Russen 'vorgewarnt'

“New York Times” plante große Story über Israilov

Österreich
02.02.2009 16:24
Die "New York Times" hat wenige Tage vor dem Polit-Mord an dem Tschetschenen Umar Israilov in Wien-Floridsdorf detaillierte Berichte über dessen Foltervorwürfe gegen den pro-russischen Tschetschenen-Präsidenten Ramsan Kadyrow geplant - und die russischen Behörden offenbar im Vorfeld darüber in Kenntnis gesetzt. Am 9. Jänner habe man im Büro des russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin wegen der Anschuldigungen um Interviews mit Beamten gebeten, berichtete die US-Zeitung am Wochenende. Vier Tage später - am 13. Jänner - wurde Israilov in Wien auf offener Straße erschossen.

Der in Wien lebende Tschetschene war demnach schon seit einem Jahr mit einem Reporter der "NY Times" in Kontakt, der über die Greueltaten des tschetschenischen Präsident Ramzan Kadyrow berichtet. Israilovs Lebensgeschichte sollte ein nicht unerheblicher Teil einer geplanten größeren Story über den Tschetschenen-Präsidenten werden.

Der 27-Jährige habe als Leibwächter Kadyrows Zugang zu Insider-Informationen erhalten und in diesem Zusammenhang außerordentliche, "erstmals formal vorliegende Vorwürfe" erhoben, berichtet die Zeitung. Israilov habe der Redaktion sogar Kopien der versiegelten Akten seiner gerichtlichen Beschwerden (die er beim Europäischen Menschengerichtshof einreichte, Anm.) überlassen.

Den "New York Times" erzählte Israilov, wie es zu vielen Gräueltaten wie Hinrichtungen und Misshandlungen durch Kadyrow und seine Männer gekommen war. Anschuldigungen, die der Tschetschene auch in Österreich vorgebracht hatte - und die man ihm hier nicht geglaubt hat. Nach dem Tod des 27-Jährigen hat sie seine Familie noch einmal vorgebracht (siehe Bericht des Vaters in der Infobox).

Elektroschocks und heißer Metallstab
Er sei vom jetzigen Präsidenten ins Gesicht geschlagen worden, Kadyrow habe auch mit einer Waffe auf seine Füße gefeuert, berichtete Israilov der "NY Times". Zudem sei er mit Elektroschocks und einem heißen Metallstab gequält worden, ihm wurde auch die Nase gebrochen. Ein weiterer Regierungs-Insider sowie ein anderes Folteropfer gaben gegenüber der "New York Times" an, die Misshandlungen Israilovs beobachtet zu haben.

Details berichtet die Zeitung auch über Israilovs Vergangenheit, der selbst eine komplexe Rolle gespielt habe: Der politische Flüchtling soll demnach im Alter von 13 Jahren die Leiche seiner Mutter nach einem russischen Artillerie-Beschuss in seinem Heimatdorf gefunden haben. Aus Rache habe er daraufhin die Guerilla-Kämpfer unterstützt und sich später dem Widerstand angeschlossen.

"Tod oder Dienst"
Nach Festnahmen und Folterungen durch Kadyrow sei Israilov vor die Wahl "Tod oder Dienst" in Kadyrows Leibwache gestellt worden. Dieser habe er dann gedient, bis er gegen frühere Freunde vorgehen hätte sollen. Zu diesem Zeitpunkt sei er mit seiner Frau mit einem gefälschtem Pass und dank Bestechungsgeldern geflüchtet. Danach sei der Vater festgenommen und ebenfalls gefoltert worden.

Per einem von Österreich abgelehnten Haftbefehl versuchte Russland Israilov zurück in die Heimat zu bekommen, so die "New York Times". Auch das ist in Österreich in der Zwischenzeit bekannt geworden - krone.at berichtete. Beschuldigt wurde er von den Russen dabei der Beteiligung bei einer Konvoi-Explosion und der zur Verfügungsstellung einer Waffe für ein Attentat auf ein Wahllokal. Israilov habe gegenüber der Times-Redaktion darauf beharrt, nie selbst Gewalttaten verübt zu haben. "In Österreich hat man ihm trotzdem den Polizeischutz verwehrt", schreibt die "NY Times".

Politiker wollten keinen Kommentar abgeben
Der Folter beschuldigt wird in dem Artikel neben Kadyrow auch Adam Delimkhanov, Mitglied des russischen Parlaments. Laut "New York Times" hätten beide Politiker Interviews für den Bericht abgelehnt. Ein Sprecher wies gegenüber dem Blatt die Anschuldigungen als "großangelegte und gezielte Kampagne" zur Diskreditierung Kadyrows und dessen Regierung zurück. Die Aussagen würden auf der "verschwörerischen Initiative einiger Terror-Ideologen und des bewaffneten kriminellen Untergrunds" basieren. "Die russische Botschaft in Wien gibt zu dem Fall keine Stellungnahme ab", hieß der Kommentar der dortigen Pressesprecherin.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele