CD-Rezension

Beck beschwört die Geister der Hippie-Ära

Musik
04.03.2014 08:00
Beck Hansen gehört zu den populärsten Musikerin im Indie-Bereich und hat seine Fans schon mehrfach auf irrwitzige Reisen in die musikalische Vielfältigkeit mitgenommen. Mit "Morning Phase" meldet sich der Amerikaner nach sechs Jahren Abwesenheit wieder zurück und ruft dabei die Geister der Spät-60er-Jahre.
(Bild: kmm)

"I'm A Loser Baby, So Why Don't You Kill Me?" – die Textzeile aus Becks fraglos größtem Hit "Loser" katapultierte den damals 22-Jährigen kurzerhand in den Musikhimmel und diente als Hymne für die Generation Kurt Cobain, die neben exzessivem Genuss von Grunge-Klängen gerne depressiv durchs Leben schlenderte und sich nicht mit Yuppie- und Wohlstands-Dogmen anfreunden konnte. Wie ein Fluch verfolgt dieser frühe Hit den Künstler noch heute.

Radikale Kehrtwende
Gut 20 Jahre und zehn Alben später ist der smarte und scheue US-Amerikaner nicht nur an Jahren gealtert. Spätestens mit dem 2002er-Werk "Sea Change" hat der Sohn des legendären Komponisten David Campbell eine persönliche Kehrtwende gemacht, sich von den stets einbezogenen Hip-Hop-Zitaten gelöst und ein emotionales, in sich ruhendes Werk gefertigt, mit dem er das Ende seiner langjährigen Beziehung mit Leigh Limon betrauerte. Den Fans gefiel es nach anfänglicher Distanzierung gut, den Kritikern gar hervorragend.

Nach "Modern Guilt" 2008 beschloss der exzentrische Musiker, keine Alben mehr zu veröffentlichen. Doch man sollte nicht die Hand beißen, die einen füttert, und ein Künstler seines Kalibers kann trotz Branchenkrise im physischen Produktbereich noch auf eine angemessene Verkaufsstatistik bauen. Umso überraschender mutet es angesichts seiner nicht eingehaltenen Vorsätze ein, dass "Morning Phase" ein frühes Jahreshighlight darstellt.

Hippie des 21. Jahrhunderts
Der Ausdruck "Lagerfeuer-Romantik" hat für die 13 elegischen Kompositionen seine volle Berechtigung, denn der bekennende Scientologe entführt in Songs wie "Morning", "Blue Moon" oder "Don't Let It Go" in längst vergessene oder (bei den jüngeren Hörern) nie gekannte Zeiten der nebeligen Hippie-Ära. Reduzierte Instrumentierung, meist getragen von einer sanften Akustikgitarre und milder Percussion, versprühen die Atmosphäre ländlich-bekiffter Unschuld. Zwischen all den sanften Klängen und melancholischen Tönen scheint vor allem eines nicht aufzuleuchten – seine tiefe Verbundenheit mit Scientology.

Das Fettnäpfchen, seine Hörer belehren zu wollen, scheint Beck geschickt zu umkurven, denn auf "Morning Phase" wird man das Gefühl nicht los, dass sich Beck absichtlich wieder rückentwickelt, sich als eine Art Gegenangriff auf die eigene Experimentierfreudigkeit dem Einfachen und Gelassenen widmet, dabei seine Hörer in einen beneidenswerten Chill-Out-Modus beamt. Wer sich von "Morning Phase" eine musikalische Revolution oder ein spätes Aufleben des jungen Beck erwartet, wird enttäuscht von dannen ziehen. Sollte sich aber jemand nach einer gemütlichen Zeit, einem Bremsmanöver aus dem Alltag oder einfach nur nach einer Dreiviertelstunde der Entschlackung sehnen, könnte sich derjenige in diesem magisch-stoischen Klangkosmos verlieben.

Zweites Album geplant
Dass Beck Hansen dabei phasenweise an die leider viel zu unbekannte kanadische Folk-Legende Pete Droge erinnert, ist das vielleicht größte Plus dieses reduzierten Stroms der Ruhe. Schon lange nicht mehr hat das bloße Dahinplätschern von sanften Klängen eine derartige Sogwirkung entfacht. Wer sich dem Spät-60er-Meditationswerk nicht hingeben will, muss sich geduldig zeigen. Beck hat noch für dieses Jahr ein zweites Album angekündigt, und das könnte vielleicht doch wieder auf den altbekannten Hip-Hop/Blues-Zug aufspringen. Erwarten Sie das Unerwartete.

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