Täter (26) im Visier

Was steckt hinter der Todesfahrt von Graz?

Österreich
21.06.2015 11:22

Jener 26-Jährige, der am Samstag in der Grazer Innenstadt mutmaßlich Amok lief und mit einem Geländewagen und einem Messer bewaffnet drei Menschen tötete sowie zahlreiche weitere schwer verletzte, war bereits in der Vergangenheit "gewaltbereit in Erscheinung getreten", erklärte die Polizei am Abend. Der Täter sei verheiratet und habe zwei Kinder. Er sei erst Ende Mai von seinem Wohnsitz in Graz-Umgebung weggewiesen worden. Indes durchleuchten Spezialisten das Umfeld des Mannes, der bis Sonntagvormittag aufgrund seines psychischen Zustandes vorerst nicht befragt werden konnte.

Bei dem Todeslenker handelt es sich um einen gebürtigen Bosnier mit österreichischer Staatsbürgerschaft. Gemeldet sei der 26-Jährige im Bezirk Graz-Umgebung, so die Polizei, und habe als Kraftfahrer sein Geld verdient. Dass der junge Mann gewaltbereit ist, war bereits polizeibekannt. Er war gegenüber seiner Familie dementsprechend "in Erscheinung getreten", erklärte Landespolizeidirektor Josef Klamminger. Durch seine Wegweisung am 28. Mai habe der 26-Jährige dann wohl völlig die Kontrolle über sich verloren.

Todesfahrt dauerte fünf Minuten
Samstagmittag fuhr er, wie berichtet, in der Grazer Innenstadt mutmaßlich Amok. Die schrecklichen Szenen dauerten rund fünf Minuten. Augenzeugen berichteten, der Mann habe hinter dem Steuer seines Geländewagens gelacht, als er in der Herrengasse mit bis zu 100 Stundenkilometern immer wieder gezielt Passanten oder Café-Gäste in der Fußgängerzone niederfuhr und tötete oder schwer verletzte. Er sprang auch aus dem Wagen, um Opfer mit seinem Messer zu attackieren. Schließlich fuhr er zur Polizei in die Schmiedgasse und ließ sich widerstandslos festnehmen.

Befragung war bisher nicht möglich
Bis Sonntagvormittag war jedoch eine Befragung des 26-Jährigen aufgrund dessen psychischen Zustandes nicht möglich, erklärte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Christian Kroschl. Nachdem der Amokfahrer festgenommen und ins Polizeianhaltezentrum gebracht worden war, wurde er untersucht. Der Mann konnte allerdings nicht einmal der behandelnden Ärztin einige Fragen beantworten, eine Einvernahme durch die Polizei war vorerst überhaupt unmöglich. "Es wird heute noch einmal versucht, ihn zu befragen", meinte Kroschl am Sonntag. Der Mann sollte aber im Laufe des Tages auf jeden Fall in die Justizanstalt Graz-Jakomini eingeliefert werden.

Landespolizeidirektion betont: "Einzeltäter mit Psychose"
Die Opfer - unter den Toten sind ein vierjähriger Bub und ein frisch verheirateter Mann, eine der Verletzten hatte am Samstag ihren 21. Geburtstag - dürften dem Mann allesamt unbekannt gewesen sein. Laut Landespolizeidirektion kämen zudem schon aufgrund der Vorgeschichte des Mannes politische, religiöse oder extremistische Motive nicht infrage. Es handle sich um einen Einzeltäter, wobei nun einmal ein psychologisches Gutachten eingeholt werde, betonte Klamminger. Zunächst war etwa von einer "Gewaltpsychose" die Rede gewesen.

Experten durchleuchten Umfeld des 26-Jährigen
Wenngleich es sich beim Täter also wohl um einen "psychotisch Kranken mit Verfolgungswahn" handelt, durchleuchten die Sicherheitsbehörden nun auch sein Umfeld. Laut derzeitigem Ermittlungsstand ist der 26-Jährige kein Mitglied einer Fanatikergruppe, dennoch trägt sein blindwütiges Vorgehen gegen völlig unbeteiligte Passanten auch die Handschrift eines Terroristen. Bei vielen "Krone"-Lesern und -Usern blieb so der schreckliche Gedanke: "Und wenn es doch Terror war und 'die' uns nur beruhigen wollen...?"

"War auf der Flucht vor Türken"
"Terrorangriffe erfolgen heute mit dem Messer oder dem Auto", hatte Peter Gridling, Anti-Terror-Chef Österreichs, bereits nach dem Pariser Blutbad in der Redaktion von "Charlie Hebdo" im "Krone"-Interview gewarnt. "Solche Täter schlagen überall und völlig unerwartet sehr spektakulär zu." Deshalb lassen die Kriminalisten auch in diesem Fall nichts unversucht, um den Privatbereich des Lenkers minutiös zu untersuchen - selbst wenn dieser bei seiner Festnahme angab, "in panischer Todesangst auf der Flucht vor Türken" gewesen zu sein.

Kein "Palmyra"-Verdächtiger
Fix ist nach Informationen der "Krone" jedenfalls bereits, dass der 26-Jährige nicht zu den Verdächtigen im Fall "Palmyra" (unter diesem Decknamen waren Ende November in Graz, Wien und Linz 29 mutmaßliche Terrorkrieger aus der Islamisten-Szene abgeführt worden) zählte.

Fassungslosigkeit und Trauer
Die Fassungslosigkeit über seine Tat stand am Samstag vielen Menschen in der Grazer Innenstadt ins Gesicht geschrieben. An der Absperrung der Polizei in der Herrengasse legte man Blumen in improvisierten Vasen sowie brennende Kerzen ab. In der Stadtpfarrkirche fand ein Gedenkgottesdienst statt, rund 500 Besucher waren gekommen.

Anteilnahme auch auf Facebook
Wenige Stunden nach der Todesfahrt bekundeten unzählige Menschen auch in sozialen Netzwerken ihre Solidarität: "Graz trägt Trauer. Unsere Gedanken sind bei den Opfern der Amokfahrt in der Herrengasse", hieß es auf schwarzem Hintergrund geschrieben. Viele nahmen den Spruch als neues Titelbild oder Profilbild auf ihrer Facebook-Seite. Andere wiederum teilten mit, dass sie nur knapp dem Tod entronnen seien: "100.000 Schutzengeln sei Dank", postete etwa eine junge Grazerin.

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