Doch Köpferollen

Generalstabschef Entacher von Darabos abberufen

Österreich
25.01.2011 10:48
Paukenschlag in der Wehrpflicht-Debatte: Verteidigungsminister Norbert Darabos hat den Generalstabschef des Bundesheeres, Edmund Entacher, abberufen. Der oberste General hatte den Minister wegen seiner Pläne für eine Freiwilligenarmee kritisiert. Darabos begründete die Absetzung des von ihm 2007 eingesetzten SPÖ-Mitglieds am Montagabend mit "Vertrauensverlust". In der laufenden Diskussion plädiert der Minister nun für "Sachlichkeit". Bundespräsident Heinz Fischer hat Darabos indes zum Vier-Augen-Gespräch zitiert.

Die zuvor zwar angedrohte, aber im Endeffekt nun doch überraschend gekommene Absetzung dürfte der Minister im Laufe des Montags in mehreren Gesprächen mit dem Vier-Sterne-General "ausgefochten" haben. Nach außen hin war bis zur offiziellen Verkündung der Entscheidung durch Darabos am Montagabend allerdings nichts zu merken, wenngleich es tagsüber aus Heereskreisen geheißen hatte, die Stimmung sei am Tiefpunkt.

Darabos hatte aber noch am Vormittag bei einer Pressekonferenz, bei der er die Kritik an den heeresinternen Gegenstimmen erneuert hatte, bestritten, dass hochrangige Militärs nun ein "Köpferollen" zu erwarten hätten. Entacher wiederum erklärte nach einem der Nachmittagstermine beim Minister, es habe eine "freundschaftliche" Unterredung gegeben. Er sei dabei nicht "zum Rapport" bestellt worden, die nächsten Tage werde er sich, wie vorgesehen, dienstlich in Brüssel befinden.

Entacher vor Abgangs-Wahl gestellt
Hinter den Kulissen dürfte es sich aber ordentlich abgespielt haben. Wie die "Krone" erfuhr, soll Entacher von Darabos letztendlich vor die Wahl gestellt worden sein, sich entweder in die Pension zu verabschieden oder abberufen zu werden. Entacher war am Montagabend für eine Stellungnahme zunächst nicht erreichbar. Formal wurde Entacher jedenfalls nicht aus dem Heer entlassen, sondern wegen Vertrauensverlusten nach §40 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes seiner Position enthoben. Laut den Vorschriften muss Entacher nun binnen zwei Monaten einer neuen Verwendung zugewiesen werden, er kann aber auch sein Ruhestandsansuchen einreichen.

Es ist das erste Mal in der Geschichte der Zweiten Republik, dass der ranghöchste Offizier im Bundesheer vom Minister des Amtes enthoben wird. Der einzige vergleichbare Eklat geschah vor 40 Jahren ebenfalls unter SPÖ-Regentschaft: 1970 wollte der damalige Generaltruppeninspektor Erwin Fussenegger mit der Heeresreform von Bundeskanzler Bruno Kreisky nicht mitgehen. Der 1986 verstorbene Offizier reichte daraufhin seine Pensionierung ein.

General warnte vor Freiwilligenheer
Der 61-jährige General, der bisher immer als treuer Gefolgsmann Darabos' gegolten hatte und im Bundesheer einen ausgezeichneten Ruf genießt, hatte am Wochenende in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "profil" weitgehend sachlich seine Bedenken über die offenen Fragen zu einem Freiwilligenheer geäußert, dazwischen Darabos aber indirekt als nicht ganz bei Trost bezeichnet: "Wir haben schon jetzt ein Mischsystem aus Berufsheer, Wehrpflichtigen und Milizsoldaten, mit dem wir bisher alle an uns gestellten Aufgaben gut bewältigen konnten. (...) Warum soll ich ein neues System einführen, das voller Risiken steckt und bei dem es kein Zurück mehr gibt? Kein vernünftiger Mensch würde das tun." Danach gab Darabos den Warnschuss aus, er werde in Zukunft auch nicht vor personellen Konsequenzen zurückschrecken, sollten die Militärs sich weigern, mit ihm den Weg der Reform zu gehen.

Darabos erklärte am Montagabend via Presseaussendung, die Konzeption und Berechnung der von ihm präsentierten Wehrsystem-Modelle seien von ihm beim Generalstabschef in Auftrag gegeben worden. Die Planungsexperten der Sektion II des Bundesheeres hätten die verschiedenen Modelle nach Aufgabenerfüllung bewertet, das von Darabos präferierte Modell eines Freiwilligenheeres sei dabei im Schulnotensystem auf 1,5 gekommen, das bestehende mit Wehrpflicht hingegen mit 2,1 benotet worden. "Das Freiwilligenheer mit starker Milizkomponente wurde demnach in seiner Leistungsfähigkeit besser bewertet als das bestehende System."

Darabos: "Von eigenen Berechnungen distanziert"
Die Aussagen Entachers vom Wochenende könne er "deshalb nur so interpretieren, dass er sich von seinen eigenen Berechnungen distanziert", so Darabos. "Durch diese öffentlichen Aussagen und den dadurch entstandenen Vertrauensverlust sah ich mich im dienstlichen Interesse veranlasst, den Generalstabschef abzuberufen. Ich habe daraufhin den stellvertretenden Generalstabschef, Generalleutnant Othmar Commenda, mit der Wahrnehmung der Aufgaben des Chefs des Generalstabes betraut." Commenda wird das Amt vorerst allerdings nur interimistisch ausüben. Für eine Neubesetzung des Postens hat Darabos allerdings keine gesetztlichen Zeitvorgaben zu beachten.

Erneut wehrte sich Darabos in der Stellungnahme am Montag gegen Kritik, er übereile die Neuaufstellung des Bundesheeres. Die Entscheidung über die Zukunft des Bundesheeres werde von ihm "gewissenhaft und gründlich vorbereitet". Sie erfolge "auf Basis eines fünfstufigen Prozesses". Erstens habe man im Dezember 2010 Experten aus dem Ausland eingebunden, ebenfalls im Dezember sei die Vorlage der Sicherheitsstrategie erfolgt (zumindest der SPÖ-Teil, Anm.). Als dritten Schritt nannte Darabos die Vorlage der sieben ausgearbeiteten Wehrdienstmodelle, im Frühjahr solle als vierter Schritt die politische Diskussion folgen. Als fünften und letzten Punkt sehe er die "Einbindung der Bevölkerung am Ende eines sachlichen Diskussionsprozesses" vor, so der Minister.

"Mit Entacher auseinandergelebt"
Vor der Ministerratssitzung am Dienstagvormittag verteidigte Darabos die Abberufung Entachers dann erneut als "logischen Schritt" und plädierte gleichzeitig dafür, nun wieder zur "Sachlichkeit" zurückzukehren. Der Minister zeigte sich auch überzeugt davon, dass er mit seiner Linie nicht alleine dastehe. "Es ist nicht einer gegen alle", so der Ressortchef. "Sie können sich sicher sein, dass es auch im Bundesheer viele Kräfte gibt, die die Reform mittragen", sagte der Verteidigungsminister.

Einmal mehr betonte er das "klare Primat der Politik". Jeder, der im Bundesheer beschäftigt sei, habe dieses zu befolgen. Vorwürfe aus der ÖVP, er hätte ein mangelndes Demokratie-Verständnis, würden ihn nicht kränken. Er habe seine "klare Meinung" artikuliert, das sei etwas Selbstverständliches. "Die Führung habe ich inne" und nicht ein General, so der Minister. Auch die Vorwürfe, sein Vorgehen würde gegen die Meinungsfreiheit stehen, wies Darabos zurück. Es handle sich nicht um einen Maulkorb seinerseits. Es sei um einen "politischen Schritt" gegangen. Er habe bei der Abberufung aufgrund rechtlicher Grundlagen gehandelt.

Er betonte abschließend, dass er Entacher als Person sehr wohl schätze, dieser habe gute Arbeit geleistet. Aber in der Frage Reform habe man sich "auseinandergelebt". Darabos wird nach der Entacher-Absetzung übrigens von Bundespräsident Heinz Fischer in die Hofburg zitiert. Das Treffen soll um die Mittagszeit beginnen, danach ist ein Statement Fischers zur Heeresdebatte vorgesehen.

ÖVP "besorgt", Strache fordert Darabos-Absetzung
Während es in der SPÖ-Parteizentrale am Montagabend kurz und bündig hieß, man stehe hinter den Entscheidungen des Verteidigungsministers, gab es vonseiten der ÖVP und der FPÖ heftige Kritik an der Entacher-Absetzung. "Es ist unfassbar. Der Generalstabschef, der getreu zur Verfassung und Neutralität steht und dies auch öffentlich artikuliert, wird vom Verteidigungsminister für eine Meinungsäußerung kalt abserviert", empörte sich FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Darabos sei "im Interesse der Sicherheit unseres Landes keinen Tag länger tragbar".

ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger zeigte sich "besorgt": "Hier werden ernst zu nehmende Kritiker und Experten mundtot gemacht. Das ist eine höchst bedenkliche Vorgehensweise." Entacher habe voll auf Basis der geltenden Gesetze agiert und zu einer laufenden parteipolitischen Debatte sachlich Stellung bezogen. "Offenbar versucht Darabos aus parteipolitischen Motiven inhaltliche Kritiker mundtot zu machen", so Kaltenegger: "Werden nun auch SPÖ-Wehrsprecher Prähauser und SPÖ-Verfassungssprecher Wittmann ihrer Äung des Sicherheitsrates
Grüne und BZÖ haben sich indes für die Einberufung des Nationalen Sicherheitrates ausgesprochen. Grünen-Sicherheitssprecher Peter Pilz meinte, er werde nun selbst konkrete Vorschläge für eine Reform des Bundesheers machen und die anderen Parteien einladen mitzumachen. Er habe schon befürchtet, dass eine nicht vorbereitete Reform einer an und für sich guten Idee schaden werde. Darabos sei für ihn schon längst rücktrittsreif, fügte Pilz hinzu. Pilz' Parteichefin Eva Glawischnig bezeichnete die Absetzung Entachers als "formal vollkommen korrekt" und auch nachvollziehbar, "wenn eine Situation so eskaliert ist". Allerdings hält auch sie Darabos, der sich "mit so einem populären Projekt so weit in eine Sackgasse manövriert hat", für rücktrittsreif. Offenbar habe es Darabos verabsäumt, die geplante Reform intern zu diskutieren.

Sinnvoll findet indes auch BZÖ-Klubobmannstellvertreter Herbert Scheibner die Einberufung des Nationalen Sicherheitsrates. Dass Darabos Entacher abberufen hat, sei die "völlig falsche Reaktion" und "ein weiterer Beweis für die Führungsschwäche des Verteidigungsministers". Es sei zwar nicht in Ordnung, dass ein Offizier öffentlich Stellung gegen seinen Minister bezieht, aber das hätte man auch in einer Aussprache regeln können. Er habe Darabos von Beginn an nicht für geeignet gehalten, erklärte Scheibner.

Entacher nach fast 40 Jahren im Heer abgeschossen
Im Bundesheer hat sich Darabos mit der Absetzung Entachers vorerst garantiert keine zusätzlichen Freunde gemacht. Noch dazu, wo der 62-jährige Generalstabdschef seit Ewigkeiten das erste deklarierte SPÖ-Mitglied in einer derartigen Funktion war - und am Montagabend ausgerechnet vom ersten roten Verteidigungsminister seit mehr als 25 Jahren gefeuert wurde.

Der gebürtige Salzburger Entacher, der verwitet und Vater zweier Kinder ist, absolvierte 1974 die Militärakademie in Wiener Neustadt. Nach einer Zeit als Jäger-Kompaniekommandant in Kufstein wechselte er als Ausbildner an die Militärakademie. Nach etlichen Jahren als Bataillons- und Brigadekommandant bei den Panzergrenadieren wurde er 2002 Kommandant der Landstreitkräfte in Salzburg, 2006 Milizbeauftragter im Verteidigungsministerium, ehe ihn Darabos Ende 2007 in die Funktion des Chef des Generalstabes berief.

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