Frequency - Tag 2

Von Punks in Polos und opernhaften Stimmlagen

Musik
17.08.2013 03:02
Stilistische Vielfalt wurde am zweiten Frequency-Tag großgeschrieben. Auf der Space Stage tummelten sich am Freitag bei bestem Festival-Wetter Punk-Rock-Ikonen, zukunftsträchtige Indie-Rocker, emporsteigende Rapper und wuchtig beschallende Heavy-Metaller. Spiel, Spaß und Spannung für das gesamte Publikum.
(Bild: kmm)

"Wir sind alle hier, um gemeinsam die Musik zu genießen" – besser als Awolnation-Sänger Aaron Bruno hätte niemand den zweiten Tag des Frequency-Festivals beschreiben können. Bei Kaiserwetter eröffnete die Hamburger Pop-Band Tonbandgerät den dicht besetzten Veranstaltungsreigen, der im neuseeländischen Musiker Willy Moon schon am frühen Nachmittag ein erstes Highlight fand. Mit seinem eher klassisch angehauchten Rock-'n'-Roll und einem fein dargebotenen Screamin'-Jay-Hawkins-Cover ("I Put A Spell On A You") konnte er bei seiner Festival-Vorstellungsrunde zumindest einen Achtungserfolg verbuchen.

Melodische Punk-Rock-Hymnen
Für die ersten größeren Begeisterungsstürme auf der Space Stage sorgten die amerikanischen Punk-Rock-Heroen Pennywise, die mit ihrem Slot am frühen Nachmittag etwas verheizt wurden. Bei glänzendem Sonnenschein entfalteten kultige Partyhymnen wie "Fuck Authority", "My Own Way" oder "Alien" eine noch größere Wirkung. Gut bei Stimme war auch der wieder integrierte Ur-Sänger Jim Lindberg und mit der abschließenden, dem 1996 verstorbenen Bassisten Jason Thirsk gewidmeten "Bro Hymn" hatten sie die feierwütige Meute vor der Bühne endgültig im Griff. Die "Who-ho-ho"-Gesangslinie tönte noch minutenlang über das Gelände. Ein schönes Geschenk zum 25-jährigen Bandjubiläum.

Ebenfalls etwas früh besetzt wurden die Indie-Rocker Imagine Dragons aus Las Vegas, welche nicht zuletzt durch regelmäßiges Radio-Airplay bereits eine große Nummer in Österreich sind. Sänger Dan Reynolds und Co. bewiesen dabei auch ihre Festival-Tauglichkeit und hatten sichtlich Spaß mit der Publikums-Interaktion. Die Hit-Singles "It's Time" und "Radioactive" kombinierten hervorragend mit der Sommersonne und der allgemein guten Stimmung vor der Bühne. Sänger Reynolds freute sich über den guten Publikumszuspruch und genoss das Bad in der jubelnden Menge. Die partiell einfließenden Hip-Hop-Einsprengsel im Imagine-Dragons-Soundkosmos sorgten zusätzlich für nötige Abwechslung.

Mann ohne Grenzen
Was sich schon längst herumgesprochen hat, wurde beim Frequency einmal mehr eindrucksvoll bestätigt: Awolnation sind über den Geheimtipp-Status hinausgekommen. Obwohl Frontmann Aaron Bruno und seine wechselnde Belegschaft seit gut drei Jahren quasi ausschließlich mit Material des ersten und bislang einzigen Albums "Megalithic Symphony" durch die Welt tourt, sieht und fühlt man noch keine Abnützungserscheinungen. Der surfende Blondschopf mengte seinen stilistisch kaum kategorisierbaren Hits "Guilty Filthy Soul", "Not Your Fault" oder "Kill Your Heroes" auch eine subtile Portion Humor bei. Mit "Thiskidsnotalright" gab es auch eine brandneue Nummer zu bestaunen, das ausgedehnte "Some Kind Of Joke" und der Chartshit "Sail" brachten die Fans zum Rotieren und verstaubten das Gelände.

Der nachfolgende Gig von Fall Out Boy hatte dann fast etwas Exklusives, schließlich hat sich die Alternative-Pop-Combo nach dreijähriger Pause erst zu Jahresbeginn wiedervereint. Dementsprechend feuerten die Amerikaner auch massig Material ihres aktuellen Albums "Save Rock And Roll" in die Menge. Dies wurde Sänger Patrick Stump und Co. mit frenetischem Beifall und viel Bewegungsdrang im Wavebreaker gedankt. Witz, Verve und Esprit vermischten sich mit leichtfüßigen Pop-Punk-Hymnen – die Band hat sich mit einem starken Statement im Geschäft zurückgemeldet.

Bescheidener Beginn
Kurz darauf hieß es "Bühne frei" für den derzeit wohl populärsten Rapper der Gegenwartskultur, Casper. Vom Ende September erscheinenden Album "Hinterland" hielt der 30-Jährige bei seinem Frequency-Gig aber bewusst Abstand – die neuen Songs, inklusive der bereits veröffentlichten Single "Im Ascheregen", wird er erst auf seiner Clubtour im Herbst präsentieren. Mit Songs aus seinem Durchbruchsalbum "XOXO" lässt sich aber auch eine exzellente Stimmung basteln und so überzeugten die rauen Beats und nachdenklichen Texte des einzigen Hip-Hop-Acts auf der Space Stage vollends.

Zudem ließ sich Casper für das in Scharen angelaufene österreichische Publikum auch so manche Überraschung parat. So holte er für den Song "XOXO" den erst wenige Stunden zuvor auf den Green Stage rockenden Thees Uhlmann auf die Bühne, zum Abschluss des fulminanten Sets wagte er sich sogar an den Oasis-Hit "Don't Look Back In Anger". Dazwischen animierte er die Massen zu rüden Gesten ("Mittelfinger hoch") und bedankte sich sichtlich ergriffen vom hohen Zuspruch. Benjamin Griffey, so sein bürgerlicher Name, ist endgültig in der rappenden Champions League angekommen.

Wenn die Rebellion ergraut
Ist man mit Polohemd noch Punk? Die Antwort lautet ja, wenn man ihn denn im Herzen trägt, so wie das bei Bad-Religion-Sänger Greg Graffin der Fall ist. Dieser ist mittlerweile in Würde ergraut, trägt inmitten eine Spiegelglatze und erinnert etwas an eine Mischung aus Tenacious-D-Hälfte Kyle Gass und ex-Tennisprofi John McEnroe. Als Co-Headliner auf der Frequency-Space-Stage war die Punk-Rock-Kultband trotzdem fehlbesetzt, denn nach dem abgefeierten Auftritt von Casper tat sich die Altherrenriege erwartet schwer.

Aus einer mehr als 30 Jahre langen Diskografie ließ sich auch dementsprechend viel zitieren. Frontmann Graffin schmetterte die sozialkritischen und teils hochpolitischen Texte ähnlich konsequent wie in jungen Rebellenjahren aus dem Äther. "True North", "I Want To Conquer The World", "21st Century (Digital Boy)" oder das prägnante "Fuck You" zeitigten nicht nur eine musikalisch-perfide Mischung aus Alt und Neu, sondern versprühen noch immer einen markanten Duft der Establishment-Widrigkeit. Graffins Stimmbild ist unverändert kräftig und melodisch, die simplen, aber eingängigen Gitarrenriffs riefen längst vergessene Zeiten aus Punk-Rock- und Grunge-Hochzeiten hervor. Zudem erwiesen sich "American Jesus" und der "Punk Rock Song" als unsterbliche All-Time-Klassiker. Möglicherweise war das Publikum auch etwas zu jung für die flott-rhythmische Geschichtsstunde.

Nova Rock am Frequency
Zum Abschluss wurde das Frequency-Gelände von der Space Stage mit den härtesten Klängen des Festivals beschallt. Die kalifornischen Nu-Metal-Urgesteine System Of A Down hätten soundtechnisch weitaus besser zum Nova Rock gepasst, fungierten aber mit ihren durchwegs aggressiven und auch dissonanten Stücken als idealer Tagesrausschmeißer. Zudem erwischten die Kalifornier den bislang besten Sound der Veranstaltung. Die 23 Songs starke Setlist war fast ausschließlich mit Hits bestückt, schließlich haben die US-Metaller Anfang der Nullerjahre den härteren Sektor beherrscht.

Dass "Toxicity" auch zwölf Jahre nach seiner Erscheinung noch der Qualitätsmaßstab der Band ist, zeigte nicht zuletzt die reichhaltige Auswahl an Songs aus dem Erfolgsalbum. "Aerials", "Prison Song", "Psycho" und vor allem der Smash-Hit "Chop Suey!" wirken noch nach mehr als einer Dekade frisch und unverbraucht. Über alle Zweifel erhaben sind neben den instrumentalen Fähigkeiten, die mehrere Tonlagen beherrschende Stimme von Sänger Serj Tankian, der sich mal bissig-aggressiv, mal aber auch opernhaft-gediegen präsentierte. Das hervorragend exerzierte Wechselspiel zwischen pfeilschnellen Metal-Riffs und akustisch-folkloristischen Interludien sucht noch immer seinesgleichen. Jetzt wird es aber Zeit mit einem neuen Studioalbum!

Top-Programm am Abschlusstag
Am letzten Tag fährt das Frequency-Festival noch einmal seine Krallen aus. Auf der Space Stage wird es neben dem britischen Wunderkind Jake Bugg, den rockenden The Gaslight Anthem, Kultband Skunk Anansie und den Kanadiern von Billy Talent auch noch ein knapp zweistündiges Set der Toten Hosen zu bestaunen geben. Die undankbare Aufgabe, gleichzeitig mit Campino und Co. auf der Green Stage zu spielen, fällt Nick Cave & The Bad Seeds“ zu. Bereits davor kämpfen James Blake, Hurts und Tricky um Beifallsstürme.

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