Streit mit Tripolis

Schweizer Partei fordert Schlag gegen Libyen

Ausland
05.09.2009 08:25
Im Konflikt zwischen der Schweiz und Libyen ist jetzt die rechte Partei Lega dei Ticinesi (Liga der Tessiner) so weit gegangen, einen Krieg gegen das nordafrikanische Land zu fordern. Die seit über einem Jahr in Tripolis festgehaltenen Schweizer Geschäftsleute müssten mit Waffengewalt befreit werden, erklärte der Lega-Politiker Boris Bignasca, Mitglied des Tessiner Großrates (Kantonsparlament), in einer Resolution. Bignasca, der 22-jährige Sohn des Lega-Parteichefs Giuliano Bignasca (im Bild links), verlangt von den Tessiner Behörden, dass sie sich vor der aus beiden Parlamentskammern bestehenden Bundesversammlung für diese "außergewöhnliche, aber unausweichliche Initiative" stark machen.

Die Schweizer müssten die Risiken und Opfer eines bewaffneten Konflikts mit Entschlossenheit angehen. Schweizer Soldaten könnten in einer Blitzaktion die festgehaltenen Geiseln befreien. Damit würden die Rechte, Interessen und nicht zuletzt auch die Ehre der Schweiz gewahrt. Die Schweiz dürfe sich nicht gefallen lassen, dass der "Tyrann Gaddafi" die Aufteilung der Schweiz an die Nachbarländer Deutschland, Frankreich und Italien fordere und somit die Souveränität des Landes angreife. Bignasca hofft, dass das Tessiner Kantonsparlament die Resolution noch im September behandeln wird, wie er am Freitagabend gegenüber dem Lokalsender "TeleTicino" sagte.

Nervenkrieg um die Geschäftsleute
Um die beiden Schweizer Geschäftsleute tobt ein Nervenkrieg. Sie waren vor über einem Jahr inhaftiert worden, nachdem die Genfer Polizei kurz zuvor einen Sohn des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi unter dem Vorwurf der Misshandlung von Bediensteten in einem Schweizer Luxushotel vorübergehend festgenommen hatte.

Im Widerspruch zu den vom Schweizer Bundespräsidenten Hans-Rudolf Merz bei seinem umstrittenen Besuch in Tripolis ausgehandelten Vereinbarungen sollen sie in dem nordafrikanischen Land vor Gericht gestellt werden. Die Schweizer Parteien übten in der heiklen Frage bisher Zurückhaltung. Nach Informationen des Zürcher "Tages-Anzeiger" soll eine Kaution in Höhe von mehreren Hunderttausend US-Dollar für die Freilassung der zwei Schweizer gefordert worden sein.

Die beiden Geschäftsleute hätten unter anderem libysche Einreisebestimmungen verletzt, erklärte der Chef des libyschen Auslandsgeheimdienstes, Musa Kusa. "Dem libyschen Rechtssystem kann niemand etwas vorschreiben. Es entscheidet frei", sagte der Funktionär. Er ließ offen, wann das Verfahren stattfinden soll.

Präsidenten-Blitzbesuch in Tripolis als "Canossagang"
Merz hatte nach seinem in großen Teilen der Schweizer Öffentlichkeit als "Canossagang" empfundenen Blitzbesuch in Tripolis erklärt, er habe von den libyschen Behörden die Zusage erhalten, dass die beiden Schweizer bis Ende August heimkehren. Doch hatte Libyen nur das Gepäck der Festgehaltenen freigegeben und verlangt, dass die Schweizer Regierungsmaschine ohne die Geschäftsleute abfliegt.

Gaddafi fordert die Auflösung der Schweiz
Gaddafi, der gerade sein 40-jähriges Amtsjubiläum feierte (siehe Story in der Infobox), hatte die Schweiz wiederholt scharf angegriffen: Sie sei kein Staat, sondern müsse als "Weltmafia" und "Verbrecherkartell" behandelt werden. Auch sollte man ihr Territorium unter den Nachbarstaaten Deutschland, Frankreich und Italien aufteilen (siehe Story in der Infobox).

Nach Schweizer Medienberichten teilte ein UNO-Sprecher unterdessen in New York mit, der den Grundsätzen der UNO-Charta zuwiderlaufende Antrag des libyschen Revolutionsführers an die Vereinten Nationen, die Schweiz aufzulösen, sei schon vor Wochen abgelehnt worden. Am 15. September übernimmt Libyen für ein Jahr den Vorsitz der UNO-Generalversammlung. Neuer Präsident wird der ehemalige Außenminister Abdessalam Ali Triki.

Schweizer Parteien uneins über Rolle von Merz
Der Vorsitzende der Schweizer Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP), Christophe Darbellay, zeigte sich "sehr erstaunt", dass Bundespräsident Merz die Verhandlungen mit Libyen an das Außenministerium abgegeben hat. Die "Affäre Gaddafi" sei Chefsache, sagte der CVP-Präsident. Ein Mann wie Gaddafi spreche nur mit Staatschefs, der Bundespräsident habe sich zudem in dieser Causa stark engagiert und eigene Entscheidungen getroffen - konsequenterweise müsste Merz diesen Weg nun weitergehen.

Für die Sozialdemokratische Partei (SP) von Außenministerin Micheline Calmy-Rey war es dagegen "dringend notwendig, das Dossier dem zuständigen Fachdepartement zu übergeben und den eigenmächtigen Solo-Lauf von Merz zu beenden".

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