Hart statt zart

Alter Bridge: “Blackbird”

Musik
05.03.2008 22:19
Ehemalige Fans der amerikanischen Rockband "Creed" werden drei Viertel der Mitglieder von "Alter Bridge" nur zu gut kennen. Brian Marshall, Scott Phillips und Gitarrist Mark Tremonti brachen vor gut vier Jahren mit Creed-Frontmann Scott Stapp, um mit dem Sänger Myles Kennedy ein neues Kapitel aufzuschlagen. Das Debütalbum "One Day Remains" schlug hohe Wellen bei den Kritikern - Alter Bridges zweiter Longplayer "Blackbird" übertrifft sämtliche Erwartungen.
(Bild: kmm)

Bands, die aus anderen Bands entstehen, sind nicht selten mit Vorsicht zu genießen: Das Gros der eingeschworenen Guns'n'Roses-Fans konnte mit Slashs Hardrock-Combo "Velvet Revolver" auch nach zwei Alben nicht warm werden. Billy Corgans "Zwan" gaben nach einem Album w.o. und auch Sebastian Bach konnte Skid Row mit "The Last Hard Men" keins auswischen.

Alter Bridge gehören zum anderen Teil der "Supergroups", wie etwa "Audioslave", die aus Ex-Mitgliedern von "Soundgarden" und "Rage Against The Machine" zumindest für drei Alben ein höchst erfolgreicher Act sein konnten. Und die Band um die drei Ex-Creed-Mitglieder Marshall, Phillips, Tremonti und den ehemaligen Mayfield-Four-Sänger Myles Kennedy ist erst beim zweiten Album!

Von Creed zu Alter Bridge
Als Alter Bridge 2004 entstand, sagte Gitarrist Mark Tremonti, dass er mit der neuen Truppe zu seinen Metal-Wurzeln zurückkehren wolle. Die zitzerlweise Auflösung Creeds zog sich über drei Jahre, ein Album und eine Tour hinweg und war von persönlichen Differenzen der Bandmitglieder mit Sänger Scott Stapp geprägt. Bassist Brian Marshall hatte das sinkende Schiff schon 2000 verlassen, weil er es mit Stapp nicht mehr aushielt. Der Frontmann hatte die Band vom kantigen, energischen Debütalbum "My Own Prison" zu kommerziell zwar höchst erfolgreichen Schmuse-Rocksongs wie "With Arms Wide Open" oder "My Sacrifice" geführt - aber nach vier Jahren listeten Tremonti und Co. eben in den Pop- statt in den Rock-Charts.

Stapp, der in einer ultrareligiösen Familie aufwuchs und mit "My Own Prison" seine Abkehr von diesem Milieu beschrieb, kehrte nach der Auflösung zu gerade diesen Wurzeln zurück und komponierte nach einem mäßig erfolgreichen Solo-Album unter anderem den Soundtrack zu Mel Gibsons "The Passion Of The Christ". Tremonti, der Stapps religiöse Suderei offenbar schon länger satt hatte, hält seine Songs fortan frei von Gott und Teufel und benennt seine neue Band Alter Bridge nach einer Brücke, die die Städte Detroit (Tremontis Heimatstadt) und Grosse Pointe Park verbindet, und die Mark als Kind nie überqueren durfte, weil die Gegend auf der anderen Seite zu gefährlich für kleine Jungs zum Spielen war.

"Blackbird"
Der Titelsong zum zweiten Album Alter Bridges dauert fast acht Minuten. Die neue Platte ist eindeutig in die Kategorie Metal/Hardrock einzuordnen und wird geprägt von Tremontis virtuosem Gitarrespiel und Myles Kennedys kraftvoller Stimme, die mit dem tiefen Bariton Scott Stapps so gar nichts zu tun hat. Vergleichbar mit Creed ist der Sound von Alter Bridge ohnehin bereits seit dem ersten Album nicht. Tremonti, der sich auf "Blackbird" mit komplizierten, temporeichen Riffs und pompösen Soli austoben kann, musste beim letzten Creed-Album empfindlich zurückschalten und fand in dem "Soft-Grunge", den Creed gegen Ende spielten, offenbar keine Erfüllung mehr. Die Jahre der Zurückhaltung macht er jetzt mit durch Mark und Bein fahrenden Schmettergitarren-Sounds wett.

Aber nicht nur Tremonti spielt enthemmt, auch Drummer Scott Phillips geht ungestüm zur Sache. Zusammen mit Myles Kennedy, der auf "Blackbird" auch als Songwriter agiert, hält er den Adrenalingehalt der 13 Songs auf dem Album konstant auf Überdosis. Die Single "Rise Today" (Video gibt's auf der Alter-Bridge-Homepage) hat endlos Power und entspricht mit 4.21 Minuten dem "Blackbird"-Durchschnitt - nur drei Songs dauern unter vier Minuten.

Weitere Highlights auf "Blackbird" (engl. für "Amsel") sind das treibende "Come To Life", ein kompromissloser Shouter-Song, auf dem sich Tremonti - er ist neben Carlos Santana einer der wenigen, denen vom Edelgitarrenhersteller Paul Reed Smith ein Signature-Modell gewidmet wurde - Knoten in die Finger spielt. Beklommenheit macht sich auf "Buried Alive" breit, "One By One" bringt die Metallica-Einflüsse der Bandmitglieder zur Geltung und "Watch Over You" hat ironischerweise viel mit dem Pearl-Jam-Song "Daughter" gemeinsam, bei denen Bassist Brian Marshall eine zeitlang auf der Blacklist stand, als er in einer Radioshow sagte, der Niedergang von Pearl Jam sei nahe.

Die größte Shred-Orgie auf "Blackbird" findet schließlich auf dem vorletzten Song "White Knuckles" statt. Über viereinhalb Minuten toppen sich die drei Musiker und Myles Kennedy mit akrobatischen Höchstleistungen, packen den Zuhörer am Genick und werfen ihn gegen in die stahlharte Soundwand aus bretternden Gitarren, irren Drum-Fills und Kennedys kehligen, lang gezogenen Vocalparts. Ihre Vergangenheit mit dem Streichel-Hardrock von Creed haben Alter Bridge mit diesem Album definitiv ein für alle Mal gemeuchelt.

7 von 10 kreischenden Amseln


Christoph Andert

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