Techno-Legenden

Scooter im Interview

Musik
05.03.2007 01:01
Für die einen ist es eine sinn- und zwecklose „Bumperei“, für die anderen einfach nur „hyper, hyper“ ohne Ende: Seit dreizehn Jahren mischen Scooter mit Hardcore-Beat und Techno-Grooves aus der Blechdose die pop-dominierten Charts auf. Die vier Hamburger sind eine der erfolgreichsten Truppen in ihrem Genre und dank Hits wie „How Much Is The Fish“ und „Hyper, Hyper!“ auch Outsidern ein Begriff. Mit „The Ultimate Aural Orgasm“ bringen Scooter ihr zwölftes (!) Album heraus. Krone.at hat Frontmann H.P. Baxxter zum Interview getroffen.
(Bild: kmm)

Hans Peter Geerdes’ prägnantes Organ bleibt auch dann unverwechselbar, wenn er mal nicht in sein Fahrradlampen-Mikro schreit sondern ruhig und gelassen mit angenehm sonorer Satzmelodie über das neueste Scooter-Werk spricht.

Wer in den späten Neunzigern Radio konsumiert hat, oder hin und wieder mal in den Genuss von Musikfernsehen kam, kann Scooter gar nicht überhört haben. Frontmann Baxxter und seine Kollegen katapultierten sich mit Technomusik mitten in die Charts, die bis dato hauptsächlich von Popmusikern und einer Hand voll amerikanischer Rockbands okkupiert waren. Warum, das verstehen manche Fans „handgemachter“ Musik bis heute nicht.

Die vier Hamburger erklopften sich mit Dancefloor-Krachern, denen nichts zu peinlich war, eine bemerkenswerte Fangemeinde. Vor allem in Deutschland, Osteuropa aber auch in Österreich spielen sie in ausverkauften Konzerthallen, in denen es zugeht, wie bei einem kollektiven Fitnesstraining. Im Laufe der Zeit gab es mehrere Personalwechsel bei Scooter, weshalb die Fans damit begonnen, die Bandgeschichte in Kapitel einzuteilen. Mit „The Ultimate Aural Orgasm“ beginnt nunmehr das vierte. „Das mit den Kapiteln hat sich halt so ergeben.“ Und zwar immer wenn einer ihrer DJs das Handtuch warf. „Der vierte Mann ist bei uns so das Risiko. Irgendwie haben wir alle vier Jahre genug von einander“, lacht H.P. Baxxter. Man trenne sich aber immer im Guten.

Warum Scooter derart großen Anklang fanden und finden, kann sich H.P. Baxxter gut erklären: „Wir sind dauernd am Arbeiten, pausenlos im Studio.“ Quasi, steter Tropfen höhlt den Stein. Damit man sich in einem Randgenre aber auch entsprechend Brötchen verdient, ist strikte Arbeitsteilung nötig. „Rick macht die musikalischen Sachen, Harmonien und so weiter. Ich überlege mir die verrückten Dinge, die man dazu texten kann. Unser DJ sorgt für die Beats und dann wäre da noch der vierte Mann, Jens Thele, der als Manager fungiert. Wir sind ein Team, das macht wohl den größten Teil aus.“

Ihre Produktionen kommen zu fast 100 Prozent aus eigener Schmiede, vom Komponieren übers Recording bis zum Mastering. Und: Alles kommt aus der Blechdose, dem Computer - sei er jetzt in einem Keyboard oder im Laptop. Wer denkt, es wäre mit den heute zur Verfügung stehenden Mitteln einfacher, elektronische Musik zu produzieren als amtlichen Rock, den belehrt H.P. Baxxter eines besseren: „Ich glaube, es ist gleich schwierig eine gute Rockplatte bzw. guten Techno zu produzieren. Wir müssen auch Qualität bringen, das Ganze muss grooven und sich gut anhören. Es stimmt, die Methoden sind einfacher geworden. Du hast Hunderttausende von Samples, auf die du zurückgreifen kannst. Es ist verdammt leicht geworden, mal schnell was zusammenzuschrauben, aber ob das dann so innovativ ist, ist ’ne andere Frage...“ Er selbst hat mit Rock begonnen, damals in der Schulband. „Die Gitarre hab ich aber schnell an den Nagel gehängt.“

Für den Laien ist es bei 180 Beats per minute vielleicht nicht herauszuhören, Baxxter meint aber sehr wohl, dass sich das Genre momentan stark verändert: „Früher haben wir halt mit unseren 172 Beats dahingedroschen, aber das ist jetzt vorbei.“ Neue Ideen holen sie sich beim Weggehen in Clubs. Man sondiert die Lage, hört nach, was fehlt und macht dann genau in dieser Richtung weiter. Um Lücken zu stopfen, musst du sie eben erst finden. Was H.P. Baxxter, der seine Texte immer erst zum fertigen Songs schreibt und sich gerne Slangausdrücke von englischen MCs abguckt, eindeutig nervt, ist die Vielzahl an gecoverten Rocksongs, die sich in jüngster Zeit durch die Dance-Charts schlängeln: „Ich finde das etwas inflationär. Man sagt halt, jetzt machen wir den noch mal schnell, so im Vorbeigehen – das ist eine Herangehensweise, die wir so nicht machen.“

Zur Reputation von Scooter als nette, etwas großspurige Prollpartie haben nicht zuletzt auch pikante Videos, die erst nach 22 Uhr gespielt werden dürfen und etliche Songs, die weit unter die Gürtellinie gehen, beigetragen. Wie der Albumtitel schon sagt, geizen sie auch auf „The Ultimate Aural Orgasm“ nicht mit zweideutigen Anspielungen und manchmal auch ganz eindeutigen Sprüchen, die von der gemeinen Prahlerei bis zum chauvinisstischen Macho-Gehabe reichen. Die Songtitel klingen diesmal wie Titel aus einem Pornofilm-Katalog: „Horny In Jericho“ statt Horns Of Jericho, „Scarborough Affair“ statt Scarborough Fair. Dass das so ist, sei „aber keine Absicht gewesen“. Baxxter: „Wir wollten da jetzt kein Konzeptalbum machen, aber durch das Wortspiel im Albumtitel ist dann eins ums andere gekommen.“ Die Sache wurde, naja, ein wenig schlüpfrig.

Scooter sind auf dem besten Weg, Kult zu werden. Zumindest ist es bemerkenswert, mit welchen musikalischen Ausgeburten sie es schaffen, immer wieder aufs Neue die Charts zu entern und ihre Fangemeinde zu erweitern – obwohl man sie zwischendurch mehrmals totsagte. Was macht Baxxter eigentlich, wenn ihn Fans zum fünfzehnten Mal an einem Tag mit „Hey, Alter! Hau matsch is da fiiiiisch?“ grüßen? „Naja, das musst du in Kauf nehmen. Man nickt den Leuten halt zu und setzt ein freundliches Gesicht auf. Die freuen sich ja meistens drüber.“

6 von 10 auralen Orgasmen


Christoph Andert

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