Wiener Horror-Heim

Vorwürfe immer ärger: “Tote Kinder und Sklavenarbeit”

Wien
18.10.2011 18:42
Die Vorwürfe rund um das bereits in den 70er-Jahren aufgelassene Erziehungsheim Schloss Wilhelminenberg in Wien-Ottakring werden immer schlimmer. Während Opferanwalt Johannes Öhlböck am Dienstag von Todesfällen berichtete ("Kinder sind zu Tode gekommen. Eine Mandantin hat das sehr authentisch geschildert"), gab eine ehemalige Bewohnerin nun gegenüber der "Krone" weitere Einblicke in den Alltag des "Horror-Heims": Man sei dort unter anderem regelrecht zu Sklavenarbeit gezwungen worden.

Im Jahr 1968 holte die Polizei Monika S. von zu Hause ab und brachte sie gegen den Willen ihrer Eltern ins Heim auf dem Wilhelminenberg. Dort erlebte die heute 57-Jährige ein Jahr lang unvorstellbare psychische und physische Brutalität durch die Erzieherinnen, wie sie sagt.

"Mit Ausnahme des sexuellen Missbrauchs kann ich die bisher aufgetauchten Vorwürfe weitgehend bestätigen", erklärte sie im "Krone"-Gespräch. "Wir wurden regelmäßig geschlagen und beschimpft, mussten die Unterwäsche der Betreuerinnen mit den Händen waschen wie Sklaven." Einmal in der Woche wurden die Mädchen in den Keller zum Duschen geführt. "Auch dort gab es Schläge, wir wurden in dunkle Verliese gesperrt." Jetzt wünscht sie sich nur noch, dass all das endlich lückenlos aufgeklärt wird. "Ich will, dass anderen Heimkindern so etwas erspart bleibt."

Anwalt: "Kinder sind zu Tode gekommen"
Auch Rechtsanwalt Öhlböck goss am Dienstag weiter Öl ins Feuer (siehe auch Video oben): "Kinder sind zu Tode gekommen. Eine Mandantin hat das sehr authentisch geschildert", so der Jurist, der zwei mutmaßliche Opfer von Misshandlungen und angeblich sogar systematischen Vergewaltigungen vertritt. Details könne er noch nicht preisgeben, "weil sie noch Gegenstand von Untersuchungen sind".

Laut Öhlböck soll eine Frau, die von 1948 bis 1953 im Schloss Wilhelminenberg untergebracht war, die Schilderungen seiner beiden Mandantinnen "voll bestätigt" und darüber hinaus über die Todesfälle gesprochen haben. In einem Fall soll die mittlerweile über 70-Jährige unmittelbare Zeugin eines Vorfalls gewesen sein und sowohl den Namen des Opfers als auch den Namen des Täters bekannt gegeben haben. Der Tod des betreffenden Kindes sei "unmittelbare Folge einer Misshandlung" gewesen. In einem weiteren Fall habe die Frau von einer "Gruppe von Todesfällen" berichtet, diese aber nicht mit eigenen Augen wahrgenommen.

Entschädigung von der Stadt Wien erhalten
Die Frau soll auch selbst Opfer von Gewalt geworden und mittlerweile von der Gemeinde Wien mit 35.000 Euro entschädigt worden sein. Denselben Betrag bekam eine der beiden Schwestern zugestanden, die vor wenigen Tagen mit Berichten über Serienvergewaltigungen und Kinderprostitution in dem Erziehungsheim in den 70er-Jahren an die Öffentlichkeit gegangen waren. Demgegenüber ging die zweite Schwester bisher leer aus, berichtete Anwalt Öhlböck. Auf ein Aufforderungsschreiben hin, Wiedergutmachung zu leisten, habe er bisher "keine Reaktion" erhalten.

Die Stadt Wien spiele überhaupt eine "ambivalente Rolle", kritisierte Öhlböck. Einerseits lobte er deren Bereitschaft, Schadenersatz auch bei an sich verjährten Fällen zu leisten. Die Aufarbeitung von Misshandlungs- und Missbrauchsvorwürfen sei aber "nicht positiv". Der Anwalt zog in diesem Zusammenhang die Tätigkeit der im Vorjahr eingerichteten Historikerkommission zur Klärung von Gewalt in städtischen Kinderheimen in Zweifel: "Was diese Kommission getan hat, weiß ich nicht. Ich weiß nur, besonders tief kann diese Kommission nicht gegraben haben." Ansonsten hätte man früher von den Vorkommnissen im Schloss Wilhelminenberg erfahren.

Externe Kommission "muss neue Qualität aufweisen"
Öhlböck forderte daher, die nun vom Wiener Jugendamt angekündigte externe Kommission "Schloss Wilhelminenberg" müsse eine neue Qualität aufweisen. Diese sei mit Proponenten aller im Wiener Landtag und im Nationalrat vertretenen Parteien und unabhängigen Experten zu besetzen. An der Spitze dürfe nicht ein von der Stadt Wien ausgesuchter pensionierter Richter oder Staatsanwalt stehen, sondern ein von allen vertretenen Parteien nominierter Vorsitzender.

Der Anwalt verlangte eine "schonungslose Aufklärung der Sache". Er zeigte sich überzeugt, dass in den Wiener Erziehungsheimen im Lauf der Jahrzehnte Hunderte, wenn nicht Tausende Zöglinge misshandelt und missbraucht wurden: "Ich gehe von einer vierstelligen Dunkelziffer aus." Das, was die Opfer berichten, sei "unglaublich glaubwürdig und absolut authentisch. Eine Geschichte dieser Art kann man nicht erfinden. Das ist unmöglich".

Vorwürfe über Sexattacken von zwei Ex-Zöglingen
Dass zuletzt ehemalige Erzieherinnen die Schilderungen der im Schloss Wilheminenberg untergebracht gewesenen Schwestern in Zweifel zogen, echauffierte Öhlböck. Die Behauptung der Erzieherinnen, es habe dort keine männlichen Aufsichtspersonen gegeben, sei "schlicht und ergreifend falsch".

Der Skandal um das ehemalige Wiener Erziehungsheim war aufgeflogen, als zwei weibliche Ex-Zöglinge von teilweise täglichen Sexattacken, an denen Erzieher und Fremde beteiligt gewesen seien, berichteten. "Im Heim wurden sie systematisch und wiederholt seelisch und körperlich misshandelt und vergewaltigt. Sie waren kein Einzelfall", sagte Öhlböck zur "Krone".

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