaufen ist: "Im Raum saßen zehn Gemeinderäte, davon neun Bauern, ein Förster aus Lienz und ich. Dann kam der Landesbeamte herein - jung, ehrgeizig, gehorsam. Seitenweise trug er aus dem Grundbuch vor und verlas jene Grundstücke, die fortan den Agrariern gehören sollten. Nach zwei Stunden verkündete er den mündlichen Bescheid, aus fertig. Widerspruch zwecklos! Der Förster war dagegen, sein Einspruch wurde in der Luft zerrissen."

Wurnitsch war als Revisor bei der Bezirkshauptmannschaft Lienz beauftragt, die Interessen der Gemeinden zu wahren. Doch das war gar nicht möglich: "Leitlinie des Landes war es nämlich, so viel Gemeindegut wie möglich den Bauern zu übertragen."

Wurnitsch sieht Schuld bei Landesbeamten
Mit den Regulierungsverfahren sollten die alten Nutzungsrechte der Bauern zementiert und vor fremden Zugriff geschützt werden. Den Bauern sei kein Vorwurf zu machen, betont Wurnitsch. "Wohl aber den Landesbeamten, die in vorauseilendem Gehorsam gehandelt und am liebsten noch das Schulhaus und die Kirche mitreguliert hätten."

Auch die Kronjuristen des Landhauses seien mitschuld an der verfahrenen Situation heute: Sie hätten es verabsäumt, die Eigentumsfrage für das Gemeindegut bis hinauf zum Höchstgericht abzuklären.

Gemeindegut mit alten Rechten belastet
Das Urteil des Verfassungsgerichtshofes sieht Wurnitsch mit Skepsis: "Jene Gemeinden, die sich aus der neugeschaffenen Rechtslage viel Geld und freie Hand über das Gemeindegut erwartet haben, werden wahrscheinlich enttäuscht sein: Denn das Gemeindegut bleibt nach wie vor mit dinglichen Rechten (Wald und Weide, Streunutzung, Schotterentnahme etc.) belastet. Ohne das Einverständnis der Nutzungsberechtigten geht gar nichts."

Wenigstens scheint allen klargeworden zu sein, dass man mit dem Gemeindegut nicht mehr schalten und walten kann wie man will...

von Philipp Neuner, Tiroler Krone

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