Tijan S. in Haft

So geht es dem Casanova im Gefängnis

Österreich
18.10.2014 17:00
Als Heiratsschwindler mit 15 Frauen hat Tijan S. Schlagzeilen gemacht. Sein Anwalt hat den Gambier in der U-Haft besucht und erzählt SEINE Geschichte.

Im Wartezimmer seiner Kanzlei am Wiener Schottentor hängen Bilder von Micky Maus und Kokain. Es ist Freitagnachmittag, und noch immer warten Klienten darauf, von "Rast" empfangen zu werden. "Ich bin für alle nur Rast, kein Mister, kein Niki, gar nichts. Das passt zum Pidgin-Englisch, das die meisten meiner Mandanten sprechen." Der Anwalt, sehr gefragt bei Asylproblemen, kommt direkt vom Landesgericht in der Josefstadt zu unserem Termin. Vor ihm liegen Fotos von Tijan S. - mit Baby, mit Freundin, mit Familie, mit Richard Lugner. Nikolaus Rast hat ein Händchen für spektakuläre Fälle (er hat auch jenen Afrikaner vertreten, der von Wiener Polizisten misshandelt wurde).

Rast hat Tijan gerade in U-Haft besucht, ihm einige Fragen gestellt, die wir ihm gerne persönlich gestellt hätten. Der 28-jährige Gambier steht im Verdacht, 15 (!) Beziehungen in vier Jahren gehabt zu haben - mit drei Frauen soll er, getarnt mit drei verschiedenen Identitäten, verheiratet gewesen sein, es ist von zwei Kindern und zwei Schwangerschaften die Rede. Und von 38.000 Euro, die er seinen Opfern herausgelockt haben soll. Im "Krone"-Interview lässt Nikolaus Rast tief in die Praktiken bei Asylverfahren blicken – und ein bisschen auch in Tijans Seele...

"Krone": Wie lange kennen Sie Tijan S. schon?
Rast: Er kam 2005 zu mir, nachdem er allein aus Gambia nach Österreich gekommen war. Wir haben einen Asylantrag gestellt.

"Krone": Hat man als Gambier Chancen, Asylstatus zu bekommen?
Rast: Ja, hat man. Bei Tijan war das Argument politische Verfolgung. Rebellen haben versucht, ihn zu töten.

"Krone": Aber der Antrag wurde abgelehnt.
Rast: Das ist richtig. Deshalb habe ich für ihn 2006 berufen. Am 10. Oktober 2014 - das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen! - wurde meiner Beschwerde stattgegeben. Also nach acht Jahren. Davon konnte ich ihm noch gar nichts erzählen.

"Krone": Sie waren heute bei ihm in der U-Haft. Wie geht es "Casanova" im Gefängnis?
Rast: Sie wissen, dass man dort nur durch eine Glasscheibe sprechen kann. Natürlich geht es ihm nicht gut. Er wollte ja keine der Frauen ausnützen, und jetzt sind sie ihm egal. Überhaupt nicht.

"Krone": Klar, dass Sie das als Anwalt sagen, aber die Vorwürfe sind doch sehr schwerwiegend. Was war Ihr erster Gedanke, als Sie das in der Zeitung gelesen haben?
Rast: Erst hab ich mir gedacht: Wow! Das muss man erst einmal zusammenbringen. Aber dann kam mir das etwas viel vor. Sie müssen 15 Frauen ja auch zeitlich unterbringen. Ich hab ihn das natürlich gefragt. Tijan sagt, dass er drei Beziehungen gleichzeitig hat. Was auch schon eine gute Leistung ist. Eine Freundin ist schwanger. Und es gibt eine Ex-Frau, mit der er ein Kind hat. Das ist es.

"Krone": Und eine Ehefrau in Gambia...
Rast: Das ist eine falsche Information. Es wäre auch ungewöhnlich, mit 18 zu flüchten, wenn man verheiratet ist. Obwohl Lügen bei Asylverfahren an der Tagesordnung stehen. Die meisten kommen ja mit Schleppern, und die reden ihnen dann alles Mögliche ein. Sag ja nicht, dass du verheiratet bist! Sag, dass du nicht aus Nigeria kommst, sondern aus Sierra Leone. Und so weiter.

"Krone": Festgenommen wurde Tijan S., weil er Frauen Geld herausgelockt, einen Ring und einen Laptop gestohlen haben soll und sich mit fremden E-Cards behandeln ließ.
Rast: Das kann auch ein Zusammenspiel unglücklicher Umstände sein. Er hat keiner Frau versprochen, sie zu heiraten. Im Gegenteil: Er hat gesagt, dass er nach seiner Scheidung Zeit braucht. Er hat auch keine Frau um Geld betrogen. Er hat mir erzählt, dass eine seiner Freundinnen einen Kredit aufnehmen wollte, um ein Haus mit ihm zu kaufen. Er war der, der sie gebremst hat. Was die E-Card betrifft, so ist das unter Asylwerbern nichts Ungewöhnliches. Was sollen sie machen, wenn sie keine Versicherung haben und krank werden?

"Krone": Aber es ist Sozialbetrug.
Rast: Ja, und natürlich ist es nicht in Ordnung. Aber auf der anderen Seite verständlich, sosehr ich es natürlich nicht billige.

"Krone": Wie erklären Sie sich dann die Ehen, die da im Raum stehen?
Rast: Es ist durchaus möglich, dass die Damen geglaubt haben, er wolle sie heiraten. Einfach selektive Wahrnehmung. Man bildet sich etwas ein, das der andere nie gesagt hat. Ich bin zweimal geschieden. Ich weiß, wovon ich spreche! Und wenn dann zwei Damen draufkommen, dass sie nicht die einzigen sind, kann Liebe schnell in Hass umschlagen.

"Krone": Heiratsschwindel setzt aber auch Betrug voraus.
Rast: Tijan passt auch nicht ins Schema eines Heiratsschwindlers, gar nicht sogar. Denn die locken in der Regel viel größere Beträge heraus. Und machen mit möglichst wenig Frauen möglichst viel Geld. Bei 15 steigere ich ja mein Risiko ins Unermessliche. Er ist einfach ein lebensfroher, fröhlicher, lustiger junger Mann. Einer, dem die Herzen zufliegen.

"Krone": Einer, der mehrere Identitäten hatte?
Rast: Er bestreitet das. Alle Frauen kannten ihn unter seinem Namen. Wobei Asylwerber immer Aliasnamen haben. Ich habe schon vertreten: Sylvester Stallone, Prinz Charles und Micky Maus.

"Krone": Was fürchtet Ihr Mandant jetzt?
Rast: Dass die U-Haft lange dauert. Dass er vielleicht zu Unrecht verurteilt wird. Er will schließlich nur ein friedliches Leben führen. Nicht in Saus und Braus, einfach nur in Sicherheit.

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