Generationswechsel

Guttenberg wird neuer Wirtschaftsminister

Ausland
10.02.2009 07:57
Mitten in der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise wechselt die große Koalition in Deutschland den Wirtschaftsminister aus. CSU-Chef Horst Seehofer hat am Montag in München den bisherigen CSU-Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg (Bild) als Nachfolger des amtsmüden Michael Glos vorgeschlagen, der bei CDU-Kanzlerin Angela Merkel am Montag offiziell sein Rücktrittsgesuch einreichte. In der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD hat jede Partei das Recht, ihre jeweiligen Bundesminister zu nominieren. Seehofer sagte, Guttenberg werde in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit "ein guter Anwalt der Wirtschaftsinteressen Deutschlands" sein. Er habe viele Fähigkeiten, die ihn für dieses Amt qualifizierten.

Der 37-jährige Guttenberg macht damit gut drei Monate nach seiner Ernennung zum Generalsekretär einen erneuten Karrieresprung. Seine ursprüngliche Aufgabe war es, die Partei nach der Schlappe bei der Landtagswahl zusammen mit Seehofer neu auszurichten.

Bekenntnis zu "klarem marktwirtschaftlichen Kurs"
Guttenberg ist sich der großen Herausforderung in seinem neuen Amt bewusst. Er werde mit Kraft, Zuversicht, Mut und der notwendigen Bodenhaftung die Aufgabe angehen, sagte er am Montag. Deutschland stecke in der größten Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre. Der 37-Jährige bekannte sich zu einem "klaren marktwirtschaftlichen Kurs". Die soziale Marktwirtschaft sei eine Grundfrage seines Denkens und "kein Mittelding zwischen Sozialismus und Liberalismus".

Ein Porträt von Karl-Theodor zu Guttenberg findest du in der Infobox.

Seehofer sagte, die Entscheidung für den Oberfranken heiße nicht, dass dieser zwingend auch nach der Bundestagswahl im Fall eines Siegs der Union im Amt bleibe. Guttenberg wies Medienberichte zurück, wonach er seine Einwilligung an die Bedingung einer Absicherung für die Zeit nach der Wahl geknüpft habe. "Wenn einem ein solches Amt angetragen wird, stellt man keine Bedingungen - um Himmels willen."

Nach Angaben Seehofers soll der 38 Jahre alte Bundestagsabgeordnete Alexander Dobrindt, bisher wirtschaftspolitischer Sprecher der CSU-Abgeordneten im Bundestag, Guttenberg als Generalsekretär nachfolgen. Als Vize-Generalsekretärin soll ihm die Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär zur Seite treten.

Scharfe Kritik von SPD und Opposition
Nichts Positives abgewinnen können dem Amtswechsel inmitten der Wirtschaftskrise SPD und die Opposition. SPD-Chef Franz Müntefering prangerte das Verhalten von CSU-Chef Seehofer an. "Im Grunde ist sein Verhalten wie das eines Zentralkomitees gegenüber dem Bundeskabinett", sagte er. Die CSU versuche, von München aus in die Arbeit der Bundesregierung einzugreifen. Außerdem hielt er der Union heuchlerisches Verhalten vor. Sie habe "mit Augenzwinkern" nach außen Glos für seine Arbeit belobigt, nach innen ihm aber über seinen Kopf hinweg "hinterrücks die Stuhlbeine abgesägt".

FDP-Chef Guido Westerwelle monierte, dass sich die Regierung "ausgerechnet in einer so schweren Wirtschaftskrise in diesem Schlüsselressort ein solches Durcheinander erlaubt, ist ein wirklich schlechtes Zeugnis." Und der stellvertretende Linken-Fraktionschef Klaus Ernst hielt Guttenberg vor, es gebe absolut nichts, was ihn zum Wirtschaftsminister qualifiziere.

Die Nominierung Guttenbergs offenbart nach Ansicht der Grünen eine "dramatische Kompetenzlücke" der CSU in der Wirtschaftspolitik. Einen Außenpolitiker zu berufen, zeige, dass Seehofer mit dem Rücken zur Wand gestanden habe, sagte die Vize-Fraktionschefin der Grünen, Christine Scheel. Es sei führungsschwach und verantwortungslos, dass Seehofer in der schweren Wirtschaftskrise keinen ausgewiesenen Fachmann für das Regierungsamt gefunden habe.

Einigung "in allerbestem Einvernehmen"
Seehofer hatte sich am Sonntagabend mit Glos und dem Berliner CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer in der Staatskanzlei in München getroffen. Glos sagte nach dem Treffen: "Es gibt eine sehr gute Lösung, die ich sehr gut mittragen kann". Namen nannte er nicht. Er werde Merkel am Montagmorgen bitten, ihn Bundespräsident Horst Köhler zur Entlassung vorzuschlagen.

Ramsauer sagte, es habe eine Einigung "in allerbestem Einvernehmen, völlig zielsicher" gegeben. Aus der CSU hieß es, mit einer Personalentscheidung zugunsten des 41 Jahre alten Fahrenschon wäre im Wahlkampf die Kontinuität mit dem 37-jährigen Generalsekretär Guttenberg in der Parteispitze gewahrt.

Glos hatte seinen Rücktritt überraschend am Samstag angeboten. Seehofer lehnte die Rückzugsbitte des Ministers zunächst ab. Am Sonntag einigten sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Seehofer jedoch darauf, Glos abzulösen. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, er wolle im Juni auch sein Amt als CSU-Bezirkschef in Unterfranken aufgeben.

Neben Fahrenschon und Guttenberg waren auch CSU-Schatzmeister Thomas Bauer und der bayerische Umweltminister Markus Söder als Glos-Nachfolger gehandelt worden. Ramsauer verzichtete auf die Nachfolge. Aufgrund seiner Position hätte er das erste Zugriffsrecht gehabt. Er nehme aber sein Versprechen bei der Wahl zum Landesgruppenvorsitzenden ernst und wolle für eine Wahlperiode im Amt bleiben, hieß es.

Zerrüttetes Verhältnis zu CSU-Chef Seehofer
Der 64-jährige Glos nannte am Samstag in einem Brief an Seehofer als Gründe für seinen Schritt sein Alter und seine persönliche Lebensplanung. Nach dpa-Informationen spielte auch das seit langem zerrüttete Verhältnis zu Seehofer eine Rolle. Glos sagte am Sonntagabend bei einem Auftritt vor Parteifreunden, sein Rücktrittsgesuch sei ein Beitrag, politisches Vertrauen in die CSU zurückzuerobern. Er werde alles tun, damit die Partei durch den Schritt keinen Schaden nehme.

Das Rücktrittsangebot begründete Glos in seinem Brief unter anderem damit, dass vor der Europawahl im Juni und der Bundestagswahl im September "Erneuerung, Gestaltungskraft und Glaubwürdigkeit" mehr gefragt seien denn je. Nach dpa-Informationen hatte Seehofer hinter dem Rücken von Glos bereits mögliche Nachfolger angesprochen. Dies habe das Fass bei dem Minister nach dreieinhalb Jahren im Kabinett zum Überlaufen gebracht, hieß es aus Unionskreisen.

Formal ist nicht der CSU-Chef, sondern die Bundeskanzlerin für die Zusammensetzung des Kabinetts verantwortlich. Die Praxis innerhalb der großen Koalition sieht aber so aus, dass jede Partei ihre Personalfragen selber klären kann. Von Merkel gab es bis zum späten Abend keinen offiziellen Kommentar.

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