"Sozialer Kitt"

Tausende arbeiten in Wien als Ehrenamtliche

Österreich
29.11.2017 14:02

Wir Österreicher sind Spendenweltmeister. Neben Geld ist jedoch auch Zeit ein wichtiges Gut. Unzählige Ehrenamtliche sind der "soziale Kitt" für unsere Gesellschaft.

"Man muss nur ein wenig Geduld haben, dann kommt schon das Richtige", sagt Andrea Reiter, als wir sie in der Küche der Wiener Tafel treffen. Hier kocht die Verlagsmitarbeiterin mit Flüchtlingen einmal pro Woche Gerichte aus unterschiedlichen Ländern. Der Fokus liegt dabei auf der Kommunikation - das, was die Flüchtlinge im Sprachkurs lernen, sollen sie im Alltag üben.

Sinnvolles für die Allgemeinheit tun
Andrea Reiter ist eine von unzähligen Wienerinnen und Wienern, die einen Teil ihrer Zeit spenden, um ehrenamtlich tätig zu sein. Die Beweggründe sind vielfältig, und dennoch eint die Freiwilligen etwas: ihre positive Lebenseinstellung - und der Gedanke, etwas Sinnvolles für die Allgemeinheit zu tun. Reiter: "Ich bin gesund, habe einen Job und ein Dach überm Kopf, in meiner Heimat herrscht kein Krieg und Schicksalsschläge blieben mir und meiner Familie weitestgehend erspart. Ich bin also wirklich auf die Butterseite des Lebens gefallen und wollte etwas von diesem Glück zurückgeben."

Das tut sie - gemeinsam mit mehreren Tausend anderen Freiwilligen, die dafür sorgen, dass die Menschen in Wien ein bisschen näher zusammenrücken. Die Bereiche, in denen man sich engagieren kann, sind vielfältig (siehe unten).

Gelebte Solidarität hat viele Gesichter
Oft ist es Zufall, wohin es einen verschlägt. Wie bei Brigitte Vecera, die sich im TierQuartier Wien um Ratten, Mäuse und Co. kümmert. Ein Zeitungsbericht hat sie auf die Idee gebracht. "Ich gehörte damals zu jenen Endfünfzigern, die aufgrund der Wirtschaftslage ihren Job verloren haben", erzählt sie. "Aber ich wollte nicht zu Hause sitzen, sondern etwas Sinnvolles tun."

Auch Stefan Jirges erwartet keine Gegenleistung, wenn er seine Zeit im Seniorenwohnheim in der Armbrustergasse in Döbling verbringt. Als "gute Seele" schenkt er den Bewohnern ein bisschen Abwechslung. Mal werden "alte Hadern" gesungen, mal wird Kaffee getrunken, oft einfach nur getratscht. Trotz Schlaganfall, Herzinfarkt und Bandscheibenvorfällen kommt Nichtstun für ihn einfach nicht infrage. Warum er hilft? "Es macht mir riesigen Spaß. Und es kommt so viel zurück. Wenn ich die strahlenden Gesichter sehe, macht mich das glücklich."

"Wenn einer traurig ist, dann drücke ich ihn"
"Krone":
Frau Sigrid Simmel, Sie arbeiten seit 2009 in der Gruft, dem Tageszentrum und der Notschlafstelle der Caritas für Obdachlose im 6. Bezirk, ehrenamtlich als Frisörin. Wie kam es dazu?
Sigrid Simmel:Schon früher habe ich immer wieder Kleidung hierher gebracht. Als ich dann in Pension gegangen bin, dachte ich mir, ich müsste doch irgendetwas können, das denen hilft.

Wie kann man sich Ihren "Dienst" vorstellen?
Jeden Dienstag und Sonntag komme ich her, schneide Haare und stutze Bärte. Rund 25 "Kunden" habe ich pro Dienst, oft bildet sich eine Schlange - und nicht immer kommen alle dran.

Was ist Ihnen bei Ihren Besuchen wichtig?
Vor allem der direkte Kontakt mit den Menschen, ihren Ängsten und Sorgen. Nehmen kann ich ihnen diese natürlich nicht.

Sie werden sicher oft mit traurigen Lebensgeschichten konfrontiert. "Leiden" Sie mit den Obdachlosen mit?
Natürlich macht man sich Gedanken, aber Mitleid ist fehl am Platz. Ich möchte, dass die Menschen sich die paar Minuten, die sie bei mir sitzen, wohlfühlen. Vielleicht vergessen ein paar von ihnen ihre Sorgen für eine kurze Zeit. Wenn einer ein bissl traurig ist, dann muss ich ihn drücken. Und manche schlafen beim Schneiden sogar ein. Das sehe ich als Kompliment.

Was nehmen Sie für sich selbst von hier mit?
Ich werde hier behandelt wie eine Königin, richtig verwöhnt. Diese Menschen geben mir mindestens so viel, wie ich ihnen gebe. Und dafür bin ich dankbar. Hier anzufangen, das war eine meiner besten Entscheidungen.

Hilfreiche Plattform: "Freiwillig für Wien"
Viele Wiener möchten sich freiwillig engagieren. Auf der anderen Seite sind Organisationen ständig auf der Suche nach ehrenamtlichen Mitarbeitern. Mit "Freiwillig für Wien" bieten die Stadt und die Helfer Wiens eine Plattform, um Interessierte und Suchende zusammenzubringen. Auf der Internetseite können Menschen, die ihre Zeit spenden möchten, nach Organisationen suchen. Dabei kann die Suche auf die eigenen Wünsche und Möglichkeiten zugeschnitten werden: ob Stundenweise, an Wochenenden oder in der Nacht, im Außeneinsatz oder im Büro, im Betreuungswesen, in der Katastrophenhilfe oder für Tiere und Umwelt.

Melanie Leitner, Kronen Zeitung

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele