Lieferanten-Dilemma

Staat kauft “Dumping-Milch” für das Bundesheer

Österreich
02.10.2009 12:59
Deutsche "Dumping-Milch" auf der Einkaufsliste der Bundesbeschaffungsgesellschaft erregt die Gemüter: Das Bundesheer wird vom "Chefeinkäufer" der Republik nämlich teilweise mit Milchprodukten beliefert, die im billiger produzierenden Bayern hergestellt wurden, wie die Salzburger "Krone" erfuhr. In Oberösterreichs Kasernen gibt es zukünftig auch deutschen Import. Die Causa ist allerdings ein Dilemma ohne direkten Schuldigen: Das Bundesheer kann sich die Milch nicht aussuchen und laut BBG hat sich keine österreichische Molkerei um den Vertrag beworben. Die Agrarpolitik schäumt einmal mehr gegen die Ausschreibungspflicht, die aber den Bauern hohe Deutschland-Exporte beschert.

Die Bundesbeschaffungsgesellschaft kümmert sich für staatliche Einrichtungen in Österreich um Einkäufe aller Art und spart auf diese Weise massiv Kosten. Sie verhandelt Deals mit Autoherstellern für günstigere Ministerienfuhrparks (Stichwort: Audi A8 zum Preis eines A4) und kümmert sich eben auch um die Lieferungen für die Bundesheergroßküchen.

Zu vergebende Aufträge muss die Gesellschaft ausschreiben und darf dabei per Gesetz keine ausländischen Bewerber ignorieren. Die BBG untersteht dem Finanzministerium, von dort kommt (mit EU-Auflagen) auch das Bundesvergabegesetz, das diese Ausschreibungen sehr genau regelt. Das Bundesheer definiert den Bedarf und die BBG zeichnet für Ausschreibung und Beschaffung verantwortlich.

Deutschland-Anteil in OÖ und Sbg 15 bis 20 Prozent
In den meisten österreichischen Bundesländern liefern ausschließlich heimische Firmen die Milch ans Heer. Bis auf Salzburg und Oberösterreich eben, dort stammen nun 15 bis 20 Prozent aus Deutschland. In Salzburg ist die österreichische Firma Pfeiffer Lieferant. Sie bezieht 10-Liter-Milchgebinde für die Heeresküchen aus Deutschland, von den Milchwerken Berchtesgadnerland. Teilweise wird von Pfeiffer auch Niederösterreich beliefert.

In Oberösterreich hat diese Woche die deutsche Molkerei Innstolz das Rennen in der aufgrund EU-Recht verpflichtend international auszurichtenden Ausschreibung gewonnen. Das Unternehmen bezieht immerhin die Bioprodukte aus Österreich und führt im oberösterreichischen Lembach eine Biomolkerei.

BBG: "Keine Angebote aus Österreich"
Die BBG bedauerte am Freitag, dass sich "trotz intensiver Bewerbung der Ausschreibung keine einzige oberösterreichische Molkerei ein Angebot" gelegt habe. "Wenn man nicht anbietet, darf man sich nicht wundern, wenn man keinen Zuschlag bekommt", so BBG-Sprecher Florian Unterberger, warum in Oberösterreich eine deutsche Molkerei zum Zuge gekommen sei.

Fast 98 Prozent der BBG-Vertragspartner seien heimische Unternehmen, umso mehr verwundere, "dass sich die oberösterreichischen Molkereien der Ausschreibung verweigert haben", sagte Unterberger. Gegenüber krone.at meinte der BBGSprecher, dass möglicherweise das sehr komplizierte Ausschreibungsverfahren heimische Bieter abgeschreckt haben könnte. Zum anderen sind aber eben auch nicht alle Molkereien in der Lage, selbstständig den Vertrieb zu bewerkstelligen. Den großen Betrieben könnte der BBG-Deal schlicht auch "zu klein" sein.

Agrar-Landesrat sieht Darabos in der Pflicht
Der oberösterreichischen Agrar-Landesrat Josef Stockinger richtete am Freitag seine Kritik an Verteididungsminister Norbert Darabos. Während die österreichische Milch 69 Cent pro Liter koste, verlangen die Bayern für ihre Produkte nur 52 Cent pro Liter, rechnete Stockinger vor. "Dieser Preis ist für ehrliche Bauernarbeit absolut unwürdig, solche Dumpingangebote aus dem Ausland zerstören den heimischen Milchpreis und sind die Ursache der derzeitigen Milchkrise auf den Bauernhöfen", so der Landesrat. "Heimisch kaufen ist auch ein tägliches Konjunkturpaket", meint Stockinger.

Bei Ausschreibungen für Großküchen sei "der internationale Ansatz ein Unsinn". Darabos könne - "ganz vertragskonform" - Weisung erteilen, dass auf der Produktliste Österreich am Einkaufszettel für die Bundesheerküchen stehe, glaubt der Landesrat. In das gleiche Horn stieß Bauernbund-Präsident Fritz Grillitsch: "Bundesminister Norbert Darabos soll auf heimische Produkte setzen und sich nicht an der Bundesbeschaffungsagentur abputzen."

Deutschland-Export übersteigt Import ums Dreifache
Die BBG sieht die von der Politik angeregten Umgehung von Ausschreibungen keineswegs so einfach: Im Vorfeld der Ausschreibung in OÖ habe es intensive Gespräche mit der österreichischen Milchwirtschaft gegeben. "Es herrschte Konsens, dass die europäische und nationale Rechtslage keinerlei Handhabe enthält, um ausländische Bieter an der Angebotslegung zu hindern", erinnert die BBG. Insbesondere die Zerteilung einer Ausschreibung, um dem Vergaberecht zu entgehen, wäre eindeutig gesetzeswidrig.

Unterberger gibt zusätzlich zu bedenken, dass Österreich bei Ausschreibungen extra vorsichtig sein muss, weil die heimische Milchwirtschaft dreimal mehr Milch nach Deutschland exportiere, als von dort geliefert werde. Österreich gehöre damit eigentlich "zu den größten Gewinnern des freien Marktes".

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