Telekom-Affäre

Rechnungshof prüft nun die Vergabe des Blaulichtfunks

Österreich
30.08.2011 11:28
In der Telekom-Affäre wird der Rechnungshof die Vergabe des Blaulichtfunks im Jahr 2004 prüfen. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner hat in einem Brief an RH-Präsident Josef Moser eine Sonderprüfung der Vorgänge angeregt, Moser erklärte am Dienstag, er werde diesem Ersuchen "selbstverständlich" nachkommen. Rund um die unter dem damaligen VP-Innenminister Ernst Strasser initiierte Neuvergabe des Polizeifunk-Projekts, von der auch die Telekom profitierte, besteht Korruptionsverdacht. Der Betreiberwechsel kostete den Staat 30 Millionen Euro.

Die Verfassung sehe laut Moser vor, dass Regierungsmitglieder dem Rechnungshof einen Auftrag erteilen können. Wann die Sonderprüfung beginnen und wie lange sie dauern wird, konnte er noch nicht sagen.

Millionen-Projekt neu ausgeschrieben
Unter dem damaligen Innenminister Strasser war im Juni 2003 das Polizeifunk-Projekt überraschend dem Konsortium "mastertalk" (Siemens, Raiffeisen, Verbund, Wiener Stadtwerke), das 2002 den Auftrag dafür erhalten hatte, entzogen und neu ausgeschrieben worden. 2004 erhielten dann Alcatel und Motorola den Auftrag, die Telekom lieferte die Netzinfrastruktur für den Blaulichtfunk "Tetron" zu und soll rund 50 Millionen Euro an dem Geschäft verdient haben.

Durch die Aussagen des Kronzeugen in der Telekom-Affäre, des Ex-Telekom-Managers Gernot Schieszler, steht jedoch Korruptionsverdacht bei dem Geschäft im Raum. Strasser weist den Vorwurf jeglicher Unregelmäßigkeiten zurück - ebenso wie der Lobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly. Dieser soll für seine Dienste rund um die Auftragsvergabe an "Tetron" bis zu 3,7 Millionen Euro kassiert haben. Neben 1,1 Millionen von der Telekom könnte der Ehemann der früheren ÖVP-Ministerin Maria Rauch-Kallat noch bis zu 2,6 Millionen Euro vom damaligen "Tetron"-Konsortialpartner Motorola erhalten haben.

Betreiberwechsel kostete Staat 30 Millionen Euro
Ein Rechtsstreit mit den Unternehmen wurde 2006 mit einer Zahlung von 29,9 Millionen Euro durch den Bund an "mastertalk" beigelegt. Über die Zahlung wurde damals Stillschweigen vereinbart, in einer Aussendung des Innenministeriums vom Freitag heißt es jetzt aber: "Die Eröffnung des Schiedsverfahrens und der Vertragsauflösung durch die Republik im Jahr 2003 und die Besitzstörungsklage durch 'mastertalk' sowie die Einbringung einer Klage beim HG Wien durch das BM.I betreffend der Zuständigkeit der WKÖ als Schiedsrichter konnte im Jahr 2005 durch einen Vergleich unter Federführung der Finanzprokuratur auf Seite des Bundes gütlich beschlossen werden."

Für die Aufkündigung des Vertrages zwischen dem Innenministerium und "mastertalk" waren laut Innenministerium übrigens folgende Gründe ausschlaggebend: Das Funksystem sei in dieser Form für die Exekutive nicht brauchbar gewesen, ein notarieller Praxistest habe technische Mängel in der Planung bewiesen, schwere Mängel im Management hätten die Projektarbeit erschwert, zudem hätten Finanzierungsnachweise und Erfüllungsgarantie gefehlt. Der Netzbetreiber habe in keiner Phase des Projekts - trotz mehrfacher Urgenz - einen Nachweis über die positive Projektfinanzierung gelegt.

Übrigens: Sieben Jahre nach der Auftragsvergabe ist der geplante österreichweit einheitliche Behördenfunk noch in weiter Ferne. "Tetron" ist bisher nur in Wien, Niederösterreich und Tirol voll im Betrieb, in der Steiermark ist das System im Aufbau. Einsatzkräfte in den übrigen fünf Bundesländern Burgenland, Kärnten, Salzburg, Oberösterreich und Vorarlberg funken in eigenen Netzen.

Koalition: U-Ausschuss kommt - aber noch nicht jetzt
Indes teilten SPÖ und ÖVP am Dienstag vor dem Ministerrat mit, dass es in der Telekom-Affäre wohl einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss geben wird - allerdings nicht jetzt. "Es wird sicherlich einen U-Ausschuss geben, die Frage ist nur wann", sagte etwa Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner. In diese Kerbe schlug auch Innenministerin Mikl-Leitner (beide ÖVP): Entscheidend sei es jetzt einmal, die Ermittlungen abzuwarten.

Auch SPÖ-Finanzstaatssekretär Andreas Schieder will lückenlose Aufklärung - er fände es aber "nicht sinnvoll", wenn Justiz und U-Ausschuss gleichzeitig tätig seien. Es müsse "jetzt alles auf den Tisch", dann liege es an den Parlamentsklubs, einen allfälligen U-Ausschuss zu erörtern. Und das sieht auch ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf so: Paralleles Arbeiten von Behörden und Parlament würden lediglich einen Ausschuss behindern. "Das Parlament ist keine Ersatz-Staatsanwaltschaft." Ein U-Ausschuss sei für die Klärung der politischen Verantwortung da, und das sei sinnvoll, wenn die Ergebnisse der Ermittlungen auf dem Tisch liegen.

Faymann betont "allergrößtes Vertrauen in Justiz"
Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger haben sich nach dem Ministerrat für die lückenlose Aufklärung der Telekom-Affäre ausgesprochen, von einer unmittelbaren Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses halten beide aber ebenfalls nichts. Der Kanzler betonte, er habe "allergrößtes Vertrauen in die Justiz", der Vizekanzler fände es "kontraproduktiv" für die Ermittlungen der Behörden, "morgen einen U-Ausschuss einzurichten".

Seinen Koalitionspartner ÖVP sieht Faymann von der Telekom-Affäre derzeit nicht tangiert. "Vorzeitige Rückschlüsse auf Parteien nehme ich keine vor", sagte er.

Sondersitzung zum "schwarz-blauen Korruptionssumpf"
Unterdessen zeichnet sich für die von den Grünen geplante Nationalratssondersitzung zu den diversen Korruptionsaffären unter Schwarz-Blau im Parlament eine breite Mehrheit ab. Sowohl SPÖ als auch ÖVP haben diesbezüglich gegenüber den Grünen Gesprächsbereitschaft gezeigt, hieß es am Dienstag aus Parteikreisen. FPÖ und BZÖ hatten bereits am Montag ihre Unterstützung signalisiert.

Die Grünen sehen die Sondersitzung als "Türöffner zur Aufklärung des schwarz-blauen Korruptionssumpfes". Aus dem grünen Klub hieß es, nun werde zwischen den Fraktionen abgeklärt, wie die Sitzung inhaltlich gestaltet werden könnte. Erst dann werde man über einen Termin verhandeln. Sollte es zu keiner Einigung mit den anderen Parteien kommen, können die Grünen die Sitzung auch alleine beantragen - jede Fraktion kann einmal im Jahr eine Sondersitzung beantragen.

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