Wehrpflicht-Debatte

Darabos macht Tempo: Pläne schon in wenigen Wochen

Österreich
07.10.2010 13:00
Verteidigungsminister Norbert Darabos legt in der Debatte um die Wehrpflicht den nächsten Gang ein. Der SPÖ-Minister hat den Bundesheer-Generalstab mit der Entwicklung mehrerer Modelle für ein neues Heer mit und ohne Wehrpflicht beauftragt. Schon "in einigen Wochen" will er die Varianten den Bürgern - und wohl auch dem Koalitionspartner ÖVP - präsentieren. Die Volkspartei hatte eingemahnt, Darabos müsse zunächst Konzepte für eine Neugestaltung des Heeres vorlegen, ehe es zu einer Volksbefragung über die Wehrpflicht kommen kann.

Darabos möchte von den Militärstrategen im Ministerium Varianten innerhalb der Wehrpflicht so wie auch für ein Berufsheer im Falle der Abschaffung des Grundwehrdienstes vorgelegt bekommen. "Daran wird jetzt mit Hochdruck gearbeitet." Auch Unterstützung aus dem Ausland sei dabei angefordert worden. Einmal vorgelegt, sollen diese Modelle, die unter anderem auf die Finanzierung eingehen, auch "öffentlich diskutiert" werden.

Wie etwa der Katastrophenschutz mittels eines Berufsheeres gewährleistet sein soll, müsse ebenfalls Bestandteil der Diskussion sein, hieß es am Donnerstag weiter aus dem Ministerium. Derzeit seien 10.000 Soldaten in Ernstfällen gewährleistet. Dabei orientiere man sich am Einsatz während des Hochwassers 2002, bei dem rund 9.000 Soldaten beteiligt waren. "Fällt die Wehrpflicht weg, sollte man nicht unter 10.000 fallen", hieß es vonseiten Darabos'.

Die ÖVP hatte Darabos nach dem Wehrpflicht-Schwenk der SPÖ - ausgelöst durch eine Aussage des Wiener Bürgermeisters Michael Häupl in einem "Krone"-Interview - einen Fragenkatalog übermittelt: "Wenn es ein Berufsheer geben soll, wie groß muss es sein? Was bedeutet ein Berufsheer für die Einsatzbereitschaft des Heeres in Katastrophenfällen? Ist die Wahrung der österreichischen Neutralität auch mit einem Berufsheer sichergestellt? Wie hoch sind die Kosten eines Berufsheeres im Verhältnis zur jetzigen Wehrpflicht? Wie geht es mit dem Zivildienst und mit dem Assistenzeinsatz weiter?" Bevor man das Volk befrage, müsse Darabos diese Fragen beantworten.

Faymann: "Diskussion ohne Scheuklappen"
Bundeskanzler Werner Faymann plädierte am Donnersttag dafür, eine "Diskussion ohne Scheuklappen" zu führen. Nun würden die Möglichkeiten evaluiert, erst wenn diese vorliegen, könne es eine Entscheidung geben. Ein Berufsheer sei durchaus eine "gute Variante", wenn es sich, ohne wesentliche Mehrkosten zu verursachen, im selben Ausmaß Dingen wie dem Zivil- und Katastrophenschutz widmen könne, sagte Faymann in Innsbruck.

Tirols Landeshauptmann, der ehemalige Verteidigungsminister Günther Platter (ÖVP) hält den Zeitpunkt für die Debatte "unpassend". Zuerst müsse man grundlegende Dinge sachlich hinterfragen, etwa, ob Katastropheneinsätze im Fall einer Abschaffung der Wehrpflicht noch gewährleistet werden können

Pilz: Keine Panzer, keine Artillerie, Grundausbildung mit Polizei
Pläne für sein Wunsch-Heer hat indes der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz vorgestellt. Derzeit wisse das Bundesheer nicht, was es mit den Wehrpflichtigen tun soll, glaubt Pilz und spricht damit die große Zahl an Grundwehrdienern an, die beim Präsenzdienst nicht an der Waffe ausgebildet werden, sondern als sogenannte "Systemerhalter" in der Bundesheerverwaltung dienen. Darüber hinaus entstehe eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik, von kleineren Staaten wie Österreich werde keine Vollarmee mehr erwartet werden. Österreich habe auch keinen militärischen Feind, weshalb Landesverteidigung nicht mehr notwendig sei. Als einzige Aufgabe verbleibe die Unterstützung von UNO-Missionen.

Dafür brauche Österreich eine Einheit von rund 4.000 Personen, dazu 2.000 für die Verwaltung und 500 für den Bereich der Aufklärung. Kampfpanzer, Artillerie und Eurofighter würden u.a. überflüssig werden, stattdessen seien Investitionen in moderne Personenausrüstung, Transportmittel, Ausbildung und Logistik nötig. Die Grünen wollen auch eine gemeinsame Grundausbildung von Polizisten und Zeitsoldaten, um letzteren nach ihren Auslandsdiensten Perspektiven in der Polizei zu bieten. Finanziert werden solle der Übergang durch den Verkauf wertvoller Liegenschaften, etwa der Maria Theresien-Kaserne.

Der militärische Katastrophenschutz solle durch ein Technisches Hilfswerk nach dem Vorbild Deutschlands ersetzt werden, dies sei kostengünstiger und effizienter. Als Ersatz für den Zivildienst kann sich Pilz ein freiwilliges soziales Jahr für die Pflegehilfsdienste vorstellen, für Rettungsfahrten könnten nicht mehr benötigte Beschäftigte des Verteidigungsministeriums herangezogen werden. Die Übergangsphase betrage etwa ein Jahr. Die genauen Kosten für sein Wunsch-Heer konnte Pilz aber nicht beziffern.

Volksbegehren im Herbst 2011
Die Grünen pochen seit Jahren auf die Abschaffung der Wehrpflicht und machen Druck für eine Volksbefragung im Herbst 2011, ein Zeitrahmen, den auch Darabos angedeutet hatte, falles es dazu kommen sollte. Damit hätte man genug Zeit, eine Reform sachlich ordentlich vorzubereiten, meint Pilz, der von der SPÖ Taten fordert. Einen Beschluss wolle man noch heuer, man werde einen entsprechenden Antrag einbringen. Gibt es nächstes Jahr keine Volksbefragung, will Pilz ein Volksbegehren organisieren.

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