Stadthalle live

Lady Gaga: Sanfte Stimme in grellbunter Kostümwelt

Musik
03.11.2014 06:47
Die trübe Allerheiligen-Stimmung wurde Sonntagabend in der Wiener Stadthalle für zwei Stunden gegen eine grellbunte Pop-Bombast-Show mit unzähligen Effekten getauscht. Lady Gaga machte im Zuge ihrer "ARTRAVE"-Tour in der Bundeshauptstadt Halt und überzeugte die 12.000 Fans am stärksten in den ruhigeren Momenten.
(Bild: kmm)

Mit ihrem letzten Studioalbum "ARTPOP" hätte Lady Gaga beinahe einen Bauchfleck gelandet. Klar, das Album konnte in den USA als auch in Großbritannien mit wenig Mühe die Spitzenposition in den Charts übernehmen, aber im Gegensatz zu ihren ersten beiden Alben ging nicht nur der kommerzielle Erfolg zurück, so mancher attestierte der 28-Jährigen auch fehlende künstlerische Weiterentwicklung. An ihrem unaufhaltsamen Weg, die Pop-Welt zu revolutionieren, ändert das natürlich nichts und am nebelig-trüben Allerseelentag bringt sie bei ihrem vierten Wien-Auftritt zumindest eine grellbunte Show in die Wiener Stadthalle.

Opulentes Bühnendesign
Mit etwas Verspätung fällt zu pulsierenden Rave-Klängen der weiße Vorhang und was die tief in den Zuschauerbereich ragende, mehrachsige Bühne bereits ankündigt, vollführt der Rest des opulenten Sets – hier wird geklotzt und nicht gekleckert. In einer schneeweißen Iglu-Landschaft befinden sich Schlagzeuger und Keyboarder, davor lässt sich die künftige Pop-Queen als eine Mischung aus Venus und Engel samt Plüschflügeln aus dem Bühnenboden fahren. "ARTPOP" ist der programmatische Einstieg in das Set, in dem sie beinahe vollständig das neue Werk präsentiert, dafür aber auf so manch vergangenen Hit verzichtet.

Ein bizarres Fantasiegebilde, das sich bei Lady Gaga längst über die einzelnen Songs hinweg in Kostümierung, Image und Präsenz manifestiert hat. Insgesamt 14 Tänzer und Tänzerinnen sorgen für perfekt choreografierte, athletische Bewegungen, bunte Bälle fliegen durchs Publikum, eine rechteckige Videowall projiziert die visuellen Zusatzeffekte und bei "Venus" wachsen gar vier hohe Pflanzen aus den Bühnenstegen. Bei einer derart optischen Überladung geht die Künstlerin vor allem im ersten Drittel des Konzerts fast unter, den vielen "Monstern" – so nennt Gaga ihre Fans seit jeher – ist das freilich egal, denn in die Welt der New Yorkerin kann man schnell eintauchen.

Zahlreiche Kostümwechsel
Gaga selbst kommt einmal mit futuristischem Glitzerkleid, dann mit wallender Shakira-Perücke, im Barbarella-Look, leger im Flanellhemd oder im aufblasbaren Oktopus-Kostüm samt Dalmatiner-Punkten auf die Bühne. Die durchaus auch sexuell aufgeladene Show mit ständigem Konfettiregen und immer wieder neuen Tanzeinlagen ist der Künstlerin sichtlich wichtiger als die Musik an sich. Den Dreierpack "Just Dance", "Poker Face" und "Telephone" knüpft sie gar so knapp zusammen, dass der Genuss der einzelnen Songs fast unmöglich scheint. Dass die Gaga hinter den grellen Lichteffekten, breitschultrigen Disco-Beat-Stakkatos und der fantasievollen Bühnenvisualisierung aber auch eine hervorragende Sängerin ist, wird den 12.000 Fans in der nicht ausverkauften Stadthalle spätestens zur Mitte hin klar.

Beim 4-Non-Blondes-Cover "What's Up" zeigt sich erstmals die ganze stimmliche Brillanz des Superstars, die Range reicht dabei eben von wirkungsvoll rockend über soulig (im kraftvollen "You And I") bis hin zu jazzig angehaucht (das Tony Bennett gewidmete Cher-Cover "Bang Bang"). Nur am Piano, reduziert auf das Wesentliche, wird rund um all den Bombast relativ schnell klar, warum die Gaga auf einen derart großen Erfolg verweisen kann. Nachdem sie einen herzzereißenden Brief von zwei Fans vorgelesen hat, holt sie diese bei "Born This Way" auf die Bühne, küsst und umarmt sie und stimmt das Lied – wieder am Piano sitzend – neben ihnen an. Ein kurzer, aber eindrucksvoller Moment der gefühlvollen Zurückhaltung in der zweistündigen Pop-Stafette mit einer wichtigen Botschaft: "Es sind sehr viele homosexuelle Fans hier. Wem das nicht passt, der kann gerne gehen."

Volksnah und reduziert
Die Künstlerin zeigt sich nicht nur von Wien und ihren österreichischen Fans beeindruckt, sondern hat sichtlich viel Spaß bei der Interaktion mit dem Publikum. So wird sie reichhaltig mit Stofftieren beschenkt, sucht immer wieder die Hände ihrer Anhänger und schnappt sich während der Show eine Flasche Bier. So unnahbar sie in all den wilden Kostümierungen auch wirken mag, in den reduzierteren Momenten der Show giert sich nicht nur nach dem von ihr besungenen "Applause", sondern sucht die Nähe und palavert von der Inspirationsquelle Mutter Natur und der Bedeutsamkeit des "ARTPOP".

Im letzten Drittel taucht Gaga dann aber wieder tief in den Pop-Zirkus ein und lässt sogar den Busen blitzen. Bei "Ratchet" wird sie auf der Bühne vor einer Spiegelwand umgezogen und lässt, obwohl sie mit dem Rücken zum Publikum steht, vor allem in den vorderen Reihen seitlich tief blicken. In neongrellen Anzügen gibt es noch "Bad Romance" und das mit Schweinemasken verstärkte "Swine", ehe sie sich im weißen Glitzerkleid für die Zugabe "Gypsy" noch einmal ans Piano setzt.

Die Revolution im Grellen
In Erinnerung bleibt eine hochprofessionelle Bombast-Show, die aber vor allem in den ruhigen Momenten wirklich zu überzeugen weiß. Am Pop-Thron sitzt Gaga noch immer sicher und souverän, doch die visuelle Opulenz und das Theatralische nehmen in vielen Bereichen der Show zu viel Platz ein. Das Erschaffen einer eigenen Kunstwelt scheint Gaga mit der "ARTRAVE-Show" aber gelungen zu sein. Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung sie ihre musikalischen Visionen weiterführen wird. Viele Revolutionen entstehen oft im Stillen, und nicht im Grellen…

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