Ausländerrecht

Schweizer votieren für automatische Abschiebung

Ausland
29.11.2010 07:51
Die Schweizer haben am Sonntag die höchst umstrittene Ausschaffungsinitiative der nationalkonservativen Volkspartei (SVP) mit 52,9 Prozent aller Stimmen angenommen. Auch die Mehrheit der Kantone sagte Ja. Der Gegenvorschlag, unterstützt von den Bürgerlichen und Teilen der Sozialdemokraten, ging unter. Mit 53 Prozent lag die Stimmbeteiligung beim Referendum ungewöhnlich hoch.

Die Ausschaffungsinitiative fordert automatische Abschiebungen für bestimmte Tatbestände, stand aber von Anfang an in der Kritik, weil sie in ihrer Form nicht umsetzbar sei. Experten bemängeln nicht zuletzt Konflikte mit dem Freizügigkeitsabkommen mit Brüssel und dessen Völkerrechtswidrigkeit. Auch Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf übte Kritik an der "schludrigen" Initiative.

Beratungen über genauen Strafenkatalog
Nun muss das Parlament erst über den genauen Strafenkatalog beraten, der zur automatischen Abschiebung führt. Bis es so weit ist, werden wohl Jahre vergehen - laut Initiativtext höchstens fünf. So gut wie alle Parlamentsparteien mit Ausnahme der SVP engagierten sich entweder für den Gegenvorschlag, der eine juristische Einzelfallprüfung vorsah, oder lehnten beides ab.

Auch die SVP scheint aber nicht geschlossen. "Wir schaffen niemanden in ein Land aus, in dem ihm die Todesstrafe oder Folter droht", erklärte SVP-Nationalrat Luzi Stamm am frühen Sonntagabend. Seine Kollegin Nathalie Rickli hingegen sah im Schweizer Fernsehen "überhaupt keinen Handlungsspielraum".

Die sozialdemokratische Justizministerin Simonetta Sommaruga will die Volkspartei stark in den Umsetzungsprozess einbeziehen. "Dann stehen sie auch in der Pflicht", sagte sie an die Adresse der Initianten. Sie respektiere den Auftrag der Stimmbürger und wolle den Auftrag umsetzen, den sie am Sonntag erhalten hat.

Noch keine Reaktion aus Brüssel
Ein Korrespondent des Schweizer Fernsehens sagte in der "Tagesschau", es gebe noch keine Reaktionen aus Brüssel. Dort sei man mit der Rettung von Irland und dem Euro beschäftigt. Der Botschafter der EU in der Schweiz, der gebürtige Innsbrucker Michael Reiterer, habe jedoch gesagt, die Schweizer Regierung und das Parlament müssten nun die Initiative mit den EU-Abkommen in Einklang bringen. Im schlimmsten Fall könnte der erste Teil der bilateralen Abkommen fallen.

Laut Staatsrechtler Markus Schefer von der Universität Basel stellen die Einhaltung des Freizügigkeitsabkommens mit der EU sowie das Recht auf Familienleben der Europäischen Menschenrechtskonvention ein großes Problem bei der Umsetzung dar. "Diese Staatsverträge stehen einer automatischen Ausweisung entgegen und verlangen in jedem konkreten Einzelfall eine sorgfältige Abwägung der involvierten Interessen", so Schefer. Es sei nun Aufgabe des Schweizer Gesetzgebers, nach Möglichkeit eine völkerrechtskonforme Umsetzung zu finden. "Ob es ihm gelingen wird, eine Lösung zu finden, die das Völkerrecht achtet und den Verfassungstext nicht sprengt, wird sich weisen."

"Röstigraben" hat sich manifestiert
Deutlich hat sich bei der Abstimmung der sogenannte "Röstigraben", die Grenze zwischen der französischsprachigen Romandie und der Deutschschweiz, manifestiert. In der Deutschschweiz sagte lediglich der Halbkanton Basel-Stadt Nein zur Initiative, in der Romandie stimmte man mit Ausnahme des zweisprachigen Wallis geschlossen dagegen.

Mehrheit gegen Reichensteuer
Keine Mehrheit bekam am Sonntag ein Vorstoß, Reiche höher zu besteuern. Sie werden auch in Zukunft in vielen Kantonen weniger als 22 Prozent Steuern zahlen müssen. Der Steuerwettbewerb der Kantone wird nicht eingeschränkt, wie die Sozialdemokraten vorgeschlagen haben.

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