Unglück vor Toskana

Steirerin: “Niemand hat uns gesagt, was passiert”

Österreich
15.01.2012 17:33
"Chaotische Zustände und maßlos überfordertes Personal" - so hat Gabriele Gluschitsch im Gespräch mit krone.at ihre Erlebnisse beim Kreuzfahrtschiff-Unglück vor der Toskana beschrieben. Anstatt auf der "Costa Concordia" der heimischen Wintertristesse zu entfliehen, mussten Gluschitsch und ihr Ehemann eine Odyssee überstehen. Die Steirerin aus Wagna ist froh, "dass nicht mehr passiert ist".

Eigentlich wollte das Urlauber-Ehepaar am Freitagabend früh schlafen gehen, um fit für die Heimfahrt am folgenden Tag zu sein. Koffer gepackt und alles hergerichtet, befanden sich Gluschitsch und ihr Mann nach dem Abendessen in ihrer Kabine, als "gegen 21.30 Uhr das Schiff plötzlich einen Schlenker machte. So heftig, dass die Gegenstände durch die Kabine geflogen sind".

Eine knappe halbe Stunde später sei dann das Licht in der Kabine ausgefallen. Die Passagiere wurden kurz darauf in einer Durchsage informiert, dass die Generatoren ausgefallen seien, man das Problem aber rasch in den Griff bekommen werde. An eine Katastrophe wollte das Ehepaar noch nicht glauben. Auch nicht, als zu erkennen war, dass die "Costa Concordia" sich leicht zur Seite neigte.

"Das Land kam immer näher"
Doch statt der Behebung eines technischen Defekts, wie in der Durchsage erklärt, mussten die beiden Urlauber dann auf dem Balkon ihrer Kabine auf Deck 6 des Kreuzfahrtschiffes mit ansehen, wie "das Land dann doch immer näher kam". Mittels Warnsignal seien die Passagiere – wie am zweiten Tag der Reise bei einer kurzen Notfall-Übung erklärt – aufgefordert worden, sich bei einem Sammelpunkt auf Deck 4 einzufinden.

"Immer noch der Meinung, die werden das richten", begab sich das Paar lediglich mit Geldtasche, Pässen, Telefon und Schwimmwesten zu dem Sammelpunkt auf der rechten Seite des Schiffs. Als nach einer halben Stunde, "ohne, dass uns jemand gesagt hätte, was passiert", schließlich die Aufforderung erfolgte, die Rettungsboote zu besteigen, "seien die Leute zum ersten Mal wirklich panisch geworden", so Gluschitsch.

Crew "maßlos überfordert"
Die Crew sei beim Umgang mit den Rettungsbooten "maßlos überfordert" gewesen. Beim Herunterlassen eines der Beiboote seien offen gelassene Deckenluken "fast heruntergerissen worden". Die Stahlseile, mittels derer die Rettungsboote am Schiff fixiert waren, seien zudem bei dem Beiboot nicht gelöst worden. Erst als die daraufhin halb heruntergerissene Verankerung endlich getrennt werden konnte, "landete das Schiff mit einem Schwung rund zwei Stockwerke weiter unten im Wasser".

Damit noch nicht genug, hätten sich die Rettungsboote im Wasser gegenseitig behindert. "Dass nicht mehr passiert ist, darüber kann man nur froh sein", so Gluschitsch. Sie und ihr Mann seien dann um 23.45 Uhr sicher unter den Letzten gewesen, "die trockenen Fußes Land erreichten". Gleich nach dem Verlassen des Rettungsbootes verständigte Gluschitschs Mann seinen Vater per Handy.

Keine Informationen nach Landgang
Das Chaos setzte sich dann aber an Land fort: Informationen habe es keine gegeben, man habe zunächst nicht einmal gewusst, dass man sich auf einer Insel befinde. Decken wären zunächst auch keine verfügbar gewesen, Inselbewohner hätten die unterkühlten Passagiere zum Teil mit Leintüchern versorgt. Nach rund zweieinhalb Stunden Aufenthalt in einer nahe gelegenen Schule sei das Ehepaar dann zu Fuß zu einer Fähre, die sie ans Festland bringen sollte, gegangen.

Mit einer riesigen Menschentraube vor der Fähre konfrontiert, saß dort eine Frau, die Vorname, Nachname und Zusteige-Hafen auf Zetteln notierte, erzählt Gluschitsch: "Es hat gedauert, es war uns kalt, es gab keine Decken." Dass Leute vermisst wurden, verwundere sie im Nachhinein nicht: "Woher sollten die auch wissen, wer aller auf dem Schiff ist?"

Keinerlei Betreuung bis zur Heimreise
Eine Betreuung habe es auch auf der Fähre nicht gegeben, die Passagiere hätten nicht einmal gewusst, wo die "Reise" hingehe. Am Festland angekommen sei man dann am Samstagmorgen. Zunächst hätte es einen kurzen Zwischenstopp in einer Halle gegeben, danach seien sie in einen Bus gesetzt und nach Savona gebracht worden, wo der Wagen des Ehepaars geparkt war. Immerhin sei am Festland ein riesiges Rotkreuz-Zelt zur medizinischen Betreuung aufgestellt gewesen.

Nach ihrer Ankunft in Savona am Samstag gegen 13 Uhr habe auch dort niemand mit ihnen gesprochen. Das erschöpfte Ehepaar ließ sich nur noch die Schlüssel seines Autos aushändigen und trat schließlich die Heimreise an. Am Sonntag bekam dann lediglich die Mutter ihres Mannes von einer Sprecherin der Kreuzfahrtgesellschaft einen Anruf, dass es dem Paar gut gehe, so Gabriele Gluschitsch. Da sei man aber schon wieder in der Heimat gewesen.

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