Im Ausweichquartier

ÖVP blockiert SPÖ-Vorschlag zur Mietrechtsreform

Österreich
20.09.2017 20:38

Der Wahlkampf hat wie erwartet die erste Sitzung des Nationalrats im Ausweichquartier in der Hofburg dominiert. Zwar gab es mit der Verländerung der Wohnbauförderung auch einen größeren Gesetzesbeschluss, in den Reden wurde jedoch mehr für eigene Anträge geworben. Die Reform des Mietrechts ist für diese Legislaturperiode endgültig zu Grabe getragen. Die SPÖ wagte am Mittwoch einen letzten Versuch, ihren Vorschlag für ein Universalmietrecht mittels Fristsetzungsantrag noch vor der Nationalratswahl auf die Tagesordnung zu bringen. Von ÖVP, NEOS und FPÖ wurde dies aber abgelehnt.

Es war das erste Mal seit 1918, dass außerhalb des Parlamentsgebäudes am Ring getagt wurde, da dieses derzeit saniert wird. Nationalratspräsidentin Doris Bures hatte schon zu Beginn damit gerechnet, dass der bevorstehende Wahltermin die Sitzung beeinflussen würde. Sie merkte an, dass Diskussionen vor einem Urnengang oft hitziger seien. Es sei aber das Wesen der Demokratie, dass um die besten Lösungen auch hart gerungen werden müsse.

ÖVP schmettert Mietrechtsreform ab
Für die von der SPÖ angestrebte Reform des Mietrechts wurde von den SP-Abgeordneten Ruth Becher und Katharina Kucharowits plädiert. Wohnen drohe zum Luxusgut zu werden, Mieten müssten auf eine Basismiete von 5,5 Euro pro Quadratmeter mit gesetzlich festgelegten Zu- und Abschlägen gesenkt werden. Weiters brauche es eine Widmungskategorie sozialer Wohnbau sowie eine Zweitwohnsitz- und Leerstandsabgabe.

Auf ÖVP-Seite wurde dies abgelehnt, denn der Vorschlag sei investitionshemmend, argumentierte der VP-Abgeordnete Johann Singer. Die FPÖ charakterisierte die SPÖ-Initiative als unausgegoren, und die NEOS vermuteten, dass die Sozialdemokraten für ihre Verfehlungen im Sozialbereich die Privatanbieter büßen lassen wollten.

Grüne: "SPÖ hat zu lange gewartet"
Unterstützung kam nur von den Grünen, die der SPÖ aber vorhielten, mit ihrem Vorstoß zu lange gewartet zu haben. Für die Zukunft könne man eine Reform wohl abhaken, meinte der grüne Klubchef Albert Steinhauser - habe ÖVP-Chef Sebastian Kurz doch auffällig viele Firmen aus der Immobilienbranche auf seiner Spenderliste.

SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder warb außerdem für einen Antrag zur Angleichung der Rechte von Angestellten und Arbeitern, da es hier eine massive Gerechtigkeitslücke gebe. Da die ÖVP dieses Thema ebenfalls in ihrem Wahlprogramm habe, dürfte aus Schieders Sicht nichts dagegen sprechen, den Antrag umzusetzen.

FPÖ: "Direkte Demokratie statt CETA- und TTIP-Diktate"
Die FPÖ bekräftigte in der Aktuellen Stunde ihre Forderung nach Einführung einer Volksgesetzgebung als Ergänzung zur repräsentativen Demokratie. Im Mittelpunkt der Debatte stand gemäß dem von der FPÖ gewählten Thema "Direkte Demokratie und Selbstbestimmung statt CETA- und TTIP-Diktate" das EU-Freihandelsabkommen mit Kanada, CETA, das am Donnerstag in weiten Teilen vorläufig in Kraft treten wird.

Bundeskanzler Christian Kern kündigte an, CETA dem Parlament bis auf Weiteres nicht zur Ratifizierung vorzulegen. Damit stelle man sicher, dass die umstrittenen Sonderklagsrechte für Unternehmen keine Geltung erlangen. Das Projekt ganz zu stoppen, hält Kern nicht für sinnvoll: Es sei wichtig, dass Europa in Sachen Welthandel nicht den USA und China das Feld überlässt. Ausdrücklich für eine Ratifizierung von CETA sprachen sich erneut ÖVP und NEOS aus. Es wären vor allem kleine und mittlere Unternehmen und nicht große Konzerne, die von CETA profitieren würden, waren sich Kathrin Nachbaur (ÖVP) und Nikolaus Scherak (NEOS) einig.

Giftige Glyphosat-Debatte zwischen ÖVP und Grünen
Die Grünen wählten weiters das Thema Glyphosat. Wie Umweltsprecherin Christiane Brunner ausführte, dränge die Sache, wolle die EU doch die Zulassung von Glyphosat um weitere zehn Jahre verlängern. Dass die Grünen dagegen sind, argumentierte Brunner plakativ: "Glyphosat ist ein Gift, das landet auf unserem Teller und in unserem Wasser." Für Wasserlebewesen sei das Pestizid tödlich, für Menschen wahrscheinlich krebserregend. Auch SPÖ und FPÖ zeigten sich skeptisch, was eine verlängerte Zulassung betrifft.

Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) beschwichtigte, indem er versicherte, dass die Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) dem aktuellen Verlängerungsvorschlag nicht zustimmen werde, weil die österreichischen Forderungen nicht berücksichtigt seien. Die Versorgung mit hochwertigen Lebensmitteln sei jedenfalls gewährleistet. Dass die Grünen das Thema hochzögen, sei dem Wahlkampf geschuldet. Es werde versucht, mit einem sehr sensiblen Thema die Menschen zu verunsichern.

Grüne: Zu viele "Löcher" im österreichischen Parteiengesetz
Die Grünen brachten auch das Thema Parteienfinanzierung in den Nationalrat. In einem Dringlichen Antrag verlangen sie von Bundeskanzler Kern neue Regelungen zu finden, die unter anderem ein Verbot von Unternehmensspenden vorsehen. Ferner will man eine absolute Parteispendenobergrenze für natürliche und juristische Personen in der Höhe von 10.000 Euro pro Jahr.

Dazu wünschen sich die Grünen eine direkte Prüf- und Einsichtsmöglichkeit durch den Rechnungshof, die strafrechtliche Sanktionierung von Verstößen sowie die Schließung aller Schlupflöcher für parteinahe Organisationen. Die Beseitigung von Umgehungsmöglichkeiten durch Sachspenden soll ebenfalls angegangen werden. "Das österreichische Parteiengesetz hat mehr Löcher als die Bremsscheibe eines KTM-Motorrads", so Klubchef Albert Steinhauser. Der Rechnungshof solle daher Einblick in die Kassen der Parteien und Vorfeldorganisationen erhalten.

Vom Tanzsaal zum Ausweichquartier des Nationalrats
Drei Jahre wird der Redoutensaal während des Umbaus des Parlamentsgebäudes für die Abgeordneten als Ausweichquartier dienen. Ein historischer Ort, wie Bures bei ihrer Eingangsrede befand. Schließlich hätten doch hier etwa Jimmy Carter und Leonid Breschnew den berühmten Abrüstungsvertrag SALT II unterzeichnet.

Ursprünglich war der in seiner Urform 1631 erbaute Saal freilich der leichteren Muse gewidmet. Zunächst diente er als Tanzsaal, später nach einem feuerbedingten Wiederaufbau etwa als Aufführungsort für Opern.

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