Mister Starmania

Hannes Eder im Interview

Musik
02.02.2007 09:05
Wie viele Österreicher Starmania nur wegen ihm und seiner „ehrlichen“ Kommentare geschaut haben, wissen wir leider nicht. Hannes Eder, 39, ist Managing Director der größten Plattenfirma Österreichs. Seine Karriere begann er als Radiomoderator, später wurde er Programmchef des alternativen Musiksenders FM4, bevor er dann 2003 den Chefsessel bei Universal erklomm. „Seine“ Starmaniacs sollen Popstars werden – und zwar solche, die sich auch verkaufen, denn Hannes Eder macht keinen Hehl daraus, worum es ihm im Tagesgeschäft geht: um Umsatz, Gewinn und die richtige Zielgruppe.
(Bild: kmm)

Der TV-Teil von Starmania ist geschafft: Aus deiner Sicht – war es eine gute Staffel?

Hannes Eder: Es war eine hervorragende Staffel! Ich hab es bereits vom Start weg behauptet und es ist Gottseidank eingetroffen. Es war das beste Starterfeld, das wir je hatten; die Jungs waren im Durchschnitt ein bisschen besser als die Mädels, was dann zur Folge gehabt hat, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt nur mehr die Nadine dabei war; aber auch von den verschiedenen Charakteren, die dabei waren, ist es für uns jetzt hinterher natürlich viel besser als erwartet, eigentlich. Da sind mehrere Produktionen, die sich ausgehen werden.

Wird es eine vierte Staffel geben? Besser gesagt: Zahlt sich das Konzept soweit aus, dass man das noch ein paar Jahre lang durchziehen könnte?

Hannes Eder: Naja, Castingshows gibt’s ja ungefähr schon so lang wie das Fernsehen, wenn man jetzt von Amerika ausgeht. Das ist ja nicht über Nacht erfunden worden. Mit dem nötigen zeitlichen Abstand glaub ich, dass das sehr wohl noch ein viertes Mal in Österreich funktionieren kann. Aber die Entscheidung liegt net bei mir, sondern beim ORF.

Hat man eigentlich beim „Vorsingen“ gemerkt, dass das Starterfeld schon ein bisschen erschöpft ist, sprich: dass sich weniger adäquate Starmania-Anwärter melden? Ihr müsst das potentielle Teilnehmerfeld bei den letzten beiden Castings doch bereits ordentlich ausgesiebt haben, oder?

Hannes Eder: Ich glaub, da schwirren noch jede Menge Talente draußen herum, die aus irgendwelchen Gründen zum Casting nicht hingehen wollten, vergessen haben oder halt die Kriterien – man muss über 16 sein – nicht erfüllt haben. Auch neben der ganzen „Castriade“ glaub ich, dass noch genug Talente da. Ich bin überzeugt, wenn man in einem Jahr eine neue Tour macht, dass man wieder mindestens so viele Talente findet, wie diesmal.

Es war dieses Mal ja die Änderung beim Modus im TV, nicht 48 Kandidaten und Kandidatinnen ins Rennen zu lassen und dem Publikum vorzusetzen, sondern gleich mit der Auswahl von 18 zu kommen. Das hat den Vorteil gehabt, dass sich auch die wirklich Besten ums Finale und auch um die Sendungen davor gestritten haben. Im Modus der zweiten und der ersten Staffel sind halt bei den ersten paar Sendungen jedes Mal… (räuspert sich kurz)… nicht die Richtigen aufgestiegen!

In letzter Zeit sind die Meinungen diverser etablierter Musiker, sprich: klassischer Austropopper, in der Öffentlichkeit immer mehr dahin geraten, dass man Starmania nicht mehr als „Talentshow“ sehen dürfe, sondern als TV-Spektakel, gerade weil statt den gesanglichen Leistungen häufig Aussehen, Tanzkünste und Sympathie eine größere Rolle spielen. Wie siehst du das?

Hannes Eder: Na, selbstverständlich. Es ist in erster Linie eine Unterhaltungssendung, die sich dankenswerterweiseum Musik dreht. Und es hat halt den Paralleleffekt, dass es für die Plattenfirma eine Castingfunktion hat. Aber all das, was du jetzt gerade aufgezählt hast, ist mindestens so wichtig, wie die Musik – wenn man eine Karriere starten will. Es ist nicht wurscht, wie man ausschaut, es ist nicht wurscht, wie man sich präsentiert und es ist auch nicht wurscht, wie viel Sympathie man erwirbt.

Hast du Verständnis für den „Grant“ der etablierten Musiker, die sich mühsam hochgearbeitet haben, Songs selber schreiben und Instrumente spielen und sich dann darüber mokkieren, dass Menschen, die „nur“ singen könnenmit viel Aufwand zu Popstars gemacht werden?

Hannes Eder: Mmh. Naa, eigentlich nicht. Aber ich kann ihn nachvollziehen – weil es Österreich ist, eben. Man muss sich von der Idee verabschieden, dass ein Format wie Starmania oder vergleichbare die neuen Nirvana, Rolling Stones oder wen auch immer entdeckt. Das is a ganz andere Baustelle! Wir können den Peter Alexander hernehmen, der meines Wissens a net sehr viele Songs selber geschrieben hat.

Man kann ihn gut als Beispiel aus der Vergangenheit herauspicken und sagen, es geht eher um Entertainer und um Talente, die in der Lage sind, Musik – und das übt man dann mit ihnen in einem Fernsehstudio über Monate hinweg – richtig gut zu präsentieren. Würden alle Popstars dieser Welt nur solche sein, die ihre Songs selber schreiben, dann hätten wir Robbie Williams und Christina Aguilera auch nicht.

Deswegen sind das für mich zwei verschiedene Baustellen. Die Band die neuen musikalischen Stil prägt, mit ausschließlich selbstgeschriebenen Songs, die aus dem Proberaum kommt und durch das „Permanent-Gigging“ nach oben kommen - die wird’s immer geben. Das trifft aber auf ein ganz anderes Zielpublikum.

Wie sieht der „normale“ Weg aus, auf dem ein Popstar in spe bzw. eine junge Band bei Universal einen Vertrag kriegt? Es gibt ja nicht nur Starmania, ihr bringt ja auch andere Platten heraus, bei denen man Künstler nicht casten muss.

Hannes Eder: Ja, klar. Starmania betrachten auch wir als komplett parallel dazu, aber es gibt da halt die Chance für ein Talent, mit einem Popularitätswert ins Rennen zu gehen, den manche Bands nach Jahren noch nicht erreicht haben. Und das ist eine große Chance, aber auch nicht mehr. Dieser Hype um die Sendung Starmania ist enden wollend. Es gilt jetzt daraus – und das ist uns ja schon einmal gelungen – eine längerfristige Karriere zu machen, besser noch: mehrere.

Üblicherweise ist es aber so, dass wir Scouting machen. Wir schauen uns junge Bands, die noch keinen Plattenvertrag haben, an, wir kriegen auch ohne Ende Demos zugeschickt; und daraus wählen wir Künstler aus, die gut genug sind und vor allem auch am Markt Platz finden. Bei uns heißt das Minimum 30 Produktionen im Jahr und das geht halt vom Wolfgang Puschnig und Rebekka Bakken im Jazz-Bereich bis in die andere Ecke zu Excuse Me Moses und Bauchklang. Dazwischen ist Pop.

Aber es gibt auch Birgit Denk, als legitime Neuinterpretation von dem, was Austropop früher einmal war – und etliche mehr. Weil ich einfach an Künstler glaub – Geschäft war’s bis jetzt noch kein’s (lacht), aber das gehört auch zu einer Plattenfirma dazu, dass man einen langen Atem hat und nicht gleich nach den ersten Monaten wieder aufhört.

Wenn’s jetzt Starmania nicht gäbe, würden dann mehr Platten solcher Künstler erscheinen, oder zumindest stärker promotet werden? Mir fallen da aktuell Excuse Me Moses, oder auch Leo, der im Sommer kurz mal da war, ein…

Hannes Eder: Nein, weil Excuse me Moses und Nadine rittern net um das gleiche Publikum! Es sind bei uns, in unserer Aufstellung, zwei verschiedene Paar Schuh’. Und die Reaggae-Gruppe Iriepathie steht nicht im Wettbewerb zu Christina Stürmer. Wir haben einen Markt, wir wissen welche Genres in Österreich mehr oder weniger gemocht werden und da nehm ich das zur Kenntnis und versuche mit den Talenten, die natürlich da sein müssen, Künstlerkarrieren aufzubauen. Das gelingt nicht immer. Oft scheitert’s auch am medialen Support oder daran, dass die ein bisschen weniger flexibel und schnell sind – aber das ist normal. Da geht’s den Engländern oder Amerikanern auch nicht anders. 100% dieser Versuche werden halt nicht Superstar – so schaut’s aus.

In einer der letzten Starmania-Sendungen hast du zu Tom gesagt, als er Joan Jettes „I love Rock’n’Roll“ gesungen hat: „Die Ladies damals hatten mehr Eier als du.“ Was sagen deine Kinder am Samstagmorgen nach so einem Spruch?

Hannes Eder: Ähem, was sollen die sagen?

Wirst du gerügt, gibt’s Zurechtweisungen?

Hannes Eder: Naa! Naja… es ist in dem Fall nur mein Sohn, also der Ältere ; der schaut immer zu, bis er einschläft. Er ist nicht immer der gleichen Meinung gewesen wie ich und das hat er mir am nächsten Tag dann auch gesagt, aber ich glaub, ich hab das schon relativ jugendfrei gehalten…

…im Vergleich zu, sagen wir, Dieter Bohlen bei RTL!?

Hannes Eder: Ja, das ist halt absichtlich. Das ist halt eine Provokation. Mmten können, aber wenn man die Sendung nur deswegen schaut, weil dort einer ist, der Menschen ab laufenden Band beleidigt, dann wäre das etwas, wofür ich mich nicht hergeben würde.

Weiß man eigentlich, ob dein Auftreten in Starmania Quote bringt? Es könnt ja Leute geben, die sich die Sendung – zumindest zu einem Teil – nur wegen dir ansehen?

Hannes Eder: Puh… keine Ahnung. Das ist meines Wissens auch nicht erhoben worden.

Die letztjährige Siegerin von Starmania hat in einem Interview mit dem Standard gesagt, dass man ihr klar gemacht hätte: „Wir haben schon die Stürmer.“ Die Luft sei sehr dünn da oben, und sie wäre schon zu viel gewesen. Ist Österreich so klein, dass sich nur ein großer Popstar halten kann und der Rest als „One-Hit-Wonder“ verheizt wird?

Hannes Eder: Zum einen hat sie in diesem Fall NICHT von der Plattenfirma geredet, darauf leg ich einmal Wert (lacht). Zum anderen: der mediale Support für einen Act, der aus einem Medium kommt, sprich: TV, der muss eine Fortsetzung finden, und darf am Ende mit dem Sieg nicht vorbei sein – wie das eben bei der Verena leider der Fall war. Und dann versuchen, das zu kompensieren, zum Beispiel über kleine Gigs, das ist sich halt nicht ausgegangen.

Es wäre ja nicht so, dass wir’s nicht versucht haben... natürlich ist Österreich nicht zu klein, aber 40 Superstars werden sich bei uns eben nicht ausgehen! Auch wenn in der jüngeren Vergangenheit – also net vor’m Krieg (lacht), sondern in den 70er- und 80er-Jahren - zu Zeiten des Austropop und dem, was daneben so passiert ist, ein paar Leute ganz gut davon leben konnten. Und die waren keine Superstars in den USA, wie zum Beispiel der Falco, und sie waren auch keine in Europa. Es gehen sich also noch ein paar „Superstars“ aus. Ein Fehler wäre nur, sie dort zu platzieren, wo jetzt zum Beispiel Christina Stürmer sitzt. Der Platz im Bus ist eindeutig besetzt.

Was kannst du der neuen Starmania-Siegerin bzw. den Siegern, denn es wird ja eine Boyband geben, prophezeien? Versprichst du ihnen etwas, wenn sie den Plattendeal bei dir unterschreiben?

Hannes Eder: Ich verspreche ihnen das, was ich ihnen versprechen kann. Nämlich, dass sie bei der besten Plattenfirma die bestmögliche Betreung mit maximalem Risiko, das wir geben können, bekommen. Wir haben das Know-How und wir haben beste Kontakte. Den fixen Verlauf einer Karriere zu versprechen, dass wäre im gröbsten Maße unseriös.

Das heißt, du klärst deine Stars in spe über Risiken und Nebenwirkungen des Musikgeschäfts auf.

Hannes Eder: Ich klär sie als erstes über „Energievampire“ auf, die ihnen ab sofort bei jeder Gelegenheit begegnen werden. Und das man die möglichst zurückdrängen muss. Ich sag ihnen auch, dass es ganz viel Arbeit ist, und dass sie jetzt eine Riesenchance haben, von der Hunderte, Tausende andere träumen. Und, dass nix garantiert ist. Die Chancen stehen so gut wie bei allen anderen, die noch vor sechs Monaten davon geträumt haben. A g’mahte Wies’n gibt’s afoch net!

Die meistverkaufte CD in Österreich war 2006 der Kiddy-Contest-Sampler. Erst danach kommt Christina Stürmer, bei der man das aber eigentlich vermutet hätte. Wie stark hängt die Karriere eines Popstars oder einer Band in Österreich eigentlich davon ab, ob das Fanpublikum – mit deinen Worten: die Zielgruppe – die CDs tatsächlich kauft, oder sich die Platten einfach kopiert bzw. downloadet? Es kommt ja nicht von ungefähr, dass die Volksmusik- und Schlagerszene in Österreich so lange in den Charts vertreten ist. Deren Fans kaufen sich vom aktuellen Album auch die Gold- und die Platinum-Edition, selbst  wenn sie sämtliche Songs dadurch dreifach zuhause haben…

Hannes Eder: Also, der Kiddy-Contest-Sampler ist seit Jahren immer die meistverkaufte CD (lacht), das muss man zugeben. Und zum anderen: Ja, es sind zu hundert Prozent die CD-Verkäufe, weil die Plattenfirma ja net die Caritas is. Die Caritas ist gut und unterstützenswert, aber wir sind ein auf Umsatz und Gewinn orientiertes Unternehmen – auch im Sinne unserer Künstler, die wollen ja auch gern, dass es gewinnorientiert und nicht armenhilfemäßig bei uns abläuft.

Das ist total wichtig, wobei der Erfolg der zitierten Schlager-und Volksmusik bei uns auch damit zu tun hat, dass die Infrastrukturen und Rahmenbedingungen in Österreich mehr als optimal sind. Die können 200 Mal im Jahr irgendwo auftreten, wo Publikum ist und wo sie Gage kriegen. Die finden über zwanzig Fernsehsendungen im Jahr, im Hauptabend, wo sie auftreten können. All das gibt’s beim Pop nicht – um die Rahmenbedingungen da zu ändern, das wird a bisserl Zeit dauern. Aber es gibt den Silberstreif am Horizont (lacht).

Das heißt, Popmusik braucht ihren eigenen Musikantenstadtl?

Hannes Eder: Die braucht außerhalb des singulären TV-Events Starmania – und das brauch nicht nur ich, sondern die Musikbranche insgesamt – Formate, die Musik nicht als feindlichen Eindringling betrachten, sondern diesen mit Handkuss gerne in der Sendung hätten. Jetzt red i net nur vom TV, sondern auch vom Radio. Denn da verhält sich’s ähnlich – zumindest was österreichische Musik betrifft.

Du warst selbst einmal Musiker mit einer Band und hast – soweit ich mich da erkundigen konnte – auch Platten aufgenommen. Warum ist daraus nichts geworden?

Hannes Eder: Weil wir damals etwas gemacht haben, das einfach nicht massenkompatibel genug war (lacht). Ich war selber bei der Polygram, die jetzt zur Universal gehört, um ihnen unser aktuelles Album anzubieten. Da ist mir erklärt worden – aber in etwas anderen Worten – was ich jungen Künstlern jetzt auch öfter sagen muss: Dass das zwar schön und gut ist, aber es in Österreich kaum Leute kaufen würden.

Wenn du mit deiner Band von damals jetzt bei dir als Universal-Boss anklopfen würdest, würdest du dein früheres Ich unter Vertrag nehmen?

Hannes Eder: Mit dem Sound, den wir damals g’habt haben?

Naja, stellen wir uns vor, es wäre ein wenig der Zeit angepasst…

Hannes Eder: Äh… naa! Und zwar deswegen, weil’s jetzt andere gibt, die besser sind als wir damals waren. Auch in punkto Einstellung, die heute noch bei vielen Bands dieselbe ist. Die wollen alle Vorteile, die ein großes Label zu bieten hat, aber vom Know-How – und das muss bei uns zwangsläufig vorhanden sein, sonst wären wir nicht so erfolgreich – genau nix wissen. So nach dem Motto: „Gebt’s mir die Marie, aber dreinreden tut’s nix, weil wir wissen eh alles besser als der Rest der Welt.“ Und das ist keine Basis auf der man langfristig mit einem Künstler arbeiten kann. Und kurzfristige Erfolge sind mir wurscht.

Wir sind gespannt, welcher Erfolg die Starmanicas erwartet…

Hannes Eder: Ich auch. Und zwar mindestens genauso (lacht).


Interview: Christoph Andert

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