Kinderhandel in Ö

Zum Einbrechen gezwungen und zum Sex bestellt

Österreich
29.06.2010 11:45
Was passiert mit Unter-18-Jährigen vor unseren Augen, ohne dass wir es bemerken? Ausgehend von dieser Fragestellung gibt es von der Kriminalpolizei eine Informationsoffensive mit dem Ziel, verborgene Fälle von Kinderhandel in Österreich ans Tageslicht zu bringen und durch internationale Zusammenarbeit die Hinterleute im Ausland auszuforschen. Dabei geht es nicht nur um Kinderprostituierte, die Kriminelle in Österreich mittlerweile sogar auf Bestellung liefern - ein großes Problem ist auch der Einsatz Minderjähriger als Diebe und Einbrecher.

80 junge Moldawier entpuppten sich im vergangenen Jahr als Opfer einer in ihrem Heimatland tätigen und mittlerweile ausgehobenen Organisation, welche die Burschen mit falschen Versprechungen in den "Goldenen Westen" schleppte und sie in Österreich mit genauen Instruktionen einbrechen schickte - wohl wissend, dass Minderjährige beim ersten Erwischt-Werden eher nicht in Untersuchungshaft genommen werden.

"Wenn ein Unter-18-Jähriger in Ostösterreich einen Asylantrag stellt und wenige Tage später in Tirol auftaucht, müssen bei uns bereits die Alarmglocken läuten", erklärt Gerald Tatzgern vom Bundeskriminalamt. Denn das sei ein Hinweis auf eine möglicherweise im Hintergrund tätige Organisation. Und eine solche ist erfahrungsgemäß nicht am Wohlergehen des "Schützlings" interessiert, sondern am eigenen Profit: Arbeitsausbeutung als eine Form des Kinderhandels. Unter dem Aspekt eines möglichen Zusammenhangs mit Kinderhandel schaut man sich unbegleitete minderjährige Flüchtlinge - zuletzt 700 bis 900 pro Jahr - genau an.

Schwierig sei es, an die Opfer heranzukommen, sagt Tatzgern. Diesen werde einerseits eingebläut, dass die Polizei in Österreich korrupt und von ihr keine Hilfe zu erwarten sei. Andererseits "erkennen viele Opfer die Ausbeutungskomponente nicht", erläutert der Fachmann. Aufgrund der Armut in ihren Herkunftsländern empfinden sie den Umstand, dass sie keinen Hunger haben und bei 20 Grad plus in Wohnungen schlafen können, als Belohnung. Tatzgern: "Das macht die Ermittlungen so schwierig."

Kinderprostituierte auf Bestellung
Noch diffiziler wird die Arbeit der Polizei, wenn es um sexuelle Ausbeutung Minderjähriger geht, zumal Mädchen nach den Erkenntnissen der Kriminalpolizei häufig nur mehr für ein oder zwei Tage ins Land gebracht und entsprechend einer Vormerkliste "vertrauenswürdigen" Männern überlassen werden - bestellt und wieder abgeholt. Die Polizei gelangt schwer in solche geschlossenen Zirkel hinein. Erkenntnisse darüber gewinnen die Behörden nur am Rande von Ermittlungen in anderen Causen, durch Zusammenarbeit mit Sozialeinrichtungen oder aus der Bevölkerung. "Bei mir kriegst keine Burschen, nur Mädeln", hörte eine Wienerin in der U-Bahn einen Mann am Handy sagen. Sie informierte die Polizei und brachte die Ermittler auf die Spur eines Kinderhändlers.

Das Bundeskriminalamt setzt auf Zusammenarbeit zwischen Strafverfolgungsbehörden auf internationaler Ebene und die Kooperation von Polizei, Jugendwohlfahrt, NGOs sowie Hinweise aus der Bevölkerung im Kampf gegen Kinderhandel in Österreich. In Zusammenarbeit mit der Jugendwohlfahrt, konkret mit der "Drehscheibe", einer Hilfsorganisation des Wiener Magistrats, hat es bereits einen nachhaltigen Erfolg in Sachen Bekämpfung des Kinderhandels gegeben. Sogenannte Diebskinder, die speziell 2005/06 zu Hunderten aus Rumänien und Bulgarien nach Wien gebracht wurden, wurden betreut, in ihre Heimatländer zurückgebracht und dort - mit dem Knowhow der "Drehscheibe" - betreut untergebracht. In Österreich ist das Problem damit gelöst. Anfragen, wie man das zuwege brachte, kamen seither unter anderem aus Berlin, der Schweiz, Brüssel, London, Mailand und Rom.

Zahl der Anzeigen stark angestiegen
Der Grad der Sensibilisierung steigt: 32 Anzeigen wurden im vergangenen Jahr in Österreich nach Paragraf 104a des Strafgesetzbuchs - Menschenhandel - erstattet, 2008 waren es nur zwei. Die Maximalstrafe beträgt zehn Jahre. Genannt sind darin die sexuelle Ausbeutung sowie die Ausbeutung der Arbeitskraft und durch Organentnahme. Einen eigenen Kinderhandelsparagrafen gibt es in Österreich derzeit aber nicht.

Dass dieser aber vielleicht nötig wäre, zeigt ein Beispiel aus dem Bereich Auslandsadoptionen: Durch einen Hinweis der österreichischen Vertretungsbehörde stieß das Bundeskriminalamt auf den Fall eines österreichischen Ehepaares, das ein Kind aus Mazedonien adoptieren und der Vermittlungsorganisation in dem Balkanland mehr als 25.000 Euro zahlen sollte. "Offiziell natürlich viel weniger", erläuterte Tatzgern, "Geld wurde unter anderem für Unkostenbeiträge und medizinische Untersuchungen verlangt. Das sind Beträge, die alle Alarmglocken läuten lassen." Die mazedonischen Behörden haben dem Kinderhandel daraufhin einen Riegel vorgeschoben, berichtet Tatzgern.

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